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Europäisches Zentrum für Chip-Messtechnik in Dresden eröffnet

Elektronenstrahl-Metrologiegeräte von Applied Materials im Reinraum des Fraunhofer-IPMS in Dresden. Foto: IPMS

Elektronenstrahl-Metrologiegeräte von Applied Materials im Reinraum des Fraunhofer-IPMS in Dresden. Foto: IPMS

Fraunhofer und Applied Materials schnüren wichtigen Knoten für Halbleiter-Metrologie im „Silicon Saxony“

Dresden, 17. Juli 2023. Um die Forschung und Entwicklung neuer Mikroelektronik in Europa voranzubringen, haben das Fraunhofer-Photonikinstitut IPMS und der Chipwerk-Ausrüster „Applied Materials“ (AM) in Dresden ein „Europäisches Technologiezentrum für Halbleiter-Messtechnik“ eröffnet. Es handele sich dabei um „eines der größten Technologiezentren für Halbleitermetrologie und Prozessanalyse in Europa“, schätzen die IPMS-Forscher ein.

Beschleuniger für Chipentwicklung

„Unser gemeinsamer Metrologie-Hub wird die Lernzyklen und die Entwicklung neuer Anwendungen für das Fraunhofer Institut, Applied Materials und unsere Kunden und Partner in Europa beschleunigen“, schätzte AM-Vizepräsident James Robson ein. „Dieses einzigartige Kompetenzzentrum wird in der Lage sein, Prozesse auf einer Vielzahl von Substratmaterialien und Waferdicken zu testen und zu qualifizieren, die für Anwendungen in der vielfältigen europäischen Halbleiterlandschaft entscheidend sind.“ Auch Dr. Benjamin Uhlig-Lilienthal vom IPMS-Zentrum für Nanoelektroniktechnologie (CNT) verspricht sich einen Entwicklungssprung vom neuen Zentrum: Dadurch bekomme Fraunhofer und dessen Kunden einen einfachen Zugang zu modernen Elektronenstrahl-Messsystemen von Applied Materials. Dazu gehört unter anderem ein spezielles Rasterelektronenmikroskop für sehr kleine Chipstrukturen.

Die ehemalige Plastic-Logic-Fabrik wird nun für das Fraunhofer CNT 2.0 und das Zentrum für neuromorphes Computing umgebaut Foto: Heiko Weckbrodt

Die ehemalige Plastic-Logic-Fabrik An der Bartlake in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Ehemalige Digitalpapier-Fabrik mit moderner Messtechnik ausgerüstet

Installiert haben das IPMS und AM diese Chip-Messtechnik in der ehemaligen „Plastic Logic“-Reinraumfabrik für digitales Papier neben der Dresdner Chipfabrik von Bosch. Dort zieht Fraunhofer bereits seit geraumer Zeit immer mehr Forschungsanlagen zu einem „Center for Advanced CMOS & Heterointegration Saxony“ (Cachs) zusammen. IPMS- und AM-Spezialisten betreiben diese Technik und das neue Zentrum dort seit Juli 2023 gemeinsam, wie das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS) auf Oiger-Anfrage erklärte. Genaue Investitionssummen nannte das Institut allerdings nicht.

Internet der Dinge im Fokus

Die Forscher und Ingenieure wollen An der Bartlake nun gemeinsam neue Messgeräte und -methoden erproben, dafür Computerprogramme entwickeln sowie gemeinsame Entwicklungsprojekte mit Chipherstellern und anderen Hochtechnologie-Partnern aus ganz Europa voranbringen. Im Fokus stehen dabei unter anderem Schaltkreise, Sensoren und Mikrosysteme für das „Internet der Dinge“ mit einem besonderen Schwerpunkt auf neue Kommunikations- und Automobiltechnik.

Modernste Messtechnik entscheidend für Ausbeute

Hintergrund: Neben den Hightech-Belichtern, -Ätzern und anderen Fertigungsanlagen selbst gilt modernste Messtechnik als entscheidend dafür, Chipfabriken rasch zur Massenserie hochzufahren, eine gute Ausbeute zu erzielen und neue Schaltkreise zu entwickeln. „Die Messtechnik ist bei der Herstellung von Mikrochips von entscheidender Bedeutung, da sie präzise Messungen ermöglicht, die erforderlich sind, um die Qualität der einzelnen Schritte und Abläufe bei der Halbleiterherstellung exakt zu überwachen und zu kontrollieren“, betonen die IPMS-Ingenieure. „Die Chiphersteller setzen Messgeräte an kritischen Stellen ein, um die physikalischen und elektrischen Eigenschaften zu validieren und die angestrebte Ausbeute zu gewährleisten.“

Auch kleinere Chipfirmen ohne eigene Spitzenlabore könnten vom neuen Zentrum profitieren

In Dresden betreiben große Chiphersteller zwar eigene Messtechnik-Labore, um ihre Produktion zu überwachen und zu verbessern. Durch das nun eingerichtete Chipmesstechnik-Zentrum am IPMS dürften wohl nun aber wohl auch mehr externe und kleinere Halbleiterunternehmen, die mit Fraunhofer gemeinsam forschen, Zugriff auf modernste metrologische Verfahren bekommen. Zudem arbeiten Globalfoundries und weitere Branchengrößen in Dresden seit Jahren eng mit dem IPMS zusammen. Das Photonikinstitut, das CNT, das Assid und weitere Halbleiterforschungs-Einrichtungen von Fraunhofer Dresden punkten dabei mit ihrer besonderen Anlagentechnik, die auf 300 Millimeter große Siliziumscheiben (Wafer) und die führenden Produktionsstandards der großformatigen Chipproduktion ausgerichtet ist. Dadurch können sie zum Beispiel für Forschungsprojekte ihre Wafer unmittelbar mit Chipfabriken für weitere Verarbeitungsschritte und Tests austauschen. Von daher dürfte das neue Zentrum die Wertschöpfungs- und Forschungsketten im „Silicon Saxony“ in wichtigen Punkten komplettieren.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IPMS, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt