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Den Biotechnologen wird’s zu eng in Dresden

Regnerationswürmer unterm Mikroskop. Foto: Heiko Weckbrodt

Foto: Heiko Weckbrodt

Seit Jahren wartet die Branche in Sachsen vergebens auf ein zweites BioZ-Technologiezentrum in Johannstadt. Die Planck-Ausgründung Dewpoint erwägt daher, lieber in Boston zu investieren.

Dresden, 10. Dezember 2019. Für ein noch junges Pflänzchen wird es eng in Dresden: Bio- und Medizintechnologie-Unternehmen finden kaum noch Platz im Biotech-Viertel Johannstadt. Auch Erweiterungen und neue Ansiedlungen sind wegen des Grundstücksmangels rund um das Uniklinikum und das Planck-Genetikinstitut so gut wie unmöglich. Das Problem schwelt seit Jahren – doch für Abhilfe haben die kommunalen Wirtschaftsförderer bis heute nicht gesorgt. Dies droht die zu zunächst so hoffnungsvolle Entwicklung einer ganzen Branche in der Landeshauptstadt abzuwürgen. Wachsende Instituts-Ausgründungen wie „Dewpoint Therapeutics“ erwägen inzwischen offen, in die Biotech-Metropole Boston in den USA umzusiedeln.

Prof. Anthony Hyman. Foto: Tristan Vostry

Prof. Anthony Hyman. Foto: Tristan Vostry

100 Millionen an Land gezogen – doch wohin damit?

„Uns fehlt hier der Platz, um zu wachsen“, kritisiert der Zellbiologe Anthony Hyman, der im Februar 2019 mitgeholfen hatte, „Dewpoint Therapeutics“ aus dem „Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik“ (MPI-CBG) in Dresden auszugründen. Mittlerweile hat die Firma, die sich auf neuartige Proteintröpfchen-Therapien spezialisiert hat, 38 Mitarbeiter in Dresden und Boston. „Und wir stellen weiter ein“, betont Dewpoint-Chef Marc Hentz. Zudem hat das junge Unternehmen erst kürzlich Forschungsfördergeld beim Pharma-Riesen Bayer eingesammelt, um gemeinsam neue Therapien für Herz-Kreislauf- und gynäkologische Erkrankungen zu entwickeln. Rund 100 Millionen Dollar wollen die Partner in diese Forschungen investieren. „Wir würden gerne in Dresden investieren“, sagt Hyman.

Proteintröpfchen verhärten unterm Mikroskop: Sie spielen anscheinend auch eine wichtige Rolle bei neurodegenerativen Krankheiten wie ALS. Die Ausgründung "Dewpoint" (deutsch: Taupunkt) ist auf solche biomolekularen Kondensate spezialisiert. Abb.: MPI-CBG

Proteintröpfchen verhärten unterm Mikroskop: Sie spielen anscheinend auch eine wichtige Rolle bei neurodegenerativen Krankheiten wie ALS. Die Ausgründung „Dewpoint“ (deutsch: Taupunkt) ist auf solche biomolekularen Kondensate spezialisiert. Abb.: MPI-CBG

„Institute würden gern mehr Firmen ausgründen“

Doch die Stadt könne dafür nicht genug Flächen anbieten – zumindest nicht dort, wo Biotech-Firmen hinwollen, nämlich in Johannstadt. „Und das betrifft nicht nur Dewpoint“, sagt Hyman. „Die Institute würden gern mehr Firmen ausgründen. Alle brauchen mehr Platz.“

Prof. Kai Simons. Foto. Lipotype GmbH / Andre Wirsig

Prof. Kai Simons. Foto: Lipotype GmbH / Andre Wirsig

Lipodomik-Pionier Simons: Dresden verspielt Chancen

Ähnliche Kritik äußerte auch sein vormaliger Direktoren-Kollege vom MPI-CBG, Kai Simons: Dresden verspiele viele Chancen, wenn die Behörden nicht endlich eine Lösung für das Platzproblem finden, warnt der Finne. Schon als er 2012 seine Biotech-Firma „Lipoptype“ aus dem Planck-Institut ausgründete, waren die Flächen in Johannstadt knapp.

Geschäftsführer André Hofmann vom sächsischen Biotechnologie-Branchenverband „Biosaxony“ . Foto: Biosaxony

Geschäftsführer André Hofmann vom sächsischen Biotechnologie-Branchenverband „Biosaxony“ . Foto: Biosaxony

Biosaxony-Chef ist besorgt

Auch André Hofmann ist besorgt: „Dresden ist ein Super-Wissenschafts-Standort“, betont der Geschäftsführer des sächsischen Biotechnologie-Branchenverbandes „Biosaxony“. „Aber der Flächen-Engpass macht es schwierig, hier überhaupt noch etwas in diesem Sektor auszugründen oder anzusiedeln.“ Das schlage sich in der Akquise nieder: „Ich habe den Eindruck, dass sich Dresden – jedenfalls im Vergleich zu den hochprofessionellen Akquisiteuren im Raum Leipzig oder in Thüringen – im Moment gar nicht mehr großartig um neue Biotech-Ansiedlungen bemüht, weil der Platz hier ohnehin nicht da ist.“

Das Bio-Innovationszentrum BioZ am Tatzberg in Dresden-Johannstadt. Foto: Heiko Weckbrodt

Das Bio-Innovationszentrum BioZ am Tatzberg in Dresden-Johannstadt. Foto: Heiko Weckbrodt

Jeder freiwerdende Platz wird aufgesaugt wie von einem Schwamm

Zwar hatten die Dresdner Wirtschaftsförderer für junge und noch wachsende Firmen in den Jahren 2003/04 das städtische Biotechnologiezentrum „BioZ“ am Tatzberg bauen lassen. Doch das ist nun schon seit Jahren voll. Durch den Umzug der Organiktechnologie-Firma „Novaled“ an die Heeresbäckerei wurde zwar jüngst etwas Platz frei. „Aber der wird wegen des hohen Flächen-Bedarfs durch die Firmen aufgesaugt wie Wasser durch einen Schwamm“, räumt Wirtschaftsförderungs-Chef Robert Franke ein. „Da gibt es nichts zu beschönigen: Der Platzmangel bremst die ganze Biotech-Entwicklung in Dresden aus.“

Kein Grundstück für ein „BioZ 2“ gefunden

Ein „BioZ 2“ ist schon seit Jahren geplant. Doch der Plan scheiterte bisher immer wieder, weil die Stadtverwaltung kein geeignetes Grundstück auftreiben konnte. Denn richtig attraktiv ist für Biotech-Firmen nur das Areal zwischen Händelallee, Pfotenhauer Straße, Blasewitzer Straße und Arnoldstraße. Denn dort finden forschungslastige Unternehmen auch Partner für Praxisprojekte, insbesondere im Uniklinikum. Zudem sind in dem Areal viele einschlägige Forschungs- und Ausbildungsstätten konzentriert: die medizinische Fakultät der TU, das MPI-CBG, das Zentrum für Systembiologie, das B-Cube, das Centrum für regenerative Therapien Dresden (CRTD) und viele andere.

Fast alles zugebaut

Doch ringsum ist schon fast alles zugebaut. Und für die wenigen noch freien Grundstücken haben Investoren oft schon andere Pläne. So wollten die Wirtschaftsförderer beispielsweise zunächst das zweite Bio-Technologiezentrum gleich neben dem ersten bauen, an der Ecke von Tatzberg und Neubertstraße. Das Grundstück gehörte ursprünglich sogar einer Stadttochter. Doch dann errichtete der Freistaat dort einen neuen Forschungskomplex. Es sei regelrecht „ein Kardinalfehler“ der Stadt gewesen, dieses Areal aus der Hand zu geben, findet André Hofmann von Biosaxony. Auch der Plan, ein BioZ 2 auf dem ehemalige Plattenwerkgelände an der Arnoldstraße zu bauen, ist über das Ideenstadium kaum hinausgekommen. Etwas Platz für Start-ups könnte womöglich das geplante „Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Digitale Gesundheit“ auf dem Uniklink-Campus bieten, hoffen die Vertreter von „Biosaxony“ – doch wieviel das sein wird, ist noch unklar.

Langes Lauern auf eine Gelegenheit

„Hinzu kommt, dass in einer wachsenden Stadt wie Dresden neben den Interessen von Forschung und -Wirtschaft viele andere gibt, die Flächenbedarf anmelden: Wir brauchen eben auch neue Kitas, Schulen, Wohnungen und so weiter“, betont Wirtschaftsförderer Robert Franke. „Wir haben zwar zwei, drei Ideen, wo wir ein BioZ 2 bauen könnten – entweder selber oder durch einen privaten Investor.“ Ein konkretes Grundstück habe er dafür allerdings nicht sichern können, räumt Franke auf Nachfrage ein: Im Moment könne er kaum mehr tun, als auf der Lauer zu liegen und auf eine gute Gelegenheit zu warten.

Dewpoint bekommt Anfang 2020 neue Räume

Immerhin, zumindest für „Dewpoint“ ist fürs Erste eine Lösung gefunden: „Das Unternehmen bekommt Anfang 2020 im BioZ für seine Erweiterung 300 Quadratmeter“, verspricht Franke – und weiß dabei: Eigentlich brauchen die Biotechnologen schon bald mehr Platz.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Dewpoint/MPICBG, Bayer, Lipotype, Wirtschaftsförderung Dresden, Biosaxony, Interviews und Vor-Ort-Recherche

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt