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Globalfoundries Dresden: Wir hätten kein Problem mit Intel-Fabs vor der Haustür

Ein Intel-Ingenieur begutachtet eine Chip-Belichtungsmaske in der Fabrik in Santa Clara. Foto: Intel

Ein Intel-Ingenieur begutachtet eine Chip-Belichtungsmaske in der Fabrik in Santa Clara. Foto: Intel

Sachsens Mikroelektronik-Industrie fürchtet allerdings Subventionssog durch Mega-Projekt

Dresden, 19. Mai 2021. Falls Intel in Sachsen mehrere Großfabriken für die Chip-Auftragsfertigung bauen sollte, wie in jüngster Zeit diskutiert, wäre das für Globalfoundries keine problematische Konkurrenz, sondern eher ein Gewinn. Das hat der Dresdner Globalfoundries-Sprecher Jens Drews auf Oiger-Anfrage erklärt.

Jens Drews. Foto: Silicon Saxony

Jens Drews. Foto: Silicon Saxony

Spiel in verschiedenen Marktsegmenten

„Nach allem, was man hört und liest, plant Intel Fabriken, die Chips mit Strukturen unterhalb von zehn Nanometern fertigen sollen“, sagte Drews. „Wenn für solche Halbleiter in Europa eine alternative Lieferquelle zu TSMC und Samsung entsteht, ist das für alle gut. Wir wiederum konzentrieren uns weiter auf die über 70 Prozent des Foundry-Marktes, die oberhalb von zwölf Nanometern liegen. Von daher adressieren wir unterschiedliche Themenfelder und Kundenkreise.“

Hintergrund: Laut „Handelsblatt“ hat Intel-Chef Pat Gelsinger angeboten, in Deutschland mehrere Chip-Megafabs zu bauen, wenn der Staat die dafür nötigen Milliardeninvestitionen zu 40 Prozent subventioniert. Dabei steht auch Sachsen als Fabrik-Standort zur Debatte. Produzieren würden diese Intel-Fabs voraussichtlich nicht nur Intel-Chips, sondern sie sollen auch – ähnlich wie Globalfoundries Dresden – als Auftragsfertiger (Foundry) im Kundenauftrag agieren.

Ursprünglich harte Konkurrenten

Noch vor 20 Jahren wäre eine Großinvestition von Intel in Sachsen schwer vorstellbar gewesen: Da gehörte die heutige Globalfoundries-Chipfabrik in Dresden noch zu AMD. Und dieser US-Konzern stand damals in besonders harter Konkurrenz zu Intel. Damit griff auch das ungeschriebene Branchengesetz, dass direkte Konkurrenzen eher ungern am gleichen Standort Chipfabriken bauen. 2009 wurde AMD jedoch zur reinen Chipdesign-Firma und gliederte seine Fabriken unter dem Namen „Globalfoundries“ aus. Globalfoundries produziert seither nur Chips für andere.

Intel ist seit Jahrzehnten als der Branchenprimus bekannt, der seine Chips selbst entwirft und auch in eigenen Werken produziert. Allerdings hatte der US-Konzern vor einigen Jahren zunächst damit begonnen, eigene unterausgelastete Fabriken mit Fremdaufträgen auszulasten. Inzwischen geht Pat Gelsinger den nächsten Schritt und will diesen Foundry-Geschäftszweig nun massiv ausbauen. Sein Vorschlag an Deutschland war insofern auch Teil eine Art „Welttournee“, um für diese geplanten Foundry-Fabriken Geld und Aufträge einzusammeln.

Globalfoundries Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Globalfoundries Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Drews wiederum sieht in diesem Schwenk des einstmals übermächtigen Halbleiterriesen eine Bestätigung für den Weg, den AMD und Globalfoundries einst eingeschlagen haben: „Grundsätzlich begrüßen wir, dass Intel erkannt hat, wie zukunftsträchtig das Foundry-Geschäftsmodell ist“, sagte er. Intel gehe nun eben einen ähnlichen Weg wie AMD vor zwölf Jahren. Wenn dies zu neuen Halbleiterfabriken im „Silicon Saxony“ führe, dann könne das gesamte Mikroelektronik-Ökosystem in der Region davon profitieren.

Cluster-Effekte in Sachsen absehbar

So könnten die Intel-Investitionen zusätzliche Cluster-Effekte in Sachsen auslösen. Zum Beispiel ist zu erwarten, dass dann Zulieferer und Ausrüster von Chipfabriken wie ASML oder Applied Materials ihre regionalen Teams in Sachsen ausbauen. Auch würde dies vermutlich den Sog der sächsischen Technologiewirtschaft auf internationale Fachkräfte verstärken, so Drews: Wenn ein Spezialist in einer Region gleich mehrere Job-Optionen in seiner Branche sehe und auch gute Chancen, dass der Ehepartner ebenfalls einen guten Arbeitsplatz findet, wache eben auch die Zuzugsbereitschaft.

Dass eine weitere Großansiedlung den Fachkräfte-Wettbewerb in der Region weiter anheizen dürfte, sei daher kein unlösbares Problem: Großansiedlungen sorgen automatisch für mehr Zuzug. „Das ist dann wie ein weltweit wirkender Magnet“, ist Drews überzeugt. Zudem sei es durch Kooperationen mit den Unis, den Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen im Umfeld sehr wohl möglich, binnen drei bis fünf Jahren genug Personal für weitere Chipfabriken auszubilden.

Geld nicht allein in einen Wurf stecken

Zugleich warnte der Globalfoundries-Sprecher allerdings auch davor, alle Fördergelder von EU, Bund und Ländern auf ein einziges Projekt wie etwa die Intel-Ansiedlung zu konzentrieren. Ähnlich hatten sich zuvor schon andere Branchenvertreter der sächsischen Mikroelektronik geäußert, die ebenfalls fürchten, dass dann nicht mehr viel für andere „Wichtige Projekte von gemeinsamem europäischen Interesse“ (englisch als IPCEI abgekürzt) übrig bleiben würde. „Europas Industrien brauchen in den nächsten zehn Jahren in erster Linie solche Innovationen in der Mikroelektronik, die eben nicht in einstelligen Nanometern gemessen werden.“

Eu-Kommisar Thierry Breton. Foto: Etienne Ansotte für die EU-Kommission

Eu-Kommisar Thierry Breton. Foto: Etienne Ansotte für die EU-Kommission

Wie ein Hausbau, bei dem das Dach vor dem Fundament kommt

Skeptisch sehen viele im Silicon Saxony auch die seit Jahren diskutierte und seit kurzem durch EU-Kommissar Thierry Breton forcierte Idee, bis 2025 eine eigene Eurofoundry der 2-Nanometer-Klasse ganz aus eigener europäischer Kraft zu bauen: „Die aktuelle Diskussion darum wirkt oft wie die Debatte über einen Hausbau, bei dem man erst das Dach und dann erst das Fundament bauen will“, warnte Drews. Wenn Europa jetzt beginne, die Grundlagen zu legen, könne solch eine Megafabrik in der nächsten Dekade realisiert werden. „Eine Vision ist immer nur so gut wie der Plan, sie auch Schritt für Schritt zu realisieren. Mit einem Sprung ist das nicht getan.“

Europa muss erst Wertschöpfungsketten komplettieren, bevor es Giga-Fabs baut

Bisher aber gebe es in Europa beispielsweise zu wenig fabriklose Chipdesign-Unternehmen, die solch eine große Foundry auslasten könnten. Auch müssten erst Kapazitäten aufgebaut werden, um die prozessierten Siliziumscheiben zu einsatzbereiten Chips und schließlich zu kompletten Elektronikmodulen weiterzuverarbeiten und zu montieren. In der Branche werden diese Schritte „Packaging“, „Backend“ beziehungsweise „Post-Fab“ genannt. Die Fabriken dafür stehen größtenteils in Singapur, Malaysia und China.

Und nicht zuletzt bedürfe es neuer komplexer Wertschöpfungsketten in Europa, die von der Forschung bis hin zum Endprodukt im Automobilbau, in der Medizintechnik, der Luft- und Raumfahrt oder in anderen Branchen reichen, argumentierte der Globalfoundries-Sprecher. „Dafür könnte die Politik Anreize schaffen, etwa durch Zertifizierungsregeln, die für kritische Produkte und Infrastrukturen den Einsatz vertrauenswürdiger Elektronik aus Europa vorsehen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: GF DD, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt