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Wortliga: Bürokraten-Deutsch bremst Wachstum

Bürokratendeutsch hat schon viele zur Verzweiflung getrieben. Grafik: hw

Bürokratendeutsch hat schon viele zur Verzweiflung getrieben. Grafik: hw

40 % der Internettexte deutscher Städte sind schwer verständlich

München, 27. Januar 2024. Über 40 Prozent der Texte auf den Internet-Seiten von deutschen Mittel- und Großstädten sind kaum zu verstehen. Das hat das Textanalyse-Unternehmen „Wortliga“ aus München in einer Untersuchung ermittelt. „Das führt nicht nur zu vermeidbaren Rückfragen und Missverständnissen, sondern auch zu hohen Kosten“, betont Wortliga-Chef Gidon Wagner.

86 % der Deutschen verstehen Amtsdeutsch nur schwer

Laut „Wortliga“ haben 86 Prozent der Deutschen Schwierigkeiten, Texte von Ämtern und Behörden zu verstehen. Und dies betreffe alle Bildungsschichten. Eben dieses schwer verständliche Bürokratendeutsch bremse aber das Wirtschaftswachstum und führe letztlich auch zu höheren Personalkosten in den Behörden selbst, schätzt Wagner ein. „Das Verstehen und Befolgen komplizierter Vorschriften und Anträge kostet Zeit und Ressourcen, die Unternehmen stattdessen für das Wachstum einsetzen könnten.“

US-Behörde formulierte Brief klarer – plötzlich antworteten 65 statt 43 % der Veteranen

Zudem hätten Studien in den USA gezeigt, dass eine einfachere Rechtssprache den Behörden Zeit und Geld sparen könne, berichtet der Wortliga-Geschäftsführer. Er verweist auf die US-Verwaltung für Veteranenleistungen (VBA): Diese schrieb regelmäßig Veteranen mit der Bitte an, eine bestimmte Liste zu aktualisieren. Auf den über Jahre hinweg im Bürokraten-Deutsch verfassten Standardbrief antworteten normalerweise nur 43 Prozent der ehemaligen Soldaten. Dann formulierte das Amt den Brieg in einer klareren Sprache. Danach stieg die Antwortrate auf 65 Prozent. Zudem sparte die Behörde 4,4 Millionen US-Dollar an Personalkosten. Denn nun musste die Verwaltung weniger Zeit aufwenden, um Begünstigte zu finden und zu kontaktieren, wenn keine gültige Liste vorlag.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz steht in Deutschland vor der Tür

Auch in Deutschland sollten die Behörden eine klarere Sprache verwenden, fordert Wagner: kürzere Sätze, persönliche Ansprache und Verben statt Substantive beispielsweise. Er verweist zudem auf ein neues Gesetz, das 2025 in Kraft tritt und verständliche Sprache zur Pflicht macht. Die neue Reglung trägt schon in der Kurzform die Bezeichnung „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“. Das sind 32 aneinandergereihte Buchstaben ohne jeden Bindestrich. Die lange Bezeichnung lautet übrigens „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheits­anforderungen für Produkte und Dienstleistungen (BFSG)“.

Die Wortliga hat Internettexte von 20 deutschen Städten analysiert, wie verständlich sie sind. Grafik: Wortliga

Die Wortliga hat Internettexte von 20 deutschen Städten analysiert, wie verständlich sie sind. Grafik: Wortliga

Nürnberg schneidet am besten ab, Ingolstadt publiziert besonders unverständliche Texte

In der erwähnten Vergleichsanalyse deutscher Städte schneidet übrigens Nürnberg mit seinen vergleichsweise gut verständlichen Behördentexten im Netz noch am besten ab, gefolgt von Hamburg und Köln. Städte wie Berlin und Dresden platzieren sich im Mittelfeld. Die rote Laterne bekommt Ingolstadt in der Wortliga-Liste.

Autor: hw

Quellen: Wortliga, US-Regierung/plainlanguage.gov, Bundessozialministerium, Berlitz, sprachnudel.de

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt