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Koreaner gründen Leichtbauzentrum in Dresden

ILK-Miarbeiter mustern eine Hutablage aus Recycling-Verbundstoffen: Trägt das Bauteil später einen schweren Subwoofer? Hält es den Kräften stand, die an Sicherheitsgurten zerren? Foto: Andreas Scheunert für das ILK der TU Dresden

ILK-Miarbeiter mustern eine Hutablage aus Recycling-Verbundstoffen: Trägt das Bauteil später einen schweren Subwoofer? Hält es den Kräften stand, die an Sicherheitsgurten zerren? Foto: Andreas Scheunert für das ILK der TU Dresden

Seit 25 Jahren forscht das ILK für Europas Autoindustrie und Luftfahrt – Asiens Ingenieure wollen da auch mitmachen.

Dresden, 25. Juni 2019. Der Leichtbau-Standort Dresden gewinnt durch zwei neue Zentren international an Gewicht: Einerseits eröffnet am 26. Juni ein „Deutsch-Koreanisches Technologiezentrum“ in den ehemaligen „Universellen Werken“ an der Zwickauer Straße. Die Koreaner wollen dort Dresdner Know-how für ihre Autoindustrie einspannen. Außerdem will das renommierte „Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik“ (ILK) der TU Dresden, das in dieser Woche sein 25. Gründungsjubiläum feiert, gleich nebenan ein Leichtbau-Transferzentrum einrichten. Das hat ILK-Professor Maik Gude angekündigt.

Der erste Abschnitt der Universellen Werke Dresden ist saniert und als Technologiezentrum nutzbar. Foto: Heiko Weckbrodt

Der erste Abschnitt der Universellen Werke Dresden ist saniert und als Technologiezentrum nutzbar. Foto: Heiko Weckbrodt

Innovatoren können im Transferzentrum mit neuester Technik experimentieren

„In der Transferhalle soll ein sehr breit angelegter Maschinenpark zur Verfügung stehen, um innovative Technologien gemeinsam mit Industriepartnern zu erproben und in die Praxis zu überführen“, erklärte Prof. Gude. Die Entwickler können dann dort beispielsweise mit Spritz- und Druckguss-Anlagen, mit Pressen, Robotern, automatischen Transport- und Zuführsystemen, Fertigungsanlagen für technischen Textilien und anderen Maschinen experimentieren. Dies könne nicht nur den internationalen Partnern des ILK helfen, sondern gerade auch die hiesige Wirtschaft ankurbeln, betonte Gude. „Wir wollen, dass Ideen, die hier in der Region geboren wurden, auch hier verwertet werden.“

Prof. Maik Gude zeigt im ILK-Technikum einen Roboter, der den Spezialmaschinen Hutablagen aus wiederverwerteten Faserverbundstoffen reicht. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Maik Gude zeigt im ILK-Technikum einen Roboter, der den Spezialmaschinen Hutablagen aus wiederverwerteten Faserverbundstoffen reicht. Foto: Heiko Weckbrodt

Flugzeugbau sorgte für Leichtbau-Nukleus

Dresden gilt längst international als wichtiger Standort der Leichtbauforschung. Mehr und mehr zahlt sich diese Forschung aber auch in Jobs und Umsätzen aus: Mittlerweile, so schätzt das sächsische Wissenschaftsministerium, hängen am Leichtbau im Freistaat rund 60 000 Jobs. Letztlich fährt Dresden damit auch die Ernte aus zwei wichtigen wissenschafts- und wirtschaftspolitischen Weichenstellungen der vergangenen Dekaden ein: Mit Blick auf das geplante Flugzeugbau-Programm der DDR hatte die damalige Technische Hochschule (heute: TU) Dresden in den 1950ern mehrere Professuren für Leichtbau und Luftfahrt eingerichtet. 1954 gründete sie eine eigene Leichtbau-Fakultät.

Der Vorstand des ILK: die Professoren Maik Gude, Hubert Jäger, Niels Modler und Werner A. Hufenbach (von links nach rechts): Foto: Andreas Scheunert für das ILK der TU Dresden

Der Vorstand des ILK: die Professoren Maik Gude, Hubert Jäger, Niels Modler und Werner A. Hufenbach (von links nach rechts): Foto: Andreas Scheunert für das ILK der TU Dresden

Und 40 Jahre später wechselte der Mechanikprofessor Werner Hufenbach von der TU Clausthal nach Dresden. Seine Bedingung für den Umzug: Er wollte hier ein eigenes Leichtbau-Institut einrichten. Uni und Freistaat gaben grünes Licht und 1994 entstand so das ILK.

In diesem Flugzeug-Rumpfsegment testen die ILK-Ingenieure beispielsweise leichte Bauweisen für Handgepäck-Fächer. Foto: Heiko Weckbrodt

In diesem Flugzeug-Rumpfsegment testen die ILK-Ingenieure beispielsweise leichte Bauweisen für Handgepäck-Fächer. Foto: Heiko Weckbrodt

Tagsüber forschen, abends schwingt der Vorschlaghammer

„Anfangs haben wir hier in Provisorien gearbeitet“, erinnert sich Maik Gude, der damals als junger Technomathematiker mit Hufenbach nach Dresden gekommen war. „Tagsüber haben wir geforscht, abends mit dem Vorschlaghammer Wände eingerissen, Laminat verlegt – und Netzwerke mit Unternehmen aus dem Westen geknüpft.“

Ging zwar nie in Serie, viele seiner Technologien flossen aber in spätere Serienfahrzeuge ein: Das InEco-Elektroauto vom ILK der TU Dresden. Foto (bearbeitet, freigestellt): Heiko Weckbrodt

Ging zwar nie in Serie, viele seiner Technologien flossen aber in spätere Serienfahrzeuge ein: Das InEco-Elektroauto vom ILK der TU Dresden, hier über einer Ladestation, die E-Autos berührungsfrei mit „Saft“ versorgt. Foto (bearbeitet, freigestellt): Heiko Weckbrodt

Illustrer Kundenkreis von Airbus bis VW

Gerade dieser Vernetzungskurs hat sich ausgezahlt: Zu den Auftraggebern und Ko-Finanziers des Instituts gehören heute solch illustre Konzerne wie BMW, VW, Porsche, Daimler, ThyssenKrupp, Airbus, Boeing und Rolls Royce, aber auch kleine und mittlere Unternehmen aus Sachsen, Polen, Korea, China, Singapur und Großbritannien. Für sie entwickeln die Dresdner Ingenieure etwa Karbonbauteile für Triebwerke, Autofelgen, von der Natur inspirierte Cabrio-A-Säulen, Hutablagen aus wiederverwerteten Verbundmaterialien, Elektrofahrräder, „gestrickte“ Autos aus technischen Textilien und dergleichen Innovationen mehr. 16 Firmen-Ausgründungen mit über 1000 Arbeitsplätzen im Raum Dresden hat das ILK hervorgebracht – und in Summe über 750 Leichtbau-Absolventen, die heute in Flugzeugwerfen, Automobilunternehmen und anderen Industriebetrieben arbeiten.

Leichtbau ist Schlüsseltechnologie für Elektroautos

„Für den Wissenschaftsstandort Sachsen ist das ILK von Anfang an eine wichtige Triebkraft gewesen“, meint Prof. Gude. „Und in der Region haben wir immer darauf hingearbeitet, neue Technologien schnell in die Praxis zu überführen, um so den Wirtschaftsstandort zu stärken.“

Bundes-Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Foto: Heiko Weckbrodt

Bundes-Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Foto: Heiko Weckbrodt

Altmaier möchte Deutschland zum „Leitmarkt für Leichtbautechnologien“ machen

Das sieht Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) ähnlich: „Das Kompetenzzentrum um das ILK gehört international zu den absoluten Schwergewichten im Leichtbau“, schätzt er mit Blick auf ein Jubiläums-Symposium ein, das das ILK am Donnerstag und Freitag in der Messe Dresden ausrichtet. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist voll des Lobes: „Wegweisende Impulse“ habe das ILK immer wieder für die Wirtschaft gegeben. Als Schlüsseltechnologie werde Leichtbau immer wichtiger – vor allem für Elektroautos mit ihren schweren Batterien oder auch für sparsamere Flugzeuge. Das ILK helfe dabei, „unser Ziel zu erreichen, Deutschland als Leitmarkt für Leichtbautechnologien zu etablieren.“

Scaba-Finanzchef Marco Zichner zeigt imInstitut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden, wie die Dresdner Batterien aufgebaut sind: Die Ingenieure packen zugekaufte Rundzellen mit 18 Millimetern Durchmesser in eine Kunststoff-Matrix, die fast beliebige Batterieformen möglich macht. Im Hintergrund steht ein elektrischer Multicar, der mit den Scaba-Energiespeichern ausgerüstet ist. Foto: Heiko Weckbrodt

Ingenieur Marco Zichner ist einer der Gründer von Scaba. Hier zeigt er im Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden, wie die Dresdner Batterien aufgebaut sind: Die Ingenieure packen zugekaufte Rundzellen mit 18 Millimetern Durchmesser in eine Kunststoff-Matrix, die fast beliebige Batterieformen möglich macht. Im Hintergrund steht ein elektrischer Multicar, der mit den Scaba-Energiespeichern ausgerüstet ist. Foto: Heiko Weckbrodt

ILK-Ausgründungen und -Ansiedlungen (Auswahl):

  • Korropol-LSK (1958/2012): Manufaktur für Faserverbund-Materialien
  • East4D Dresden (1999): Triebwerkkegel aus Karbon
  • ThyssenKrupp Carbon Components Wilsdruff (2012): Karbonfelgen
  • CarboLife Dresden (2014): leichte Griffreifen für Rollstühle
  • CG Rail Dresden (2015): Leichtbau-Komponenten für Eisenbahnen
  • WP Systems Ruhland (2015): Rotorblatt-Wartungsgondeln für Windkrafträder
  • Scaba Dresden (2016): Batteriebau
  • Herone Dresden (2017): geflochtene thermoplastische Komposit-Profile für Luftfahrt und Sportartikel
  • Lignoa Dresden/Rückersdorf (2018): superstabile Holz-Verbundwerkstoffe

Yves Mattern (links) und Philipp Strobel (mit Holzbuch, rechts) sind die Chefs der Holz-Leichtbaufirmen Lignoa (in Gründung) und Jungholz aus Dresden. Sie wollen mit ihren Holztechnologien Kinderagen, Rollstühle und Autos bauen. Foto: Heiko Weckbrodt

Yves Mattern (links) und Philipp Strobel (mit Holzbuch, rechts) sind die Chefs der Holz-Leichtbaufirmen Lignoa und Jungholz aus Dresden. Sie wollen mit ihren Holztechnologien Kinderagen, Rollstühle und Autos bauen. Foto: Heiko Weckbrodt

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt