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Volkswirt: CO2-Preisexplosion verteuert Strom am meisten

Das Kunstwerk "Feldzeichen" im Findlingspark Nochten interpretiert das Thema "Findlinge und Eiszeit". Foto: Peter Weckbrodt

Foto: Peter Weckbrodt

Gaspreis-Schock nach russischer Invasion ist längst in den Hintergrund getreten

Dresden, 3. November 2023. Haupttreiber für die hohen deutschen Strompreise ist längst nicht mehr der Gaspreis-Schock im Gefolge des Ukraine-Krieges, sondern „immer mehr der CO2 Preis“. Darauf hat Prof. Alfons Weichenrieder von der Uni Frankfurt am Main in einem Gastbeitrag für „Ifo Dresden berichtet“ hingewiesen. Insofern handelt es sich hier vor allem eine umweltpolitisch gewollte Verteuerung. Ob der Staat mit dem sogenannten „Brückenstrompreis“ dagegen ansubventionieren sollte, sei eher fraglich.

Wirtschaftsminister will Industrien durch Stromsubventionen in Deutschland halten

Hintergrund: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte im Mai 2023 vorgeschlagen, ausgewählten, besonders energiehungrigen Betrieben den Strompreis auf sechs Cent pro Kilowattstunde herunter zu subventionieren, damit nicht zu viele Industrien in Deutschland sterben beziehungsweise abwandern. Fließen sollen demnach diese Subventionen bis etwa Ende des Jahrzehnts – danach werde genug billiger Ökostrom verfügbar sein, hofft Habeck.

Klimafonds soll eigentlich Wandel finanzieren, nicht die Verstetigung

Geld dafür hat der Minister aber bisher nicht auftreiben können. Ursprünglich wollte er die Subventionen auf Pump bezahlen. Inzwischen will er den Klima- und Transformationsfonds (KTF) anzapfen. Weichenrieder sieht darin eine besonders deutliche Zweckentfremdung: „Der KTF soll insbesondere Investitionen in die Dekarbonisierung finanzieren“, schreibt er in seiner Analyse „Das Gezerre um den Industriestrompreis“ im Ifo-Dresden-Heft. „Ausgaben für Strompreissubventionen stünden dazu in Konkurrenz. Auch Kompensationen an Verbraucherinnen (Klimageld) würden aus dem KTF schwieriger.“

Forscher warnt: CO2-Ausgleich gibt’s schon, Habeck-Plan würde Empfängerkreis drastisch ausweiten

Auch ökonomische Argumente sprechen gegen nach Ansicht des Volkswirtes gegen nationale Industriestrompreis-Subventionen: Soweit die politisch festgesetzten CO2-Emissionspreise für Energiekosten-Steigerungen verantwortlich sind, hat die EU nämlich bereits mit der „Strompreiskompensation“ einen Ausgleich für besonders stromintensive Industrien genehmigt. Diese Kompensation bekommen aber „nur wenige, sehr energieintensive Betriebe, die in stark dem internationalen Wettbewerb ausgesetzten Sektoren tätig sind. Dies führte dazu, dass im Jahr 2022 insgesamt eine überschaubare Zahl von 341 deutschen Unternehmen kompensiert wurden. “, so Weichenrieder. Führe Habeck seinen Industriestrompreis ein, dann steige der Empfängerkreis aber auf etwa 9000 Unternehmen. Und durch solche deutschen Alleingänge drohe ein neuer Subventionswettlauf in Europa, den sich nicht alle Länder leisten können beziehungsweise wollen. Nicht zuletzt würden derartige Strompreis-Subventionen die eigentlich gewünschte Transformation der Wirtschaft hin zu weniger Ressourcenverbrauch behindern.

„Kosten aus CO2-Zertifikatehandel seit 2020 explodiert“

Die Energiepreise in Deutschland gehören schon seit Jahren zu den international höchsten – durch Angaben, Steuern und hohe Auflagen an die Stromerzeuger. Die jüngeren Strompreis-Teuerungen in der Bundesrepublik waren zunächst durch die Erdgaspreise ausgelöst worden, die gestiegen waren, nachdem der Gasnachschub aus Russland versiegte. Inzwischen ist es aber vor allem der letztlich politisch verknappte Handel mit CO2-Emissionszertifikaten, der die deutschen Strompreise angetrieben hat. „Die Kosten der Stromproduzenten aus dem CO2 -Zertifikatehandel sind seit 2020 explodiert“, betont Alfons Weichenrieder. „Lag der europäische CO2 -Preis, den Stromproduzenten zahlen müssen, wenn sie eine Tonne CO2 emittieren, lange Jahre unter 20 Euro, wurden zuletzt in der Spitze 100 Euro aufgerufen.“

Konkret heißt das: „Bei einem Gaskraftwerk mit einem CO2 -Ausstoß von 500 Gramm pro KWh entstehen allein 4,5 Cent/kWh an CO2 -Kosten. Für den realistischen Fall, dass ein solches Kraftwerk das marginale, preisbildende Kraftwerk ist, wird in dieser Größenordnung der Börsenstrompreis erhöht“, erklärt der Volkswirt. „Ist das marginale, preisrelevante Kraftwerk ein Kohlekraftwerk, sind die Effekte sogar noch größer, weil Kohlekraftwerke pro KWh noch mehr CO2 emittieren als Gaskraftwerke.“ Das bedeute: „Der Erdgaspreisschock ist nicht mehr das Hauptproblem.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Wissenschaftliche Publikation:

„Das Gezerre um den Industriestrompreis“ von Alfons Weichenrieder, in: „ifo Dresden berichtet“ Nr. 5/2023, Fundstelle im Netz hier

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt