News, Wirtschaft, zAufi

Frisieren ohne Plastemüll

Frisörin Angela Mießner kümmert sich im Salon Beke um die Haare einer Kundin, die derweil Zeitschriften auf dem Tablet lesen kann. Foto: Heiko Weckbrodt

Frisörin Angela Mießner kümmert sich im Salon Beke um die Haare einer Kundin, die derweil Zeitschriften auf dem Tablet lesen kann. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Salon von Juliette Beke in Dresden positioniert sich als Blaupause für eine neue Naturfrisier-Kette

Dresden, 16. August 2023. Meisterin Juliette Beke hat nach der Corona-Krise einen müll- und plastearmen Frisörsalon im Dresdner Nobelviertel „Weißer Hirsch“ etabliert. Der soll nun als Vorbild für einen ganze Kette aus Naturfrisören in Deutschland, Österreich und der Schweiz – dem sogenannten „DACH“-Raum – dienen: Spätestens 2024 möchte Beke damit anfangen, zwei Interessenten aus Osnabrück und Zürich hat sie schon an der Angel. Dabei will sie vor allem Naturnähe und das Kreislaufprinzip in den Fokus ihrer Lizenznehmerinnen und -nehmer rücken: Haare werden bei ihr mit eigens dafür gemischten natürlichen Farbstoffen statt Chemikalien gefärbt – und selbst die Haare landen am Ende nicht im Müll- sondern im Wurmeimer für den Hauskompost.

Haarwäsche mit Natron statt Shampoo

In ihrem lichtdurchfluteten Salon im ehemaligen Lahmann-Sanatorium hat Beke alles verbannt, was nach dem riecht, was der Genosse Ulbricht einst als ein Quelle von Brot, Wohlstand und Schönheit verherrlichte: Shampoos mit Flüssigplaste darin sucht man hier vergebens, statt dessen waschen die Friseusen ihren Kundinnen mit Natron und Seife die Haare. Die Färbemittel im Salon Beke sind aus Kurkuma, Roten Beeten und anderen Naturstoffen gemacht. Auch die Rohstoffe für ihre Kosmetik-Lounge lässt sie sich kunststofffrei in Großverpackungen liefern. Selbst bei der Siebträgermaschine für den Espresso zwischendurch hat die Chefin auf plastefreie Konstruktionen geachtet.

Kurkuma (Curcuma) und andere Naturmaterialien dienen unter anderem als Färbemittel. Foto: Heiko Weckbrodt

Kurkuma und andere Naturmaterialien dienen unter anderem als Färbemittel. Foto: Heiko Weckbrodt

Kalligraphie-Schnitte und andere jüngere Frisiermethoden

Doch es ist wohl nicht allein diese Kunststoff-Freiheit, die Kundinnen weit über Dresden hinaus in den Salon an der Bautzner Landstraße zieht. Das Beke-Team gilt ebenso als kompetent bei Kalligraphie-Schnitten und anderen besonderen handwerklichen Tricks, um das Haar in die gewünschte Form zu bekommen. Und dieses Gesamtkonzept funktioniert zwei Jahre nach der Unternehmens-Gründung bereits so gut, dass Beke wie erwähnt eine ganze Kette von Frisörsalons auf Lizenzbasis – neudeutsch „Franchise“ genannt – im gesamten deutschsprachigen Raum aufziehen will.

Meisterin Juliette Beke in der ehemaligen Empfangshalle des Lahmann-Sanatoriums, die sie zum Frisiersalon umgewandelt hat. Foto: Heiko Weckbrodt

Meisterin Juliette Beke in der ehemaligen Empfangshalle des Lahmann-Sanatoriums, die sie zum Frisiersalon umgewandelt hat. Foto: Heiko Weckbrodt

Vom Disney-Land auf den Weißen Hirsch

Der Erfolg dahinter hat seine Wurzeln in der facettenreichen Biografie der Meisterin: 1980 in Dresden geboren, absolvierte Juliette Beke zunächst eine Frisörlehre, arbeitete zeitweise im Disney-Land Paris, fing in München ein Studium zur Wirtschaftsingenieurin ab, schwenkte 2008 um auf eine Frisörmeisterschule bei Nürnberg. Dort wurde sie erst zur Meisterin, dann selbst zur Dozentin. In dieser Zeit, so sagt sie selbst, habe sie enorm viel über ihr Handwerk und dessen jüngste Trends erfahren. „Durch meine Dozententätigkeit musste ich ja alles lernen.“ Und die Kurse, die sie seither gibt, haben erheblich zu ihrem Renommee beigetragen.

Im Netz auf die Lahmann-Glashalle gestoßen

Nach zwölf Jahren als Kursleiterin und Lehrerin kam der Punkt, an dem wieder eine Veränderung fällig war: „Ich bin nach Dresden gegangen, habe mich 2020 selbstständig gemacht – und dann kam Corona.“ Das warf sie noch mal ein Stück zurück. Im März 2021 war es dann aber endlich soweit: Beke eröffnete ihren eigenen Salon in der ehemaligen Empfangs-Glashalle des Lahmann-Sanatorium, an einem zurückhaltend-chic innendesignten Ort mit einer ganz eigenen Lichtmagie, auf den sie über eine Internet-Kleinanzeige gestoßen war. Auf 240 Quadratmetern bieten sie und ihre vier Kolleginnen seither neben Haarschnitten auch Kopfhaut-Analysen, Fußmassagen, Kosmetikbehandlungen und Kurse an. Besonders beliebt sind die „Calligraphy“-Schnitte, so benannt nach dem messerartigen Stift, mit dem eine geschulte Friseuse wie mit einem Schönschrift-Tuschepinsel die Haare so schneidet, dass die Strähnen immer wieder in die erwünschte Richtung fallen.

„Lebe schon seit 2015 müllfrei“

Vor allem aber ist Beke ihre Spezialisierung als Naturfrisörin wichtig: „Ich lebe zu Hause schon seit 2015 müllfrei“, erzählt die Meisterin. Dieses Konzept zieht sie seit der Gründung auch in ihrem Unternehmen durch. Zu unwägbar erscheinen ihr die Gefahren vor allem durch Mikro- und Nanoplasteteilchen im Körper, ganz abgesehen von den Umweltbelastungen, die weltweit durch Kunststoff-Abfallhalden entstehen.

Chemische Mittelchen verpönt

Indes beschränken sich ihr Null-Abfall-Kurs und die Naturorientierung nicht allein auf Plaste. Auch anderen Müll, den ein klassischer Frisörsalon normalerweise erzeugen würde, vermeidet sie oder schickt ihn zurück in den Stoffkreislauf. Statt chemischer Peelings schält in ihrem Salon Natron die Haut. Anstelle industrieller Cremes fettet Traubenkernöl das Gesicht. Die Liefersäcke für die Naturrohstoffe nutzt das Team noch ein zweites Mal, zum Beispiel zum Müllsammeln.

Würmer knabbern Haarabfälle weg

Selbst die geschnittenen Haare kommen nicht in einfach in den Abfalleimer: Beke wirft sie den Würmern in einer Kompostkiste zum Fraß vor. „Für die Haare brauchen die Würmer zwar länger als bei anderen Bioabfällen“, berichtet Beke aus Erfahrung. „Aber am Ende haben wir Humuserde, die wir für unsere Pflanzen verwenden. Wenn irgendwie möglich, versuchen wir alles in einen Kreislauf zu geben.“

Tablet statt Papierzeitschrift

Und keine Müllvermeidung ohne Digitalisierung: „Buchhaltung, Lohnzettel, Terminvergabe – bei uns ist alles digital“, erzählt die Frisörmeisterin. Auch die Zeitschriften, die in normalen Salons in Papierform für gelangweilte Kundinnen ausliegen, gibt’s bei Beke eben elektronisch auf dem Tablettcomputer.

„Frisörsalon der Zukunft“

All dies ist im ersten Anlauf zunächst aufwendiger, erfordert mehr Überlegung für jeden Arbeitsschritt und ist in einigen Punkten teurer als im klassischen Frisörhandwerk: Die Naturfärbemittel beispielsweise kosten unterm Strich etwa doppelt viel wie die industriell-chemischen Haarfarben. Doch Beke ist überzeugt, dass ihr Natur- und Nullabfall-Konzept beispielgebend sein wird: „Das ist der Frisörsalon der Zukunft“, orakelt sie – und muss wohl wenigstens ein klein wenig recht damit haben, wenn man die Resonanz aus der Kundschaft und Branche zum Maßstab nimmt. Manche Kundinnen kommen sogar aus Chemnitz, Leipzig oder Potsdam, um sich bei Beke möglichst gesund frisieren zu lassen. Auch die Handwerkskammer Dresden hält die Meisterin vom Weißen Hirsch für eine Vorreiterin: Sie betreibe immerhin „den ersten müll- und plastikfreien Frisörsalon mit Kosmetik in Deutschland.“ Weiter betont die Kammer: „Alle Rohstoffe, die verwendet werden, sind bio-zertifiziert, nachhaltig, ohne Mikroplastik oder sonstige Silikone oder Flüssigplastik.“

Kurzporträt

  • Firma: „Juliette Beke gesunde Haare-zero Waste“
  • Geschäftsmodell: Naturfrisörsalon
  • Gründung: 2020
  • Belegschaft: 5 (inkl. Chefin)
  • Umsatz: 214.000 Euro (2022)
  • Ort: im ehem. Lahmann-Sanatorium Dresden an der Bautzner Landstraße 5
  • Mehr Infos im Netz: juliettebeke-gesundehaare.de

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Auskünfte Beke, Vor-Ort-Besuch

Hinweis: Dieser Artikel ist ursprünglich in einer ähnlichen Fassung in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt