News, Wirtschaft, zAufi

Ära der PC-Fabriken endet nun auch in Dresden

"Coool Case"-Chef Christian Michel feiert mit "seinem" Bauherrn Aurelis Real Estate und den Bauarbeitern das Richtfest für seine künftige Elektronikgehäuse-Fabrik am Seidnitzer Weg in Reick. Foto. Heiko Weckbrodt

„Coool Case“-Chef Christian Michel feiert mit „seinem“ Bauherrn Aurelis Real Estate und den Bauarbeitern das Richtfest für seine künftige Elektronikgehäuse-Fabrik am Seidnitzer Weg in Reick. Foto. Heiko Weckbrodt

Die neue „Coool Case“-Fabrik in Dresden-Reick ist rohbaufertig – und mit dem Umzug stampft der Chef die letzte, bis auf Robotron zurückreichende PC-Linie ein

Dresden, 6, Juni 2019. Christian Michel wird zum Jahresende 2019 einen ganzen Dresdner Industriezweig beerdigen, wenn er mit seinem Unternehmen „Coool Case“ von Kaditz nach Reick umzieht. „Kurz vorher wollen wir in Kaditz ein letztes PC-Gehäuse fertigen. Dann stellen wir diesen Geschäftszweig komplett ein“, kündigte der Geschäftsführer gestern beim Richtfest für seine neue Fabrik am Seidnitzer Weg an. „Damit geht eine Ära für diese Stadt und vielleicht auch für ganz Deutschland zu Ende.“

Der Tischrechner D4a von N. J. Lehmann aus Dresden war der erste Transistor-Rechner der DDR - hier ein Exemplar in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Tischrechner D4a von N. J. Lehmann aus Dresden war der erste Transistor-Rechner der DDR – hier ein Exemplar in den Technischen Sammlungen Dresden. Er gilt als früher Vorläufer des PC-Konzepts Foto: Heiko Weckbrodt

Traditionsreiche PC-Produktion nach Asien abgewandert

Denn inzwischen gibt es in Europa kaum noch ein Unternehmen, das PCs in größeren Serien herstellt. Die Branche ist komplett nach Asien abgewandert. Das war vor einigen Dekaden noch ganz anders. Gerade in Dresden hatte die Fertigung von „Kleinstcomputern“ lange Traditionen, die über 60 Jahre zurückreichen, wenn man bis zu den ersten D4a-Prototypen von Professor Nikolaus Joachim Lehmann an der Technischen Hochschule zurückdenkt. Im DDR-Computerkombinat gab die PC-Produktion im Raum Dresden über Jahre hinweg Tausenden Menschen Lohn und Brot. Später, nach der Wende, übernahm die Siegerländer Schäfer-Gruppe die Dresdner PC-Fabrik von Robotron in Gruna. 2003 verlagerte Schäfer diese Produktion in einen Neubau nach Kaditz. Dort machte schließlich Christian Michel daraus ein Werk für Elektronik-Sondergehäuse.

Profilierung hin zum Auftrags-Entwickler

Mit Spezialgehäusen für Cloud-Computer und andere Rechenzentren macht sein Unternehmen „Coool Case“ auch weiter gute Geschäfte. Doch die Personalcomputer-Sparte war zuletzt nur noch eine Exoten-Produktion. „PC-Produktion rechnet sich einfach nicht mehr in Deutschland“, ist er sich sicher und will daher die alte Montagelinie gar nicht erst nach Reick mitnehmen. Das Werk in Kaditz zu verlassen war in Michels Augen notwendig geworden, weil sich „Coool Case“ und die benachbarte Solarzellen-Fabrik „Heliatek“ immer mehr in die Quere kamen. Und so will er Ende 2019 mit etwa 80 eigenen Mitarbeitern und bis zu 50 Arbeitern von Vertragspartnern an den Seidnitzer Weg umziehen.

Coool-Case-Fabrik in Dresden. Foto: Coool Case

Die frühere Coool-Case-Fabrik in Dresden-Kaditz. Foto: Coool Case

Am neuen Standort soll sich das Team stärker auf Kleinserien für Elektronik-Gehäuse und Auftrags-Entwicklungen für „eKiosk“, „Cloud & Heat“ und andere Technologie-Firmen konzentrieren. „Auch hier in Dresden gibt es mehr Firmen als man denkt, die unser besonderes Know-how brauchen, um Elektronik in Metallgehäuse zu bringen“, sagt Michel. Insbesondere die elektromagnetische Abschirmung der Technik wie auch deren Kühlung seien ganz besondere Herausforderungen im Gehäusebau, die über das bloße Zusammenschweißen von ein paar Blechen weit hinausgehen.

Mietfabrik statt eigener Bauaktivitäten

Die Fabrik im Gewerbegebiet Reick zieht Michel übrigens nicht selbst hoch: Er lässt sich vom Immobilien-Unternehmen „Aurelis Real Estate“ einen maßgeschneiderten Produktionskomplex errichten, in den er sich dann mit seiner Mannschaft einmietet. „Das ist inzwischen ein sehr beliebtes Modell für den Fabrikbau“, betonte „Aurelis Real Estate“-Chef Ivo Iven. „Die Unternehmen müssen sich dabei nicht so viel Eigenkapital besorgen, um die Investition zu finanzieren. Und sie können bei Bedarf Flächen abgeben oder zumieten, wenn die Geschäfte schlecht laufen oder sie expandieren wollen.“

Aurelis Real Estate investiert 10 Millionen auf altem Bahngelände

Gleich neben der neuen „Coool Case“-Fabrik baut Iven gerade eine große Lagerhalle nach dem selben Modell für einen – noch ungenannten – Getränkedienstleister, der sich hier ansiedeln, aber lieber mieten statt selber investieren will. Beide Hallen umfassen je 6100 Quadratmeter, hinzu kommen 850 Quadratmeter Büroflächen. Die Gesamtinvestition bezifferte Ivo Iven auf rund zehn Millionen Euro. Der ganze Komplex soll im November 2019 bezugsbereit sein – nur ein Jahr nach dem Bauantrag. Das Grundstück hatte die „Aurelis Real Estate“ übrigens bereits vor über zehn Jahren der Bahn abgekauft. Von den alten Bahngebäuden ist nicht viel geblieben: nur eine Werkstatt und ein Bodenmosaik, das Handwerker geborgen haben und später in eine der neuen Hallen einbauen wollen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt