Geringverdiener müssen aber Wohngeld & Co. beantragen, damit die Rechnung aufgeht
München/Dresden, 20. Januar 2024. Auch nach der deutlichen Erhöhung des sogenannten „Bürgergeldes“ lohnt es sich auch für Geringverdiener weiter zu arbeiten, weil er oder sie letztlich mehr Geld bekommt – durch die Kombination aus Lohn und Sozialleistungen. Das haben Münchner Ifo-Wirtschaftsforscher mit Mikrosimulationsmodellen errechnet.
Forscher: Oft gehörte Politiker-Behauptung ist falsch
„Die von manchen Politikern aufgestellte Behauptung, wer nur Sozialleistungen beziehe, bekomme netto mehr als ein Geringverdiener, ist schlicht falsch“, schätzt Andreas Peichl ein, der das Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen leitet.
1000 € brutto in Dresden können 891 € bedeuten – oder 357 € ohne Stütze
Als Beispiel führen die Forscher einen Alleinstehenden in einer Stadt mit mittlerem Mietniveau wie Dresden an. Bei 1000 Euro brutto durch einen Job bekomme der nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben und unter Hinzufügung der Sozialleistungen 891 Euro heraus. Wer nur Sozialleistungen bekommt, hat 563 Euro Bürgergeld. In beiden Fällen sind die Mietausgaben herausgerechnet, die beim Bürgergeld-Bezieher die Kommune zahlen muss, beim Alleinstehenden durch Wohngeld gedeckt werden sollte. „Nur wenn ein Alleinstehender mit 1000 Euro Brutto-Einkommen keinerlei Sozialleistungen beantragt, die er erhalten kann, dann landet er bei 357 Euro netto“, erklärt Manuel Pannier vom „Center for Economic Studies“ (CES) in München.
Modell setzt Sozialtransfers für Arbeitende voraus
Bei Rechnungen mit höheren Mieten und Löhnen kommen die Forscher ebenfalls auf einen jeweils spürbaren verfügbaren Einkommenszuwachs, wenn ein Bürger arbeitet. Wobei das aber eben immer unter der Annahme errechnet ist, dass der Geringverdiener zusätzlich ergänzendes Bürgergeld beziehungsweise Wohngeld, Kindergeld und andere Sozialleistungen in Anspruch nimmt. Anders ausgedrückt: Arbeit lohnt sich in solchen Fällen nur durch staatlich beziehungsweise kommunal organisierte und finanzierte Sozialtransfers für die Arbeiter.
Lohnabstand kann allerdings stark schrumpfen – Reform empfohlen
Dennoch betonen die Ökonomen, dass der Lohnabstand gewahrt bleibt, verweisen allerdings noch auf weitere Befunde der Simulation: „Grundsätzlich ergibt sich bei höheren Mietkosten für alle Haushaltstypen ein geringerer Lohnabstand“, haben sie errechnet. Und: „ Insbesondere für Alleinstehende ohne Kinder ist eine Beschäftigung im Niedriglohnbereich wenig attraktiv.“ Daher plädieren sie für eine Umstellung der Sozialleistungen für Arme. „Eine Reform des bestehenden Systems halten wir aufgrund der teilweise äußerst geringen Anreize zur Ausweitung bestehender Erwerbstätigkeit oder Erhöhung des Bruttoeinkommens für niedrige und mittlere Einkommen trotz des existierenden Lohnabstands für notwendig“, schreiben sie und verweisen auf bereits vorgelegte Reformvorschläge unter anderem vom „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“. „Dieser Systemwechsel wäre ein wichtiger Schritt, der zu einer Entlastung der Verwaltung und einer Reduktion der Komplexität führen könnte“, betonen die Autoren. „Darüber hinaus wäre eine Reform des Gesamtsystems aus Grundsicherung, Sozialversicherung und direkter Besteuerung überlegenswert.“
Autor: Oiger-News
Quelle: Ifo
Wissenschaftlicher Aufsatz:
„Lohnt sich Arbeit noch? Lohnabstand und Arbeitsanreize im Jahr 2024“, von Maximilian Blömer, Lilly Fischer, Manuel Pannier und Andreas Peichl, in: ifo Schnelldienst 01/2024, Fundstelle im Netz: https://www.ifo.de/
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