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Science-Fiction-DVD „Aniara“: Reise ins Nichts

Das Luxus-Raumschiff "Aniara" startet von der Erde gen Mars. Szenenfoto: Magnolia Pict.

Das Luxus-Raumschiff „Aniara“ startet von der Erde gen Mars. Szenenfoto: Magnolia Pict.

Schweden haben das dystopische Versepos ihre Nobelpreisträgers Martinson über ein völlig aus der Bahn geratenes Luxus-Raumschiff verfilmt

Ein kleines Stück Weltraumschrott verändert das Leben Tausender Menschen: Aufgebrochen waren sie für einen kurzen Trip zum Mars, doch dann wird daraus eine Reise in die Unendlichkeit. Was macht die Gewissheit, die Familie daheim niemals wiederzusehen, nie wieder durch einen Wald zu gehen oder den Wind auf der Haut zu spüren, aus den Menschen? Verzweifeln oder wachsen sie? Der Schwede Harry Martinson schrieb darüber vor über 60 Jahren das Gedicht „Aniara“ – und bekam dafür den Literatur-Nobelpreis. Pella Kågerman und Hugo Lilja machten aus der epischen Geschichte einen anderthalbstündigen Science-Fiction-Film. Das dystopische Werk ist nun in Deutschland fürs Heimkino erschienen.

Immer mehr Passagiere versuchen in einer wachsenden Verzeiflung, Trost bei der KI "Mima" zu finden, die Menschen hilft, positive Erinnerungen erneut zu durchleben. Für manche wird der Besuch bei der KI zur Droge. Szenenfoto: Magnolia Pict.

Immer mehr Passagiere versuchen in einer wachsenden Verzweiflung, Trost bei der KI „Mima“ zu finden, die Menschen hilft, positive Erinnerungen erneut zu durchleben. Für manche wird der Besuch bei der KI zur Droge. Szenenfoto: Magnolia Pict.

Die Story: Kleines Stück Weltraumschrott – große Wirkung

Durch ihr rücksichtsloses Wirken haben die Menschen ihren Planeten zerstört. Wie so viele vor ihnen, machen sich 8000 Kolonisten mit dem Luxus-Raumschiff „Aniara“ auf dem Weg zum Mars, um dort ein neues Leben zu beginnen. Für ihr Wohlbefinden an Bord während des dreiwöchigen Transfers ist auch Mimarobe (Emelie Jonsson) verantwortlich: Sie betreut die künstliche Intelligenz „Mima“. Und die wiederum spendet in technologischen Licht-Séancen den Passagieren Trost, wenn sie missgestimmt sind oder traurig, oder sich einfach nur an die Erde erinnern wollen, wie sie einst war.

Werbevideo
(Magnolia Pictures):

Suizidale KI bricht unter dem Schmerz der Trostsuchenden zusammen

All das gewinnt eine ganz neue Bedeutung, als umherirrender Weltraum-Abfall die „Aniara“ trifft und eine verhängnisvolle Ereigniskette in Gang setzt: Das Raumschiff hat keinen Treibstoff mehr und treibt manövrierunfähig durchs All. Wie aussichtslos die Lage ist, verraten der Captain (Arvin Kananian) und die Pilotin Isagel (Bianca Cruzeiro) den Passagieren zunächst nicht. Allein die Mimarobe Kabinengenossin (Anneli Martini) spricht es schließlich aus: Die „Aniara“ und alle Menschen an Bord sind dazu verdammt, bis in alle Ewigkeit durchs Weltall zu treiben. Erst macht sich Panik breit, dann Verzweiflung: Dutzende schneiden sich die Pulsadern auf, Mütter töten ihre Kinder und dann sich selbst. Hunderte, Tausende suchen Trost und freundliche Erinnerung bei „Mima“ – doch auch die kollabiert schließlich unter dem Schmerz all dieser Seelen und zerstört sich selbst. Und währenddessen baut der Captain ein tyrannisches Regime an Bord auf…

Alles nur Pappkulisse: Mimarobe (Emelie Jonsson, Mitte) und Pilotin Isagel (Bianca Cruzeiro) versuchen sich vorzugaukeln, an Bord eines diktatorisch geführten Raumschiffs, das ohen Ziel durchs All rast, sei doch irgendwie ein heiles Familienleben möglich. Szenenfoto: Magnolia Pict.

Alles nur Pappkulisse: Mimarobe (Emelie Jonsson, Mitte) und Pilotin Isagel (Bianca Cruzeiro) versuchen sich vorzugaukeln, an Bord eines diktatorisch geführten Raumschiffs, das ohne Ziel durchs All rast, sei doch irgendwie ein heiles Familienleben möglich. Szenenfoto: Magnolia Pict.

Stilistik: Reise in die Dunkelheit

Je verzweifelter die Menschen werden, um so düsterer wird auch die Bildsprache des Films. Bizarre Exzesse wechseln sich mit Szenen voll depressiver Düsternis ab. Der Zerfall an Bord sagt mehr als 1000 Textzeilen darüber, wie sehr die Menschen alle Hoffnung verlieren und schließlich in der Dunkelheit verstummen. Dass dies cineastisch funktioniert und nicht nur wie ein verfilmtes Versepos wirkt, liegt auch an am starken Spiel der Akteure, vorneweg Emelie Jonsson. Dafür gab’s in Schweden dann auch den nationalen Filmpreis „Guldbagge“.

Fazit: Lasst alle Hoffnung fahren!

Ein intensiver, starker und ganz und gar unamerikanischer Film: Bei den Schweden gibt’s kein Happy End.

Die DVD-Hülle von Aniara. Abb.: Eurovideo

Die DVD-Hülle von Aniara. Abb.: Eurovideo

Kurzüberblick

  • Titel: „Aniara“
  • Genre: Science Fiction
  • Regie: Pella Kågerman und Hugo Lilja
  • Darsteller: Emelie Jonsson, Bianca Cruzeiro, Arvin Kananian, Anneli Martini
  • Produktionsland und –jahr: Schweden 2018
  • Deutsche DVD-Veröffentlichung: Eurvideo 2020
  • Laufzeit: 106 Minuten
  • Altersfreigabe: FSK 12

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt