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Großzügige Sozialleistungen steigern Arbeitslosigkeit in Deutschland

Han Ye. Foto: Epos

Han Ye. Foto: Epos

Unis Mannheim und Bonn analysieren Sozialversicherungs-Daten

Mannheim, 15. Dezember 2023. Wechselwirkungen zwischen großzügigen Arbeitslosen- und Rentenleistungen können zu höherer Arbeitslosigkeit führen. Das gilt besonders bei älteren Arbeitnehmern, die kurz vor dem Ruhestand stehen. Das hat das „Economic Research Center“ (Epos) der Universitäten Bonn und Mannheim eingeschätzt.

Brücke in die Rente

„Das Rentensystem im Zusammenspiel mit der Arbeitslosenversicherung beeinflusst ältere Arbeitnehmer vor Eintritt in den Ruhestand“, erklärt Professorin Han Ye vom Epos. „Dadurch wird es mehr oder weniger attraktiv, sich bis zum Renteneintritt arbeitslos zu melden, um so eine ‚Brücke in den Ruhestand‘ zu bauen.“

Die Untersuchung ergibt, dass der starke Anstieg beim Bezug von Arbeitslosenunterstützung genau dann erfolgt, wenn nach Ablauf der Leistungen die Beantragung der Rente möglich ist. Sprich: Manche Senioren neigen dazu, den Ãœbergang in die Rente durch eine genau abgezirkelte Arbeitslosigkeit zu organisieren. „Die Verlängerung der Bezugsdauer für die Arbeitslosenversicherung hatte anschließend zur Folge, dass zusätzlich Arbeitnehmer in einer jüngeren Altersgruppe die Bezüge in Anspruch nahmen, die dann nach Auslaufen der Leistungen in Rente gingen“, heißt es von den Epos-Forschern.

Die Analyse der Ökonomen ergibt, dass eine großzügige Rentenpolitik die Auswirkungen einer ansonsten identischen Verlängerung der Bezugsdauer für die Arbeitslosenversicherung beeinflussen kann. Zum Beispiel erhöht eine Verlängerung der potenziellen Leistungsdauer um 12 Monate die Arbeitslosenquote älterer Arbeitnehmer um weniger als 1 Prozentpunkt unter den 2014 eingeführten und heute noch weitgehend gültigen Rentenregelungen. Bei Wiedereinführung großzügigerer Ruhestandsregelungen hätte dieselbe 12-monatige Verlängerung die Arbeitslosigkeit jedoch um mehr als das Dreifache auf fast 3 Prozentpunkte ansteigen lassen.

„Arbeitsmarktwunder“ nach 2005 neu zu bewerten

„Änderungen innerhalb der Arbeitslosenversicherung und des Rentensystems spielen eine bislang unterschätzte Rolle beim deutschen ‚Arbeitsmarktwunder‘ nach 2005, als die deutsche Arbeitslosenquote von rund 12 auf 5 Prozent fiel“, sagt Han Ye. „Mit Blick auf künftige Reformen sollte die Politik die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen sozialen Sicherungssystemen berücksichtigen.“

Quelle: Epos

Wissenschaftliche Publikation:

„When Institutions Interact: How the Effects of Unemployment Insurance are Shaped by Retirement Policies“ von Matthew Gudgeon, Pablo Guzman-Pinto, Johannes F. Schmieder, Simon Trenkle und Han Ye, in: Discussion Paper Series – CRC TR 224, 12/23, Fundstelle im Netz: https://www.crctr224.de/research/discussion-papers/archive/dp481

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt