Dresdner ILK-Kälteexperten wollen mit Vakuum-Tripelpunkt-Technik die Tagebau-Seen als Wärmequellen anzapfen – dafür gibt’s einen Umweltpreis
Dresden/Chemnitz, 28. Mai 2021. Damit die Fernwärme-Netze in der Lausitz auch nach dem Kohleausstieg nutzbar bleiben, haben sich Ingenieure vom „Institut für Luft- und Kältetechnik“ in Dresden gemeinsam mit Partnern ein trickreiches Verfahren namens „Aqva Heat“ ausgedacht. Statt Braunkohle sollen künftig die Tagebau-Hinterlassenschaften als umweltfreundliche Wärmequellen dienen: Mit einem speziellen System aus Vakuumkammern und Wärmepumpen entziehen sie den Lausitzer Seen Wärme für die Fernheizung und gewinnen nebenher auch ein Kältemittel. Vereinfacht gesagt, geht es dabei um „Heizen mit Eis“.
Wichtiger Beitrag zum Umweltschutz
„Wir sehen darin einen relevanten Beitrag zum angewandten Umwelt-, Klima- und Naturschutz sowie zur Anpassung an den Klimawandel in Sachsen“, betonte ILK-Geschäftsführer Uwe Franzke. Das sieht der sächsische Umweltminister Wolfram Günther (Bündnisgrüne) ähnlich. Er zeichnet das ILK-Forscherteam um Ingenieur Christoph Steffan deshalb morgen in Chemnitz mit dem „Eku-innovativ-Zukunftspreis für Energie, Klima & Umwelt in Sachsen“ aus. Die Ehrung ist mit 20.000 Euro dotiert. Das geht aus einer Mitteilung des Instituts hervor.
Am Tripelpunkt schwankt Wasser zwischen Frost und Dampf
Im Kern beruht „Aqva Heat“ auf der Vakuum-Flüssigeiserzeugung. Dabei pumpen spezielle Anlagen aus einem See kühles Wasser nahe am Gefrierpunkt. Dieses Wasser bringen sie in abgedichteten Kammern bei sehr niedrigem Druck bis zum sogenannten „Tripelpunkt“, an dem es gleichermaßen flüssig, vereist oder Dampf sein kann. Durch kleine Manipulationen an diesem Gleichgewicht kann das Wasser dazu gebracht werden, zeitgleich zu vereisen und zu verdampfen. Während sich Kristalle in der Flüssigkeit bilden, steigt Dampf auf und entzieht dem Wasser dabei Wärmeenergie. Der Dampf wird verdichtet und setzt später, wenn er kondensiert, die gebundene Wärmeenergie frei. Sie kann dann mit Wärmepumpen aufbereitet werden, um Zwischenspeicher für das Fernwärmenetz aufzuheizen. Das verbleibende pumpbare Flüssigeis kann die Anlage entweder zwischenbunkern – um damit dann zum Beispiel Kühlhäuser zu beliefern – oder in den See zurückleiten. Weil der Gesamtprozess die Wärme nicht durch Temperaturabsenkungen, sondern aus dem Gefrierprozess am Tripelpunkt nahe 0 Grad gewinnt, ist die Technologie im Grundsatz ganzjährig nutzbar.
Die „Aqva Heat“-Partner
Am Aqva-Heat-Projekt beteiligt sind neben dem Dresdner ILK auch die Hochschule Zittau/Görlitz, die Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg, das Forschungszentrum Jülich als Projektträger, die Stadtwerke von Görlitz, Zittau und Weißwasser sowie weitere Partner. Das Bundeswirtschaftsministerium hat für die Entwicklung und ersten Praxistests der Technologie bis August 2022 rund 96.000 Euro als Förderzuschuss zugesagt. Projektstart war im März 2021. Die erste Versuchsanlage für die Vakuumflüssigeis-Erzeugung wird im Kraftwerkslabor der Stadtwerke Zittau aufgebaut.
Über das ILK Dresden
Das „Institut für Luft- und Kältetechnik“ (ILK, nicht zu verwechseln mit dem genauso abgekürzten Leichtbau-Institut der TU Dresden) geht auf ein 1959 gegründetes Forschungsinstitut für Chemie–und Kälteausrüstungen in Dresden zurück. Nach der Wende wurde es privatisiert und schließlich als gemeinnützige Gesellschaft mbH organisiert. Das ILK ist unter anderem Mitglied der Zuse-Gemeinschaft. Heute forschen hier rund 150 Mitarbeiter hier industrienah an neuer Kryotechnik, Kälte- und Klimatechnik, Luftreinhaltung, Werkstoffprüfung und energietechnischen Infrastrukturen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: ILK DD, Enargus, IPM, Wikipedia
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