News, Wirtschaft, zAufi

Sachsens Mittelstand wächst gegen den Bundestrend

Andreas Aumüller (l.) von Creditreform Dresden und Creditreform-Chefökonom Michael Bretz am 4. Oktober in den Räumen von Creditrefoirm Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Andreas Aumüller (l.) von Creditreform Dresden und Creditreform-Chefökonom Michael Bretz. Foto: Heiko Weckbrodt

Creditreform-Umfrage: Bundesweit schwächt sich Konjunktur ab, Mittelstand in Freistaat rechnet dagegen mit Wachstum

Dresden, 4. Oktober 2018. Der kleinen und mittleren Betriebe in Sachsen machen derzeit bessere Geschäfte als der Mittelstand in anderen Gegenden Deutschlands. Das geht aus der aktuellen Konjunktur-Herbstumfrage hervor, die der Wirtschafts-Dienstleisters „Creditreform“ heute in Dresden vorgestellt hat. Demnach hat sich das Konjunkturklima nach eigener Einschätzung der deutschen Mittelständler bundesweit eingetrübt, die Sachsen dagegen berichten über steigende Umsätze, mehr Aufträge und die Aussicht auf noch bessere Geschäfte.

Wirtschaftlich ist Sachsen mehr dem Süden als dem Osten verhaftet

„Sachsen erreicht oft bessere wirtschaftliche Werte als andere Länder“, betonte Creditreform-Chefökonom Michael Bretz. Wer sich vom klassischen Ost-West-Schema löse, erkenne, dass der Freistaat mehr mit dem wirtschaftlich starken Süden als mit dem strukturschwachen Nordosten verbunden sei.

Handelsstreit, türkische Krisenwolken und Brexit-Risiken trüben Stimmung

Die zentrale Wirtschaftsforschungsabteilung des Creditreform-Verbundes hatten für ihre Mittelstands-Analyse bundesweit insgesamt 1121 kleine und mittelständische Unternehmen mit jeweils maximal 500 Beschäftigten befragt. Aus deren Einschätzungen über die aktuelle Geschäftslage, Umsatzentwicklung, Auftragseingänge und andere Geschäftsparameter berechneten sie einen Geschäftsklima-Index. Dieser Index fiel deutschlandweit vom Herbst 2017 bis zum Herbst 2018 von 30,9 auf 27,6 Punkte. Dafür verantwortlich machte Bretz unter anderem den Handelsstreit der USA mit der EU, China und dem Rest der Welt, die drohende Wirtschaftskrise in der Türkei und das wachsende Risiko eines harten Brexits. „Aber ich sehe keinen Grund zur Panik“, betonte der Creditreform-Chefökonom. Noch immer bewege sich das Geschäftsklima nahe an den Höchstwerten der vergangenen zehn Jahre.

Jeder vieret Mittelständler will neue Leute einstellen

Derweil gewinnt in Sachsen die Konjunktur gegen den Bundestrend sogar an Fahrt: Der Geschäftsklimaindex stieg hier auf 34,8 Punkte und lag damit 7,2 Punkte über dem Bundesschnitt. 51,2 Prozent der rund 100 befragten sächsischen Mittelständler meldeten Umsatzsteigerungen (Deutschlandschnitt: 42,4 Prozent), 47,6 Prozent berichteten über mehr Aufträge (Deutschland: 37 Prozent), zudem rechneten 40,2 Prozent mit weiteren Umsatzsteigerungen (Deutschland: 37,7 Prozent) in den nächsten sechs Monaten. Ein Viertel der Befragten wollen neue Jobs schaffen.

Aumüller: Sachsen hat in Hightech statt überlebte Industrien investiert

Diese sächsische Sonderentwicklung mag auch am hohen Anteil von Baufirmen an allen Unternehmen spielen: Im Freistaat liegt diese Baufirmen-Quote bei 16 Prozent, bundesweit nur bei elf Prozent. Insofern profitiert die sächsische Wirtschaft überproportional von den vielen Investitionen der Behörden und der Privatwirtschaft. Neben diesen statistischen Effekten sieht der Dresdner Creditreform-Chef Andreas Aumüller auch wirtschaftspolitische Gründe: „Die sächsischen Wirtschaftsförderer haben beizeiten in Mikroelektronik, Nanotech und andere Zukunftstechnologien investiert statt in überlebte alte Industrien“, schätzte Aumüller ein. Das unterscheide den Freistaat von anderen Ländern, die sich zu lange an nicht mehr wettbewerbsfähige Branchen geklammert hätten.

„Irgendwann geht auch dieser Sommer zu Ende“

Zugleich warnte Aumüller die Sachsen davor, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen: „Irgendwann geht auch dieser Sommer zu Ende“, betonte er mit Blick auf die nun schon seit fast zehn Jahren anhaltende Konjunktur in Deutschland und im Freistaat. Einerseits würden mehr und mehr Unternehmen die steigende Auftragsflut auf Pump vorfinanzieren, weil Kredite in der Niedrigzins-Zeit billig zu haben sind. Da könne eine Zinswende den Firmen mit niedriger Eigenkapitalquote rasch einen Todesstoß versetzen.

Digitalisierung nicht verschlafen

Zudem sollten die hiesigen Mittelständler den nahenden Wirtschaftswandel nicht unterschätzen, sagte Thomas Schulz, der bei Creditreform Dresden die Wirtschaftsauskunft koordiniert: Der schrittweise Umstieg der Autoindustrie auf Elektroautos werde die Wertschöpfungsketten auch in Sachsen verändern. Dies gelte noch stärker für die Digitalisierung, die so gut wie alle Branchen erfasse, bis zum kleinsten Handwerker. „Geschäftsmodelle werden sich bald rasant ändern.“ Dieser Wandel werde viele Firmen vor existenzelle Probleme stellen, wenn sie nicht bald in eigene Digitalisierungsstrategien investieren. „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“, orakelte Schulz.

Hoher Investitionsbedarf

Und dies ist keineswegs ein Randproblem im Freistaat: In einer Creditreform-Spezialumfrage haben zwei Drittel der befragten sächsischen Mittelständler ihren Investitionsbedarf für den Digitalwandel als „hoch“ oder „mittel“ eingestuft. Womöglich sei das aber sogar noch eine untertriebene Einschätzung, mutmaßt Ausmüller. Denn Digitalisierung wolle wohl vorbereitet sein. Womöglich sei das noch nicht jedem Mittelständler ganz klar, so der Dresdner Creditreform-Chef: „Das kostet Geld und Zeit.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt