Die Macher der „Brücke“ kratzen in ihrer neuen Thriller-Serie am Lack der Reichen und Paten
Ganz unterschiedliche Parallelgesellschaften in Stockholm stehen im Mittelpunkt der neuen schwedischen Krimiserie „Hidden Agenda“ der Produzenten von „Die Brücke“: Auf der einen Seite der Filz der Reichen und Hochglanzgelackten, der Unternehmer und ihrer Wirtschaftsanwälte, die sich gerne auch mal übers Gesetz stellen und Verstöße unter der Hand ausgleichen. Und auf der anderen Seite das Milieu der Einwanderer vom Balkan, der serbischen „Paten“ und der kleinen Krauter, die ihre Vergangenheit doch nicht zu entfliehen vermögen, so sehr sie sich auch abstrampeln. Und in diesem Spannungsfeld dreht sich mit wachsendem Tempo aus Rache und Gegenrache, Entführung, erzwungenen Unternehmensfusionen, Mord und Totschlag. Erschienen ist der Achtteiler nun fürs deutsche Heimkino.
Die Story: Anwältin und Ex-Knacki klären Entführung auf
Die junge Anwältin Emily Jansson (Josefin Asplund) bekommt von ihrem Kanzlei-Chef den Auftrag, die Entführung von Philip Schale aufzuklären – aber möglichst diskret und ohne Polizei, weil daran das Schicksal eines der größten Unternehmen Schwedens und eines Schlüsselklienten der Kanzlei hängt. Daher tut sie sich für ihre Ermittlungen mit dem Ex-Knacki Teddy (Alexej Manvelov, „Stockholm Requiem“) zusammen, der nach zehn Jahren im Knast nichts mehr mit der Serbenmafia zu tun haben will und einen Neuanfang versucht. Doch bald merken beide, dass hinter der Entführung mehr steckt als nur die Hatz auf Lösegeld, sondern mehrere Verschwörungen, die eng mit der ihrer eigenen Vergangenheit verflochten sind.
Der Stil: Düster und sozialkritisch
Stilistisch hält sich „Hidden Agenda“ wieder nahe an Erfolgsserien wie „Kommissar Lund“, „Die Brücke“ oder „Springflut“: Düstere Grundstimmung, dunkle Farben, melancholische Musik, Totalen von der nächtlichen Stadt. Die neue Serie fängt zwar etwas lahm an, nimmt dann aber immer mehr Fahrt an, wird immer spannender. Die Macher legen Mosaikstein für Mosaikstein aus der Vergangenheit der Akteure – und lassen verstehen, warum sie so handeln und nicht anders. Im Fokus stehen dabei immer wieder Gier, alte Schulden und Bande, denen man und frau sich die nur schwer entziehen können: Bande der Familie, des Blutes, mafiose Verflechtungen und Vorurteile. Dadurch fügt sich eine komplexe und dichte Geschichte – ein Erfolgsrezept vieler skandinavischer Thriller.
Fazit: Ganz eigener Charme
„Hidden Agenda“ ist zwar nicht so spannend wie „Die Brücke“, hat aber einen ganz eigenen Charme, der sich langsam entfaltet. Sie ist eine Geschichte über Ängste, Feigheit, Verrat, Trotz und die Macht der Vergangenheit, der viele Menschen eben doch nicht entrinnen können. Stärker in den Vordergrund treten hier zudem sozialkritische Töne und die – auch in Deutschland geführten – Diskussionen um Parallelgesellschaften aller Couleur. Neben einem stark agierenden Alexej Manvelov, der schon in „Stockholm Requiem“ eine Klasseleistung hingelegt hatte, beeindruckt an seiner Seite auch Josefin Asplund. Manchmal fragt man sich, wie die schwedische Filmindustrie immer wieder so viele fähige und vielversprechende Schauspielerinnen heranzupäppeln versteht.
Kritisch anzumerken ist, dass der „deutsche“ Titel „Hidden Agenda“ wenig bis gar nichts mit der Geschichte zu tun hat, weil gar keine vorab geplante Tagesordnung insgeheim abgearbeitet wird, sondern eher Improvisationen dominieren. Der Titel wurde vermutlich wieder mal von Deutschen für Deutsche erfunden.
Kurzüberblick
- Titel: „Hidden Agenda“
- Originaltitel: Top Dog
- Genre: Thrillerserie
- Produktionsland und -jahr: Schweden 2020
- Deutsche Heimkino-Veröffentlichung: Juli 2020
- Romanvorlage von Jens Lapidus
- Darsteller: Josefin Asplund, Alexej Manvelov, Peter Gardiner, Dag Malmberg
- Regie: Molly Hartleb, Alexis Almström
- Sprachen: Schwedisch und Deutsch
- Untertitel: Deutsch
- Laufzeit: 8 mal 45 Minuten auf zwei DVDs
- Preis: DVD 19 Euro
- Deutscher Verlag: Edel Motion
Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt
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