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Strom und Wasser für Afrika mit Wasserstoff-Mikronetzen aus Sachsen

Im Hytra-Projekt erzeugen Elektrolyseure in Kapstadt aus Ökostromspitzen Wasserstoff - den Brennstoffzellen dann bei hoher Nachfrage wieder rückverstromen. Modell-Visualisierung: Fraunhofer-IWU

Im Hytra-Projekt erzeugen Elektrolyseure in Kapstadt aus Ökostromspitzen Wasserstoff – den Brennstoffzellen dann bei hoher Nachfrage wieder rückverstromen. Modell-Visualisierung: Fraunhofer-IWU

Fraunhofer Chemnitz kombiniert mit lokalen Partnern Elektrolyseure, Rückverstromer und Abwasser-Reiniger

Chemnitz/Kapstadt/Walvis Bay, 16. Juli 2023. Was Deutschland seit Jahren diskutiert, aber kaum realisiert wird, baut Fraunhofer Sachsen nun im Süden von Afrika: Im südafrikanischen Kapstadt und im namibischen Walvis Bay installieren Ingenieure vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) aus Chemnitz gemeinsam mit örtlichen Partnern lokale Mikro-Energienetze, die mit Elektrolyseuren Ökoenergie in Wasserstoff speichern und schließlich mit Brennstoffzellen rückverstromen. Das geht aus einer IWU-Mitteilung hervor.

Partner wollen „Akzeptanz und Wertschöpfung vor Ort“ schaffen

„Anders als bei den Megawatt- und Gigawatt-Projekten großer Investoren ist dieses Vorhaben auf eine Nutzung von Wasserstoff in Afrika ausgelegt“, betonen die Chemnitzer. „Dadurch soll vor Ort Akzeptanz geschaffen und Wertschöpfung durch diese neuartige Technologie ermöglicht werden.“

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Sauerstoff aus Elektrolyseuren soll künftig Abwasser in Namibia soweit aufbereiten, dass es in Regenwasserqualität verwendbar wird, um Schulgärten zu gießen. Das technologische Konzept dafür hat das Fraunhofer-IWU aus Chemnitz entworfen. Foto: Heiko Weckbrodt

Gesäubertes Abwasser als Nebenprodukt

So wollen die Kommunen, Unternehmen und Institute in Afrika die gewonnene Energie einsetzen, um die lokale Stromversorgung zu stabilisieren und Ökostrom-Spitzen zu verwerten. Anderseits möchten ganz konkret die Namibier den Sauerstoff, der in Elektrolyseuren als „Abfallprodukt“ entsteht, gleich noch nutzen, um ihre Abwässer bis zur Regenwasser-Güte zu reinigen. Dafür kombinieren das Fraunhofer-IWU, die „Namibia University of Science and Technology“ (NUST) und die südafrikanische „Stellenbosch University“ im Projekt „Hygoo“ Elektrolyseure und Rückverstromer mit einer Abwasser-Aufbereitung. Ab Mitte 2024 soll die Anlage in einer abgelegenen Region in Nanibeheb im Erongo-Distrikt eine Schule mit Strom versorgen. Außerdem reinigt sie mit dem Sauerstoff, der bei der Wasserspaltung neben dem Wasserstoff als Zusatzprodukt entsteht, die örtlichen Abwässer soweit, dass die 300 Kinder ihren Schulgarten damit gießen können.

Kapstädter „Hytra“ stabilisiert Energienachschub für Automobil-Unternehmen

Im Projekt „Hydrogen Tryout Areal“ („Hytra“) in Kapstadt wiederum soll die sächsische Anlagentechnik eine stabile Stromversorgung für die Firma „Alu-Cab“ sichern. „Der Hersteller von Aluminium-Fahrzeugaufbauten für den Offroad-Bereich verfügt über Photovoltaik-Anlagen und wird die überschüssige Energie nutzen, um lokal Wasserstoff herzustellen und zu speichern“, heißt es in einer IWU-Mitteilung. „Dieser kommt für die Rückverstromung zum Einsatz, wenn keine Elektrizität aus dem öffentlichen Netz zur Verfügung steht.“ Zudem werde die Anlage genutzt, um südafrikanische Nachwuchs-Techniker zu schulen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die Projektpartner – das Fraunhofer-IWU, die Texulting GmbH aus Chemnitz, Alu-Cab, die Universität Stellenbosch, und die westdeutsche Umstro GmbH – haben die Kombination aus Elektrolyseur und Rückverstromer am 13. Juli 2023 in Betrieb genommen und damit laut eigenen Angaben den ersten lokal generierten Wasserstoff auf afrikanischen Boden erzeugt.

Modell einer vom IKTS Dresden konzipierten tragbaren Hochtemperatur-Brennstoffzelle. Abb.: IKTS

Modell einer vom IKTS Dresden konzipierten tragbaren Hochtemperatur-Brennstoffzelle. Abb.: Fraunhofer IKTS

Das Mikrogrid ist für eine Leistung von 8 Kilowatt ausgelegt. Die nahezu abgasfreien Brennstoffzellen in diesem Grid sollen im Übrigen nicht nur die Stromversorgung stabilisieren, sondern auch eine umweltfreundliche Alternative zu den vielerorts eingesetzten Diesel-Notstromaggregaten demonstrieren. Da Brennstoffzellen aber weit teurer als solche „Diesel“ sind und zudem eine Wasserstoff-Infrastruktur brauchen, dürfte es ein langer Weg sein, um damit über Insel- und Pilotlösungen hinauszukommen.

Blick in die Maschinenhalle des Pumpspeicherwerks Niederwartha. Seit dem Hochwasser 2002 sind nur noch 2 der 6 Aggregate verwendbar. Erhebliche Investitionen wären notwendig. Foto: Heiko Weckbrodt

Das Archivfoto zeigt die frühere Maschinenhalle des Pumpspeicherwerks Niederwartha. Erhebliche Investitionen wären notwendig gewesen, um die Anlagen mit Schnellläufer-Generatoren auszurüsten, die schnell auf Schwankungen auf dem Strommarkt reagieren können. Foto: Heiko Weckbrodt

Pumpspeicherwerke nicht mehr en vogue

Auch in Deutschland gab es mit Blick auf die Energiewende in den vergangenen Jahren immer wieder Vorschläge, Ökostromspitzen in Form von Wasserstoff zwischenzuspeichern. Die Idee dabei: Weil Solar- und Windanlagen Strom ohnehin viel unsteter als Atom- oder Kohlekraftwerke liefern, braucht Deutschland neben Groß-Akkus auch noch viel größere Strompuffer. Davon aber gibt es in der Bundesrepublik nicht mal ansatzweise genug. Zwar gibt es mit den Pumpspeicherwerken dafür eine bewährte technische Lösung. Diese Anlagen sind jedoch durch die hohe Abgabenlast, erheblichen Nach-Investitionsbedarf für Schnellläufer-Generatoren und den Widerstand örtlicher Bürgerinitiativen „aus der Mode“ gekommen. Erprobt werden auch große wasser- oder steinbasierte Wärmespeicher und andere Konzepte, von denen sich aber keines bisher breit durchsetzen konnte.

Luftaufnahme vom Kraftwerk Reick - hier mit den alten und neuen Wärmespeicher-Behältern. Foto: Oliver Killig für die Drewag

Luftaufnahme vom Kraftwerk Reick mit Wärmespeicher-Behältern. Foto: Oliver Killig für die Drewag

Groß-Elektrolyseure könnten Ökoenergie-Spitzen gigawattweise in Wasserstoff puffern

Und eine technologisch besonders anspruchsvolle Alternative wären eben Groß-Elektrolyseure, die mit überschüssigen Solar- oder Windstromspitzen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen. Den Wasser- und Sauerstoff könnten dann entweder Chemiebetriebe, Abwasseranlagen, Stahlwerke oder Wasserstoff-Tankstellen abnehmen. Oder man koppelt eben wie nun in Südafrika die Elektrolyseure mit Brennstoffzellen, die den Energiegehalt im Wasserstoff wieder zu Strom verwandeln, wenn Industrie und Haushalte ringsum großen Bedarf an elektrischer Energie haben. Prinzipiell lassen sich Elektrolyseure sogar umschaltbar bauen, so dass sie sowohl Wasser zerlegen wie auch Wasserstoff rückverstromen können. Diese Konzept haben die meisten Ingenieure jedoch aus Effizienzgründen inzwischen verworfen.

Alkali-Elektrolyseure gibt es schon seit Jahrzehnten - sie gelten als bewährte Technik. PEM- und Hochtemperatur-Elektrolyseure erreichen inzwischen aber eine deutlich bessere Ausbeute bei der Spaltung von Wasser. Foto: MPREIS via Sunfire

Alkali-Elektrolyseure gibt es schon seit Jahrzehnten – sie gelten als bewährte Technik. PEM- und Hochtemperatur-Elektrolyseure erreichen inzwischen aber eine deutlich bessere Ausbeute bei der Spaltung von Wasser. Foto: MPREIS via Sunfire

Bis zu zwei Drittel Energieverlust in klassischen Rückverstromungsketten

Effizienz-Argumente sind neben den hohen Investitionskosten für Groß-Elektrolyseure und -Brennstoffzellen auch die Hauptgründe, warum Rückverstromungs-Speicher bisher in Deutschland kaum über den Labor- und Pilotmaßstab hinausgekommen sind. Als Faustregel galt nämlich bisher, dass bei der Elektrolyse mindestens ein Drittel der eingespeisten Ökoenergie verloren geht und bei der Rückverstromung ein weiteres Drittel. Sprich: In der Gesamtkette gehen etwa zwei Drittel der Ursprungsenergie flöten. Ein Ausweg versprechen neuere Hochtemperatur-Elektrolyseure und -Brennstoffzellen, die auf über 80 Prozent Wirkungsgrad kommen. Diese Technologie ist aber noch jung und teuer. Und Großanlagen der Mega- oder gar Gigawatt-Klasse kann die deutsche Industrie in diesem Marktsegment auch noch nicht liefern.

Partnerschaft „auf Augenhöhe“ versprochen

Von daher versuchen Wasserstoff-Experten wie eben beispielsweise die IWU-Ingenieure nun, Rückverstromungsketten erst mal in kleinen, lokalen Mikrogrids zum Laufen zu bringen – und da bietet sich das sonnige Afrika mit seinem Solarenergie-Potenzialen auf der einen und seinen mancherorts instabilen öffentlichen Stromnetzen an. Allerdings betonen die Sachsen, dass ihre Pilotprojekte nicht zu neuen Abhängigkeiten führen sollen, und sprechen von Partnerschaften „auf Augenhöhe“: „Zum Start kommen Systeme und Know-how aus Deutschland zum Einsatz, im Laufe des Projekts werden sich lokale Partner immer stärker einbringen“, unterstreicht das IWU. „Industrie, Wissenschaft und Gesellschaft erhalten zahlreiche Möglichkeiten, dieses Microgrid zu nutzen, um künftige Nutzungs- bzw. Handlungsmöglichkeiten abzuleiten.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Fraunhofer-IWU, Oiger-Archiv, hytra.tech

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt