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Globalfoundries Dresden: Auslastung steigt nach Krise wieder

Oliver Aubel ist in der Globalfoundries-Fabrik Dresden für das Automobil-Chipprogramm zuständig. Hier zeigt er einen Wafer mit Chips für die Autoindustrie. Foto: Heiko Weckbrodt

Oliver Aubel ist in der Globalfoundries-Fabrik Dresden für das Automobil-Chipprogramm zuständig. Hier zeigt er einen Wafer mit Chips für die Autoindustrie. Foto: Heiko Weckbrodt

Chipfabrik hat die ersten Kunden aus dem Automobilsektor gewonnen

Dresden, 6. Juni 2019. Nach Personalabbau und Kurzarbeit fängt sich das Dresdner Chipwerk von Globalfoundries (GF) langsam wieder: Das Unternehmen stellt erneut ein und hat nach langem Ringen auch neue Kunden im Automobilsektor gewonnen, für die die Dresdner Fabrik Radar-, Bilderkennungs- und Unterhaltungselektronik-Systeme herstellt. „Derzeit haben wir 50 offene Stellen zu besetzen und die Auslastung steigt“, sagte GF-Sprecher Jens Drews auf Nachfrage. Die genaue Auslastung der über 50.000 Quadratmeter Reinraum umfassenden Großfabrik wollte er allerdings nicht nennen.

Jens Drews. Foto: Silicon Saxony

Jens Drews. Foto: Silicon Saxony

Krise nach Umrüstung und Auftragsverlusten

Hintergrund: GF hatte sich ab 2015 schrittweise aus dem Rennen um immer schneller Prozessoren und kleinere Chipstrukturen verabschiedet. Der Konzern rüstete insbesondere seine Dresdner Fabrik statt dessen auf eine Spezialtechnologie um, mit der besonders energieeffiziente Chips hergestellt werden können. Lange Zeit hatten die Dresdner aber Probleme, Anwender für diese „FD-SOI“ oder auch „FDX“ genannte Chiptechnologie zu finden. Die Fabrik verlor Aufträge von der einstigen Mutter AMD und anderen Kunden. Nachdem ein Großauftrag wegbrach, verordnete GF Mitte 2018 der Belegschaft Kurzarbeit, die bis zum Februar 2019 dauerte. In mehreren Phasen reduzierte das Unternehmen zudem die Belegschaft in Dresden um 300 Köpfe: von 3400 auf nun rund 3100 Mitarbeiter – weitgehend ohne Kündigungen, wie Drews betonte. Nun gehe es aber wieder vorwärts, bald werde das Werk wieder zirka 3200 Beschäftigte haben.

Vereinfachte Ansicht vom Aufbau eines klasissischen Transistors (links) und eines FD-SOI-Transistors. Grafik: hw

Vereinfachte Ansicht vom Aufbau eines klassischen Transistors (links) und eines FD-SOI-Transistors. Grafik: hw

Zum Weiterlesen:

Was ist ein FD-SOI-Transistor?

Einer der ersten Automobilchips von Globalfoundries, auf dem Logikschaltkreise, Speicher und Sensoren in einem System vereint sind. Foto: Heiko Weckbrodt

Einer der ersten Automobilchips von Globalfoundries, auf dem Logikschaltkreise, Speicher und Sensoren in einem System vereint sind. Foto: Heiko Weckbrodt

Die ersten drei Kunden aus dem Autosektor an Land gezogen

Ein Grund für den zarten Aufwärtstrend ist aus Sicht der GF-Manager auch der Einstieg in die Automobilelektronik: „Wir haben die ersten drei Kunden aus diesem Sektor gewonnen, zum Jahresende werden es fünf sein“, teilte Oliver Aubel mit, der in der Dresdner Fabrik für das Automobil-Programm zuständig ist. Die ersten Chips aus dieser neuen Produktlinie würden in deutschen und japanischen Oberklasse-Autos eingebaut. In fünf Jahren, so schätzt Aubel, werde dies für eine echte Massenproduktion im Dresdner Werk sorgen und Abnehmer aus diesem Sektor etwa ein Viertel der Jahresproduktion ausmachen. Daneben will GF Dresden aber auch weiter Spezialchips bauen, die andere Hersteller dann letztlich in Smartphones, Haushaltsgeräten und anderen Technikprodukten installieren.

Werbevideo von Arbe für das isrealische Autoradar

Israelis schwören auf die Glofo-Technologie

Kunden wie Avi Bauer sind jedenfalls überzeugt davon, dass Globalfoundries mit dem – nicht unumstrittenen – Schwenk zur FD-SOI-Technologie aufs richtige Pferd gesetzt und eine Marktlücke besetzt hat. „Für uns ist das genau das Richtige“, sagt er. Bauer ist Forschungs-Vizepräsident des jungen israelischen Unternehmens „Arbe Robotics“, das neuartige Radarsysteme mit 400 Meter Reichweite für die autonomen Autos der nächsten Generation für die deutsche und chinesische Automobilindustrie entwickelt. Bei diesen kleinen Bord-Radarsystemen verabschiede sich die Szene gerade von den leistungsstarken, aber teuren und aufwendigen Silizium-Germanium-Chips. Ein Umstieg auf klassische Mikroelektronik-Architekturen wie „CMOS“ würde die Chips billiger machen – aber auch schwachbrüstiger. „Durch FD-SOI bekommen wir von Globalfoundries die Leistung der Germanium-Lösungen zum Preis eines CMOS-Chips“, betonte er.

Isolator-Schicht erleichtert Kompakt-Stapel aus Prozessoren, Speichern, Sendern und Sensoren

Denn Transistoren sind bei FD-SOI (Full Depleted Silicon on Insulator) sind – anders als bei klassischen CMOS-Schaltern – durch eine Oxidschicht stärker gegen parasitäre Kriechströme abgeschirmt. Dadurch ist es laut Glofo-Ingenieuren auch leichter, zum Beispiel Logikelemente, Speicher, Sensoren und Radar-Sender oder andere Funkmodule kompakt übereinander zu stapeln. Und diese Mischbauweise ist gerade für „System on Chip“-Lösungen (SoC), wie sie nicht nur im Autobau zunehmend gefragt sind, besonders wichtig. Im konkreten Fall bekommt Arbe dadurch Radarchips mit mehr Leistungsausbeute und etwa 400 Meter Reichweite.     GF-Mitarbeiter passieren Reinraum-Brücke. Foto: Globalfoundries Dresden

GF-Mitarbeiter passieren Reinraum-Brücke von Globalfoundries Dresden. Foto: Globalfoundries Dresden

GF braucht langen Atem

Bis sich solche ersten Fertigungsaufträge in langfristige Serienproduktion und Auslastung verwandeln, werden Globalfoundries und dessen arabische Eigentümer von Mubadala Technology noch langen Atem brauchen: Fünf Jahre lang müssen solche Chips Zuverlässigkeits-Tests und Zertifizierungs-Prüfungen bestehen, bevor sie massenhaft in Autos verbaut werden können. Dann allerdings könnte dieses neue Kundensegment die Dresdner Fabrik auf stabilere Füße als bisher stellen: Anders als die schnelllebige PC- und Smartphone-Industrie beispielsweise rechnet die Autoindustrie in Produktzyklen von Dekaden. Sprich: Wo GF einmal einen Fuß in der Tür hat, könnten sich für 10 bis 15 Jahre Folgeaufträge ergeben – solange eben, wie die meisten Marken Ersatzteil-Garantien für ihre Mobile versprechen. Und dies mag den US-amerikanischen Halbleiter-Auftragsfertiger vielleicht auch ein wenig europäischer machen, denn viele Autokonzerne sind stark in Europa verflochten…

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt