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„This War of Mine“: Krieg aus Sicht der zivilen Opfer

Was bleibt übrig, wenn die Soldaten alles zerstört haben? This War of Mine. Abb.: BSF

Was bleibt übrig, wenn die Soldaten alles zerstört haben? This War of Mine. Abb.: BSF

In der schockierenden PC-Simulation geht’s ums nackte Leben

Stellt ein Videospiel Krieg in den Mittelpunkt, ist das Muster meist klar: Wummen sammeln, Abzug durchdrücken und soviel Feinde wie möglich umnieten. Nicht so „This War of Mine“: Diese ungewöhnliche und auf eine ganz andere Art harte Simulation zeigt Krieg aus der Perspektive der Opfer, der Zivilisten, die in all dem Getöse der Militärs nur eines wollen: Überleben!

Video: Ein Bürgerkriegs-Überlebender spricht über das Spiel (11-Bit-Studios):

Hunger, Tod, Vergewaltigung

Inspiriert wurden die polnischen „11 Bit Studios“ dabei vom Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien. Im Kern ist ihr Spiel zwar eine Wirtschafts- beziehungsweise Überlebenssimulation, wie es sie so ähnlich (Beispiel: „Don’t Starve!“) auch schon früher gegeben hat. Aber so schonungslos wie hier wurde dem Egoshooter-geschulten Computerspieler wohl noch nie vor Augen geführt, was Krieg jenseits der Tunnelsicht durchs Waffenvisier vor allem für die Menschen bedeutet: Hunger, Kälte und die alltägliche Angst, vergewaltigt oder getötet zu werden.

Wenn wir nicht bald Bett, herd und Ofen basteln, sterben unsere Ãœberlebenden. Abb.: BSF

Wenn wir nicht bald Bett, herd und Ofen basteln, sterben unsere Ãœberlebenden. Abb.: BSF

Mit bloßen Händen durch Schuttberge

Um das Konzept kurz zu erläutern: Wir starten mit drei bis vier zusammengewürfelten Zivilisten in einem zerschossenen Haus. Zunächst mit bloßen Händen müssen sich die Männer und Frauen durch Geröllberge graben, um an ein paar Kartoffeln und ein paar Bücher zum Verfeuern zu kommen, um nicht sofort zu erfrieren oder zu verhungern. Sie zimmern eine Werkbank zusammen, basteln notdürftige Brecheisen und Schaufeln zusammen, fangen Ratten und sammeln Regenwasser.

Verbrennen wir das letzte Buch?

Hätten wir nur unsere Antibiotika weggegeben: Katja ist gestorben. Abb.: BSF

Hätten wir nur unsere Antibiotika weggegeben: Katja ist gestorben. Abb.: BSF

Da ist Mikromanagement gefragt: Wer darf wann ins zusammengeschusterte Bett, um nicht vor Müdigkeit umzufallen? Welcher Kranke bekommt die einzige Konservendose im Vorratsschrank? Wie lange kann ein Mensch im Status „hungrig“ gehalten werden, bevor er verhungert? Bauen wir lieber einen Stuhl oder ein Messer? Stecken wir das letzte Buch in den Ofen oder lassen es Pawel, der so gerne liest? Was hilft: Ab und zu kommt ein Händler vorbei, um Plündergut zu tauschen. Aber was tun, wenn ein Vater an die Tür klopft und um unsere einzigen Verbände für seinen verletzten Sohn bettelt – während unsere Katja unten im Bett verblutet?

Entwickler treiben uns moralisch in die Enge

Um das besondere Dilemma zu verdeutlichen, das dieses von so vielen anderen Spielen unterscheidet: In den meisten Egoshootern – sieht man von Ausnahmen wie „Bioshock“ ab – muss der Spieler bei Handlungs-Gabelungen kaum lange nachdenken, was zu tun ist: Das, was klassischerweise als moralisch „richtig“ gilt, führt meist zum Erfolg. In „This War of Mine“ dagegen müssen wir nachts immer einen aussenden, der in fremden Häusern plündert, sonst sind nach spätestens eine Woche deine eigenen Leute tot. Da nehmen wir schließlich sogar einem Rentner-Ehepaar das letzte Essen weg, obwohl wie genau wissen, dass die beiden bei unserem nächsten „Besuch“ verhungert sein werden.

Unserer Plünderer beobachtet, wie ein Soldat eine Frau zu vergewaltigen versucht. Wir lassen ihn eingreifen - und er stirbt. Abb.: BSF

Unserer Plünderer beobachtet, wie ein Soldat eine Frau zu vergewaltigen versucht. Wir lassen ihn eingreifen – und er stirbt. Abb.: BSF

Mein bester Plünderer ist gestorben, als ich einmal den „Fehler“ gemacht habe, in einem nächtlichen Supermarkt eine junge Frau davor zu schützen, von einem Soldaten vergewaltigt zu werden. Das Perfide daran ist: Man kann den Entwicklern noch nicht einmal vorwerfen, den Spieler zu moralisch verwerflichen Entscheidungen zu drängen, sondern wahrscheinlich zu realistischen.

Fazit: düster und fesselnd

Obwohl in den spielerischen Grundprinzipien an für sich gar nicht so neu, ist „This War of Mine“ doch eine ganz außergewöhnliche Simulation, die mit ihrer düsteren Atmosphäre, ihren moralischen Dilemmata und ihrer schonungslosen Perspektive auf das Leid der Zivilbevölkerung in einem Krieg fesselt. Das einzig Beknackte an diesem Spiel ist offensichtlich Absicht: Man kann vor einer schwierigen Entscheidung nicht speichern, um einen fatalen Fehler später ganz videospielmäßig zu korrigieren. Extraleben gibt’s eben im wirklichen Krieg auch nicht. Autor: Heiko Weckbrodt

„This War of Mine“ (11-Bit-Studios/Deep Silver), Überlebens-Simulation, USK 16, ca. 19 Euro (via Steam)

 

Zum Weiterlesen:

Überlebens-Simulation „Don’t Starve“: Nachts kommen die Monster

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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