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50 Jahre Robotron: Pioniere der Digitalisierung

"Vier von der Jugendbrigade ,Albert Einstein' am Robotron 300" hat Paul Michaelis dieses Ölgemälde im Jahr 1969 genannt. Repro: Heiko Weckbrodt

„Vier von der Jugendbrigade ,Albert Einstein‘ am Robotron 300“ hat Paul Michaelis dieses Ölgemälde im Jahr 1969 genannt. Repro: Heiko Weckbrodt

In Dresden erinnern nun ein Robotron-Museum, eine Sci-Fi-Filmreihe und ein Kolloquium an das DDR-Computerkombinat

Dresden, 1. April 2019. Heute ist oft die Rede davon, dass das Internet die Wirtschaft, ja unsere ganze Gesellschaft gerade in etwas Neues, noch schwer Beschreibbares verwandeln. Doch begonnen hat dieser Prozess bereits vor Dekaden mit den ersten elektronischen Rechnern und Schaltkreisen. Fahrt nahm dieser computergetriebene Wandel in den 1960er und 1970er Jahren auf. In Ostdeutschland war dafür das Jahr 1969 ein wichtiger Wegstein: An der TU Dresden startete der erste Informatik-Studiengang der DDR – einer der ersten in ganz Deutschland übrigens. Und die realsozialistischen Wirtschaftslenker gründeten zum 1. April 1969 in Dresden das Computerkombinat Robotron. Mit einem Festkolloquium sowie einer neugestalteten Rechentechnik-Ausstellung in den Technischen Sammlungen Dresden (TSD), einem neuen Robotron-Museum in Coschütz-Gittersee, einer Filmreihe und weiteren Veranstaltungen feiert Dresden das wichtige Doppel-Jubiläum. Dahinter steht ein Netzwerk von Partnern aus Wissenschaft Kommunikation, Industrie und Kultur in Dresden.

Roland Schwarz, Direktor der Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Roland Schwarz, Direktor der Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Anders als Mikroelektronik und Software schaffte die DDR-Computerindustrie nicht den Sprung durch die Wende

„Wir sind heute Zeugen einer Transformation, die womöglich tiefer reicht als andere Veränderungen in der Menschheitsgeschichte“, sagte TSD-Direktor Roland Schwarz gestern während der Gedenkveranstaltung „Bildung der VEB Kombinat Robotron vor 50 Jahren“, die ehemalige Robotroner unter Leitung des früheren Forschungsdirektors Gerhard Merkel organisiert hatten. Das DDR-Computerkombinat habe zu den Pionieren dieser digitalen Transformation gehört, meint Schwarz. Anders aber als die Mikroelektronik und die Software-Industrie, die zu DDR-Zeiten in Dresden wuchsen, habe es die Computerproduktion, für die Robotron stand, nicht über die Wende hinweg geschafft.

Eine Rechenanlage "Robotron 300" in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Eine Rechenanlage „Robotron 300“ in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

„Da bleibt Bitternis“

Dies sorgt bis heute bei manchem Ex-Robotroner für Frustration. „Weil wir unsere Kofferfernseher auch in den Westen exportiert konnten, hatten wir Devisenmittel für Investitionen“, erzählt beispielsweise Hans-Lutz Garbe. Er war einst Betriebsdirektor von Robotron Radeberg – dieser Betrieb war im Kombinat auf mittlere Rechentechnik, Richtfunktechnik, Kofferfernseher und Antennen spezialisiert. Für teures Westgeld habe er noch kurz vor der Wende die Galvanik, Lackiererei  und in den Maschinenpark modernisieren lassen. „Nach der Wende wurde das alles für einen Appel und ein Ei verscherbelt“, erinnert er sich. „Da bleibt Bitternis.“

Vor der Wende gehörte Hans-Jürgen Popp zum Robotron-Kundendienst und betreute DDR-Betriebe, die diesen Arbeitsplatzrechner A5120 im Einsatz hatten. Heute hilft er in der AG Rechentechnik, die alten Computer in den Technischen Sammlungen Dresden betriebsfähig zu halten. Foto: Heiko Weckbrodt

Vor der Wende gehörte Hans-Jürgen Popp zum Robotron-Kundendienst und betreute DDR-Betriebe, die diesen Arbeitsplatzrechner A5120 im Einsatz hatten. Heute hilft er in der AG Rechentechnik, die alten Computer in den Technischen Sammlungen Dresden betriebsfähig zu halten.
Foto: Heiko Weckbrodt

Viele kleine Erfolgsgeschichten statt einer großen

Auf der anderen Seite stehen all jene Unternehmen, die ehemalige Robotroner nach der Wende gegründet haben. Von diesen Firmen agieren viele bis heute sehr erfolgreich auf dem freien Markt. Dazu gehört die „Robotron Datenbank-Software GmbH“, initiiert vom Datenbank-Spezialisten Rolf Heinemann. In der Software-Entwicklung habe die DDR eben keinen so spürbaren Rückstand zum Westen gehabt wie im Hardware-Sektor, schätzte Heinemann ein. „1990 waren wir mit unserem Kenntnisstand international salonfähig.“ Die folgenden Dekaden gaben ihm recht: Sein Unternehmen hat inzwischen über 560 Mitarbeiter und zu den Kunden gehören Energiekonzerne, Polizei und Museen.

Lochband-Schreiber von Robotron für all jene, die noch kein Disketten-Laufwerk zugeteilt bekommen hatten. Foto: Heiko Weckbrodt

Lochband-Schreiber von Robotron für all jene, die noch kein Disketten-Laufwerk zugeteilt bekommen hatten. Foto: Heiko Weckbrodt

Neues Robotron-Museum im Dresdner Süden

All dies habe er unter anderem seinem alten Arbeitgeber Robotron zu verdanken, schätzt Heinemann selbst ein – und würdigt das Kombinat nun auf eine besondere Weise: Pünktlich zum 50. Gründungsjubiläum des DDR-Computerriesens hat die Familie Heinemann gestern gemeinsam mit dem sächsischen Kultusminister Christian Piwarz (CDU) ein Robotron-Museum auf dem Unternehmens-Campus in Coschütz-Gittersee offiziell eröffnet. Gezeigt wird dort neben Robotron-PCs und -Heimcomputern vor allem die Datenbank-Entwicklung im Kombinat. Geöffnet ist dieses Museum allerdings nur zu Sonderveranstaltungen.

Das Original: ein VAX 11-780 von DEC in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Das Original: ein VAX 11-780 von DEC in den Technischen Sammlungen Dresden… Foto: Heiko Weckbrodt

Vax & Robotron K1840: 32 Bit im Original und im Nachbau

Die mit Abstand größe Kollektion ostdeutscher Computer-Hardware hüten indes die TSD. Das Technikmuseum in Striesen hat zum Jubiläum unter anderem seine Rechentechnik-Ausstellung mit Blick auf die Robotron-Historie neu gestaltet. Beispielsweise sind dort nun in trauter Zweisamkeit der einst von der Stasi im Westen geheim besorgte Mini-Supercomputer VAX 11-780 des US-Unternehmens DEC gezeigt – und gleich daneben die von Robotron als „K1840“ nachgebaute Variante dieses 32-Bit-Rechners. Auch haben die Kuratoren sämtliche 1300 Rechentechnik-Exponate aus den TSD-Depots fotografiert, samt einigen Informationen in eine Datenbank eingespeist und nun zum Robotron-Jubiläum ins Internet gestellt.

... und der Nachbau: der legendäre 32-Bit-Rechner K 1814 von robotron in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

… und der Nachbau: der legendäre 32-Bit-Rechner K 1840 von Robotron in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Jubiläumsprogramm „Future Zwei“ würdigt auch 50 Jahre Informatikausbildung

Die Expositionen sind Teil des Jubiläumsprogramms „Future Zwei“, das neben der Robotron-Gründung auch 50 Jahre Informatikausbildung in Dresden würdigt. Dazu gehört eine Filmreihe „Hauptrolle Computer“ mit besonderen Science-Fiction-Streifen, die mit dem DDR-Science-Fiction „Der schweigende Stern“ am 4. und 6. April, 20 Uhr, im TSD-Museumskino beginnt. Im Sommer schließlich steht die Lehre im Fokus: Vom 18. Bis zum 20. Juni  richtet die TU Dresden die Festtage „50 Jahre Informatik“ aus.

Autor: Heiko Weckbrodt

Video: Lochstreifenschreiber von Robotron in Aktion

Aus dem Jubiläums-Programm

Robotron-Museum

  • Ort: Robotron Datenbank-Software GmbH, Stuttgarter Straße 29, Dresden
  • Nächste Öffnungstermine: 6. April und 17. Juni 2019
  • Mehr Infos: robotron.de/museum/

Ausstellung „Robotron – Computertechnik und Industriekultur“

  • Ort: Technische Sammlungen Dresden, Junghansstraße 1
  • Öffnungszeiten: Di.-Fr., 9-17 Uhr, Sa. /So./Feiertag, 10-18 Uhr
  • Eintritt: fünf Euro
  • Mehr Infos: tsd.de
Werbevideo (Defa-Stiftung)
für "Der schweigende Stern":

Filmreihe „Hauptrolle: Computer“

  • 5./6. April: Der schweigende Stern, Defa-Science-Fiction, DDR /Polen 1964
  • 6./27. April: Lemmy Caution  gegen Alpha 60, Frankreich 1965,
  • 10./11. Mai Zwei schräge Vögel, DDR 1988/89
  • 17. Mai: Computer im Animationsfilm, Kurzfilme der DDR und der BRD, 1969 bis 2016
  • 24./25. Mai: Das Netz, D 2004
  • Ort: TSD-Museumskino, Junghansstraße 1
  • Start jeweils 20 Uhr
  • Eintritt: sechs Euro
  • Mehr Infos hier im Netz

Robotron-Infos und Bilder im Netz:

  • Bilderdatenbank Hardware: tinyurl.com/y48ahyy8
  • TSD-Förderverein über die Kombinats-Geschichte: robotron.foerderverein-tsd.de/

Weitere Veranstaltungen im Überblick: futurfutur.de

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt