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Tanzende Protonen tunneln zum Rendezvous

Das erste Plasma in Wendelstein 7-X. Es bestand aus Helium, dauerte eine Zehntel Sekunde und erreichte eine Temperatur von rund einer Million Grad Celsius (Eingefärbtes Schwarz-Weiß-Foto). Abb.: IPP

Im Stellarator-Versuchsreaktor „Wendelstein 7-X“ in Greifswald wurde zwar bereits eine Kernfusion gezündet. Der erste Versuch dauerte aber nur eine Zehntel Sekunde und erreichte eine Temperatur von rund einer Million Grad Celsius (Eingefärbtes Schwarz-Weiß-Foto). Abb.: IPP

Rossendorfer Forscher wollen mit Superlasern Fusionskraftwerke anlassen

Dresden/Hamburg, 5. Dezember 2019. Deutschland hat die Kernspaltung abgeschrieben: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sie als zu unberechenbar und „schmutzig“ eingestuft. Daher hoffen nun viele Ingenieure und Physiker, endlich die Kernfusion nach dem Vorbild der Sonne in den Griff zu bekommen: Diese fast unerschöpfliche Energiequelle würde stabiler als Windräder und Solaranlagen Strom liefern und kaum strahlenden Abfall hinterlassen. An der Konstruktion praxistauglicher Fusionsreaktoren beißen sich Wissenschaftler allerdings weltweit schon seit Jahrzehnten die Zähne aus. Rossendorfer Forscher wollen nun aber mit Superlasern die Kernfusion auf Trab bringen.

Gleich und Gleich gesellt sich gar nicht gern

Das Problem dahinter: Damit zwei Wasserstoff-Atomkerne verschmelzen und ordentlich Energie liefern, müssen sie erst mal zueinander finden. Da aber die Protonen in beiden Kernen positiv geladen sind, stoßen sie sich ab. Das ist wie in den Magnetexperimenten im Physikunterricht: Je näher man gleichgepolte Magnete aufeinanderpresst, umso stärker wehren sie sich dagegen. Und das ist mit den Protonen eben nicht anders. Allerdings kann man den Winzlingen „Feuer unterm Hintern“ machen: Je höher die Temperatur, umso wilder tanzen sie hin und her. Und bei diesem immer rasanteren Verlobungstanz steigt die Wahrscheinlichkeit, dass je zwei von ihnen die gegenseitigen „Aversions-Schutzschilde“ durchstoßen und sich zu einem Helium-Atomkern verheiraten.

Sonne hilft mit Quantentricks nach

Das Seltsame daran ist: Die theoretischen Berechnungen der Physiker haben ergeben, dass die meisten Sterne eigentlich gar nicht heiß genug sind, um den Tanz derart anzuheizen. Und doch wärmt uns die Sonne nun schon seit Milliarden Jahren. Denn sie setzt für ihre Verkupplungs-Show einen zusätzlichen quantenphysikalischen Effekt ein: Manchmal tunneln Protonen durch scheinbar undurchdringliche Wände und Kraftfelder einfach hindurch wie ein heißes Messer durch Butter – und schon ist die Fusion perfekt, selbst wenn die Temperaturen eigentlich nicht ausreichen. So selten solch eine wundersame Tunnelwanderung auch ist: In der Sonne gibt es so viele Wasserstoffkerne, dass es ausreicht, wenn auch nur ein Bruchteil von ihnen tunnelt, um den Fusionsprozess im Gang zu halten und die Sonne leuchten zu lassen.

Beschleunigertunnel des Europäischen Röntgenlasers XFEL. Foto: Desy

Beschleunigertunnel des Europäischen Röntgenlasers XFEL bei Hamburg. Foto: Desy

In der Theorie funktioniert’s schon

Damit die bisher auf Erden konstruierten Fusions-Versuchskraftwerke im französischen Cadarache, in Greifswald und an anderen Orten endlich mehr als nur ein paar Sekundenbruchteile durcharbeiten, haben sich die Forscher vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) diesen Tunneltrick von der Sonne abgeguckt. Am europäischen Elektronen-Röntgen-Laser XFEL bei Hamburg haben sie eine „Hibef“ genannte Station mit eigenen Superlasern aufgebaut. Dort entstehen Energiedichten von 100 Trillionen Watt pro Quadratzentimeter. „Das entspricht in etwa dem Tausendfachen der auf die Erde einstrahlenden Leistung unserer Sonne, gebündelt auf die Fläche einer 1-Eurocent-Münze“, erklären die HZDR-Experten „Damit stoßen wir in Bereiche vor, die eine Unterstützung solcher Tunnelprozesse mit starken Röntgenlasern möglich erscheinen lassen“, betonte Prof. Ralf Schützhold, der Direktor für Theoretische Physik am HZDR.

Blick in den Reaktorraum des Wendelstein 7X. Foto: Heiko Weckbrodt

Blick in den Reaktorraum des Wendelstein 7X. Foto: Heiko Weckbrodt

Superlaser-Nachrüstsatz für Fusionskraftwerke?

Er und seine Kollegen wollen nun versuchen, mit solch starker Laserkraft die Kerne von den Wasserstoff-Varianten „Deuterium“ und „Tritium“ – oft auch „schweres Wasser“ genannt – zu verschmelzen, indem sie deren Abstoßungskräfte mit eigenen elektromagnetischen Feldern überlagern. Ihre theoretischen Berechnungen haben ergeben, dass sich mit dieser Methode die Tunnelrate erhöhen lässt. Was heißt: Wenn das Ganze auch in der Praxis funktioniert, könnte eine Laser-Nachrüstung manch Fusions-Kraftwerk doch noch auf Trab bringen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: HZDR, Oiger-Archiv

Wissenschaftliche Publikation:

F. Queisser, R. Schützhold: Dynamically assisted nuclear fusion, Physical Review C, 2019 (DOI: 10.1103/PhysRevC.100.041601)

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt