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Glaswerk nun ein Gewerbehof für Dresdner Gründer

Der Gewerbehof an der Freiberger Straße in Dresden. Dort stand einst die weltweit größte Glashütte. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Gewerbehof an der Freiberger Straße in Dresden. Dort stand einst eine große Glashütte. Foto: Heiko Weckbrodt

Preisgünstige Werkhallen und Büros in Innenstadtnähe stark gefragt

Dresden, 16. Dezember 2019. Wegen der großen Nachfrage für preiswerte und zentrumsnahe Gewerbeflächen in Dresden hat die Stadt am Montag einen neuen, rund 4,5 Millionen Euro teuren Gewerbehof an der Freiberger Straße eröffnet. Der dreigeschossige Komplex ist auf dem Areal des ehemaligen Glaswerks in Löbtau entstanden – und war eine besondere stadtplanerische und ökologische Herausforderung. Elf lange Jahre dauerte es daher von der Idee bis zur heutigen Schlüsselübergabe.

Dresdens Wirtschaftsbürgermeister und O-Kandidat Dirk Hilbert (FDP). Foto: Heiko Weckbrodt

Dirk Hilbert (FDP). Foto: Heiko Weckbrodt

Ökologische Zeitbombe an der Freiberger Straße entschärft

„Das Areal war eine tickende Zeitbombe“, erklärte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), der das Projekt noch in seiner Zeit als Wirtschaftsbürgermeister angeschoben hatte. Hier stand einst ein großes Glaswerk. Die Fabrik an der Freiberger Straße stellte erst unter Siemens-Regie, dann als Staatsbetrieb Flaschen, Lampenkörper und andere Glasprodukte her. Auch die gläsernen Teile im Kronleuchter der Semperoper entstanden hier. Zu DDR-Zeiten habe das Werk rund 500 Beschäftigte gehabt, berichtet Andreas Ludwig, der dort von 1968 bis 1987 als Glasschleifer arbeitete. „Es wurden vor 1959 Verschlüsse für Bierflaschen aus Porzellan hergestellt, und Glaskörper für verschiedenen weiter verarbeitende Betriebe aus Glas. Danach wurde auf Lampenschirme in verschiedenen Größen und auch Spirituosenflaschen umgerüstet.“

1991 endete diese lange industrielle Tradition in Löbtau. Die Treuhand übernahm die Regie, ein Großteil der Arbeitsplätze ging verloren. Zeitweise betrieb Siemens das Werk, dann wurde es geschlossen. Zurück blieben unverwertbare Fabrikanlagen und ein Boden, der durch Chemikalien und unterirdische Produktionsräume kontaminiert war.

Tobende Weißeritz gebändigt

Hinzu kam das Weißeritz-Problem: Der Fluss verließ beim Jahrtausendhochwasser 2002 mit aller Gewalt jenes Bett, in das die Menschen ihn gezwängt hatten, und überflutete alles auf seinem Weg vom sogenannten Weißeritzknick aus gen Elbe. Was hieß: Land und Stadt mussten zunächst das Flussbett reparieren, teilverlegen und verstärken, bis an einen neuen Gewerbehof an der Stelle zu denken war. Deshalb laborierten Behörden und die „Dresdner Gewerbehofgesellschaft“ (DGH) auch erst mal zehn Jahre an dem Projekt herum, bis die Bauarbeiter loslegen konnten. Die brauchten dann allerdings nur noch 14 Monate, um das Gebäude hochzuziehen.

DGH-Chef Friedbert Kristan vor dem neuen Gewerbehof an der Freiberger Straße in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

DGH-Chef Friedbert Kristan vor dem neuen Gewerbehof an der Freiberger Straße in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Weiterer Gewerbehof folgt 2023 nebenan

Das umfasst nun 1125 Quadratmeter Büroflächen und elf Werkhallen mit weiteren 1433 Quadratmetern. Kaum fertig, sind die aber alle fast schon wieder vermietet – an Anlagenhersteller, Messtechnik-Spezialisten, Medienfirmen und andere Unternehmen. Daher plant DGH-Chef Friedbert Kirstan bereits die nächste Erweiterung: Auf dem Nachbargrundstück will er das nächste Gründerzentrum hochziehen. „Ende 2021 könnte der Baustart sein,“ schätzte er auf Oiger-Nachfrage ein. Anfang 2023 wäre das Gebäude voraussichtlich bezugsbereit.

Immer mehr wollen mit Straßenbahn oder Rad zur Arbeit fahren

Rasches Handeln ist auch dringend notwendig: Fast alle städtischen Gewerbegebiete, Gewerbehöfe und Technologiezentren sind rappelvoll. Vor allem die Gewerbehöfe und Technologiezentren sind bei Gründern sehr gefragt – nicht zuletzt, weil mehr und mehr ihrer Mitarbeiter mit Bus, Straßenbahn oder Fahrrad zur Arbeit kommen wollen.

Dritter Gewerbehof auf einer Dresdner Industriebrache

Der nun freigegebene Komplex an der Freiberger Straße ist der dritte kommunale Gewerbehof in Dresden und sie alle entstanden auf Industriebrachen: Ende der 1990er Jahre entstand an der Löbtauer Straße der erste, 2003/04 folgte der zweite Hof an der Großenhainer Straße. Solche kommunalen Gewerbehöfe sind als Wirtschaftsförderung gedacht: Junge, noch kleine oder neuangesiedelte Firmen kommen dort rasch, preisgünstig und innenstadtnah an Büros und kleinen Fabrikhallen heran.

Gewerbehöfe bieten Werkhallen und Büros, die Technologiezentren offerieren Labore und Büros

Die Grenze zu den städtischen Technologiezentren ist eher schwimmend, wie Wirtschaftsförderung-Chef Robert Franke einräumt: „Hightech-Firmen können natürlich auch in Gewerbehöfe einziehen“, sagt er. Technologiezentren bieten allerdings neben Büros auch Labore, Gewerbehöfe zwar ebenfalls Büros, aber eben auch Werkhallen.

Creavac zieht 2020 um

Möglichst wieder ausziehen sollen die Firmen diese kommunalen „Asyle“, wenn sie genug gewachsen sind, um sich eigene Fabriken und Firmensitze in städtischen Gewerbegebieten bauen zu können. Jüngstes Beispiel dafür ist die Vakuumtechnik-Firma „Creavac“, die laut Franke im Gewerbehof an der Löbtauer Straße über die Jahre hinweg bis auf nun 100 Mitarbeiter und acht Millionen Euro Jahresumsatz gewachsen ist. Im Jahr 2020 will das Creavac-Team in ein eigenes Hauptquartier umziehen – erbaut im interkommunalen Gewerbegebiet an der Stadtgrenze zu Heidenau.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Recherche, Interviews, LHD, DGH

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt