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Milliarden-Markt mit Festkörper-Akkus erwartet

Eine Fraunhofer-Mitarbeiterin setzt einen Cerenergy-Festkörperakku zusammen. Foto: Fraunhofer IKTS

Eine Fraunhofer-Mitarbeiterin setzt einen Cerenergy-Festkörperakku zusammen. Foto: Fraunhofer IKTS

IDTechEx warnt aber vor überzogenem Optimismus bei den Super-Energiespeichern

Cambridge, 15. Mai 2023. Die kommenden Festkörper-Akkus werden einerseits Elektro-Autos mit mehr Reichweite und besserem Brandschutz ermöglichen, anderseits aber auch neue globale Wertschöpfungsketten etablieren – und womöglich die bisherige Dominanz asiatischer Akku-Hersteller aushöhlen oder gar brechen. Darauf hat das britische Marktforschungs-Unternehmen „IDTechEx“ aus Cambridge hingewiesen. Wenn die neuen Energiespeicher erst einmal praxisreif seien, dann zeichne sich damit ein Marktvolumen von etwa acht Milliarden Dollar ab, prognostiziert Dr. Xiaoxi He in seiner Analyse „Solid-State and Polymer Batteries 2023-2033: Technology, Forecasts, Players“.

IDTechEx rechnet mit einem starken Anstieg de installierten Kapazitäten von Festkörper-Akkus in den nächsten 10 Jahren. Grafik: IDTechEx

IDTechEx rechnet mit einem starken Anstieg de installierten Kapazitäten von Festkörper-Akkus in den nächsten 10 Jahren. Grafik: IDTechEx

Markt von Ostasien dominiert

Hintergrund: Seit Lithium-Ionen-Akkumulatoren 1991 serienreif geworden sind, haben sie wegen ihrer hohen Energiedichte, Lebensdauer und ihres ausbleibenden „Memory-Effekts“ große Teiles des Marktes erobert, den vorher Blei-, Nickel- und andere klassische Energiespeicher eingenommen hatte. Damit begann auch die starke Dominanz der großen Akku-Fabriken in Asien, die sich nun, da die Akku-Nachfrage für Elektroautos regelrecht strategische Ausmaße angenommen hat, den Konzernchefs und Wirtschaftspolitikern in Europa und den USA immer größere Sorgen macht. Zudem sind die Energiedichte-Reserven dieses Akku-Typs wohl langsam auch ausgereizt. Auch bergen die flüssigen Elektrolyten in heutigen Lithium-Akkus auch potenzielle Brandrisiken.

Neue Wertschöpfungsketten und Akteure formen sich entlang der Festkörper-Akkus. Grafik: IDTechEx

Neue Wertschöpfungsketten und Akteure formen sich entlang der Festkörper-Akkus. Grafik: IDTechEx

„Jeder Elektrolyt kann schmelzen“

All dies hat dazu geführt, dass viele Unternehmen weltweit, gerade auch in Europa und den USA, teils auch kräftig gefördert durch staatliche Programme, an alternativen Akku-Technologien und -Fertigungsmethoden arbeiten. Einige zielen auf Schwefel-, andere auf Salz-Batterien, wieder andere eben auf Festkörper-Akkumulatoren, die besonders hohe Energiedichten und Sicherheits-Standards versprechen. Weil ihre Elektrolyten fest sind, ist ihre Brandgefahr weit geringer als bei den Lithium-Ionen-Akkus – aber nicht bei Null, wie Xiaoxi He herausarbeitet: Jeder Elektrolyt könne schmelzen, wenn das System heiß genug sei, betont er. So gehen Lithium-Akkus bei 1000 bis 1200 thermisch „durch“, bei Festkörper-Akkus liegt dieser Kipppunkt bei 1800 Grad. Hinzu kommt, dass in manchen „Festkörper“-Speichern in Wirklichkeit doch auch flüssige Komponenten stecken: „Im Jahr 2022 zog ein Pariser ÖPNV-Betreiber nach zwei verschiedenen Busbränden vorübergehend 149 Elektrobusse zurück“, erzählt Xiaoxi He. „Es wurde angegeben, dass die hier verwendeten Zellen Batterien mit einer LFP-Kathode, einer Li-Metallanode und einem Festkörper-Polymerelektrolyten verwenden. Dabei habe der Lieferant seine Batterien als „völlig solide, ohne flüssige Bestandteile, ohne Nickel und ohne Kobalt“ beschrieben.

Dennoch aber ist unbestritten, das Festkörper-Akkus die Brandgefahren im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus höchstwahrscheinlich deutlich senken werden. Und dieser Sicherheits-Aspekt ist neben der hohen Energiedichte ein weiterer Grund, warum sich so viele Akteure weltweit auf das Thema gestürzt haben.

Europa und USA versuchen, Wertschöpfung zurückzuholen

Als künftige Haupteinsatz-Szenarien gelten Elektro-Autos, E-Laster, Drohnen. Notebooks, Busse, Smartphones, aber auch stationäre Groß-Puffer für Stromnetze. Zudem setzen die fördernden Regierungen auch viel daran, die entsprechenden Produktionslinien in ihren Ländern und nicht in Südkorea, China oder Japan zu etablieren. Größere Förderprogramme haben zum Beispiel die USA und die EU, im Besonderen aber auch skandinavische Akteure und Deutschland aufgelegt.

Prototyp einer gedruckten Festkörper-Akkuzelle. Foto: Blackstone

Prototyp einer gedruckten Festkörper-Akkuzelle. Foto: Blackstone

Auch Forscher und Hersteller aus Deutschland und Sachsen machen mit

So beteiligt sich die Bundesrepublik, die mit ihrer starken Autoindustrie da ein besonderes Eigeninteresse hat, besonders prominent an den sogenannten „Wichtigen Projekten von besonderem gemeinsamen europäischen Interesse im Batterie-Sektor“ (Batterie-Ipcei), bei denen wiederum mit Skeleton und Liofit auch zwei Unternehmen aus Sachsen mitmachen. Letzteres beschäftigen sich aber nicht mit Festkörper-.Akkus, sondern mit Ultra-Kondensatoren und Akku-Recycling. Derweil arbeitet aber „Blackstone“ in Sachsen an 3D-gedruckten Festkörper-Akkus – wobei sich in jüngster Zeit auch Zweifel an den Erfolgsaussichten gerührt haben. Des weiteren forscht Fraunhofer Dresden an Festkörper-Akkus.

Immer mehr Akteure mischen mit

Mittlerweile gebe es „eine enorme Anzahl von Akteuren, die zusammen mit ihren kommerziellen und Produktionsplänen verkünden, dass ihre Technologien die Welt verändern werden“, warnt Studien-Autor Xiaoxi He vor übergroßem Optimismus. „Festkörperbatterien unterscheiden sich von herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien durch die verwendeten Materialien, das Zelldesign, das Systemdesign, den Aufbau der Lieferkette, die Herstellung und das Recycling. Es handelt sich noch nicht um eine ausgereifte Branche, so dass viele unklare Fragen offen bleiben.“ Immer noch müssten die Entwickler viele Herausforderungen meistern, beispielsweise die hohen Betriebstemperaturen der Festkörper-Akkus, die wiederum sehr widerstandsfähige Materialien erfordern, aber auch anhaltende Stabilitätsprobleme und geringe Ausbeute.

„Globales Spiel mit regionalen Interessen“

Vor allem spielen bei den Festkörper-Akkus viele politische Interessenlagen eine Rolle: „Die Entwicklung von Festkörperbatterien ist zu einem Teil der Batteriestrategien der nächsten Generation und zu einem globalen Spiel mit regionalen Interessen und staatlicher Unterstützung geworden“, heißt es in der IDTechEx-Analyse. „Lange Zeit wurde die Herstellung konventioneller Lithium-Ionen-Batterien von Ostasien dominiert, wobei Japan, China und Südkorea eine bedeutende Rolle spielten. Die USA und europäische Länder konkurrieren im Rennen, indem sie die Wertschöpfung aus Ostasien verlagern und die Batteriefertigung nah am Anwendungsmarkt aufbauen. Die Auswahl neuer Materialien/Komponenten und die Änderung der Herstellungsverfahren deuten auf eine Umstrukturierung der Batterielieferkette hin.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IDTechEx, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt