Eine brillante Aisling Franciosi als gedemütigte Gefangene, die singt und buckelt, wütet und zurückschreckt
Gewalt, finsterster Rassismus, Hochmut und Demütigung sind Grundthemen in „Nightingale“. Der australische Rache-Thriller von Jenifer Kent wandelt am Rande der „Zivilisation“, dort, ein Menschenleben kaum etwas zählt – und schon gar nicht das der Aborigines. Der bemerkenswerte Film über den Rachefeldzug einer Frau ist nun als Videostrom für deutsche Heimkino-Freunde verfügbar.
Werbevideo (Koch Films):
Die Story: Hungrige stiehlt – und wird zur De-Facto-Leibeigenen in Australien
Weil sie Hunger hat, stiehlt die Irin Clare (Aisling Franciosi) Essen – und landet dafür als Strafgefangene in einem australischen Sträflingsdorf. Dort herrscht ein unbarmherziges Regime: Leutnant Hawkins (Sam Clafin) behandelt nicht nur seine verlotterten Soldaten, sondern auch die Gefangenen wie Leibeigene. Und wenn Clare nicht gerade für den Offizier singen oder schuften muss, vergewaltigt er sie – immer wieder. Und sie lebt in steter Angst, dass der selbstherrliche Herr über Leben und Tod ihr das nimmt, was ihr wichtig ist: ihren Mann und ihr Baby. Als dem Leutnant eine erwartete Beförderung zu entgleiten droht, eskalieren die Konflikte zu einer furchbaren Tat. Danach kennt Clare nur noch einen Gedanken: Rache. Dafür heuert sie mit Billy (Baykali Ganambarr) sogar einen der Aborigines-Führer an. Wie alle Weißen im Dorf hält sie ihn und andere Eingeborene für eine niedere Kreatur, einen geborenen Mörder und Menschenfresser. Doch aus der Zweckpartnerschaft entwickelt sich während der strapaziösen Jagd auf Hawkins etwas Neues…
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Fazit: vielschichtig und spannend
Regisseurin Jenifer Kent und ihr zu großen Teilen weibliches Team haben für die „Nachtigall“ eine feminine Perspektive gewählt. Und die irisch-italienische Schauspielerin Aisling Franciosi füllt diese Rolle exzellent aus: Ihr nimmt man die eigenwillige Gefangene ab, die solange buckelt, wie es irgendwie geht – und die Metamorphose, die folgt. Dabei lässt Franciosi nicht aus, was scheinbar nicht ins Bild passt: Die eigene Hoffahrt einer Frau, die eben noch als Sexsklavin gedemütigt wurde. Wie sie im einen Augenblick als Rachefurie blutverspritzt durch den Busch rennt und im nächsten Moment vor der eigenen Mordlust zurückschreckt, nur noch „nach Hause“ will, obwohl es da schon längst nicht mehr gibt. Das macht aus einem Plot, der ein eindimensionaler Revenge-Film à la „Ich spucke auf dein Grab“ hätte werden können, mehr als nur die Odyssee einer Frau, die auf Rache sinnt: eine spannende und vielschichtige Reflexion von Vorurteilen und Faustrecht.
Kinofilm im TV-Format, damit prächtige Landschaften nicht zu sehr ablenken
All dies inszeniert Jenifer Kent im Tasmanien Mitte des 19. Jahrhunderts. Zu einer Zeit, als vor allem britische Siedler, Soldaten und Strafgefangene immer noch dabei waren, den australischen Kontinent zu unterwerfen und die Aborigines auszurotten. In einem Land voll karger Holzhütten und einsamer Farmen, die den Eingeborenen das Jagdland entrissen. Umgeben von gleichermaßen prächtigen wie gefährlichen Urwäldern, in denen sich jeder Weiße ohne Führer binnen Stunden verirren musste. Dabei setzt Kent aber bewusst nicht auf die Wirkung der tasmanischen Landschaft, wie sie in den – leider nicht untertitelten oder sonstwie übersetzten – Interviews der Bonussektion verrät: Statt im klassischen Kinobreitbild zeigt sie ihr Werk im 4:3-TV-Format, was den Fokus des Zuschauers automatisch auf die Menschen statt die Landschaft lenkt.
Allerdings seien empfindsame Gemüter gewarnt: Die „Nachtigall“ ist keine Schonkost, einige Szenen sind nur schwer zu ertragen.
Zum Weiterlesen:
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Kurzüberblick
- Titel: „The Nightingale – Schrei nach Rache“
- Genre: Rache-Thriller
- Produktionsland und -jahr: Australien 2018
- Regie: Jennifer Kent
- Darsteller: Aisling Franciosi, Sam Claflin, Baykali Ganambarr u. a.
- Dauer: 136 Minuten
- Altersfreigabe: FSK 18
- Preis: Videostrom ca. 5 Euro (Leihen), 12 Euro (Kaufen), Bluray 16 Euro, DVD 14 Euro
- Deutsche Veröffentlichung: Koch Films, Videostrom ab 18. Mai 2020, Bluray und DVD ab 25. Juni 2020
Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt
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