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Scharfes Hyperspektral-Auge für die Chipproduktion

Dr. Philipp Wollmann, Dr. Wulf Grählert, Oliver Throl und Livia Szathmáry (v. l.) sind die Gründer der Dresdner "DIVE imaging systems GmbH". Foto: Amac Garbe für das Fraunhofer-IWS

Dr. Philipp Wollmann, Dr. Wulf Grählert, Oliver Throl und Livia Szathmáry (v. l.) sind die Gründer der Dresdner „DIVE imaging systems GmbH“. Foto: Amac Garbe für das Fraunhofer-IWS

Fraunhofer-Forscher aus Dresden gründen „Dive imaging systems“

Dresden, 23. März 2023. Neue Fraunhofer-Technologien rücken eine präzise und schnelle Flächenanalyse von Hightech-Schichten in der Mikroelektronik, in Batteriefabriken oder auch im Automobilsektor in greifbare Nähe. Möglich macht dies ein am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden entwickeltes Messsystem, das Hyperspektral-Sensorik, Künstliche Intelligenz (KI) und spezielle Beleuchtungstechniken zu einem besonders flexiblen Inspektionssystem integriert. Ein Forscherteam des Dresdner Instituts gründet nun mit der „Dive imaging systems GmbH“ ein Unternehmen aus, das diese vielversprechende Technologie kommerzialisiert. Das geht aus einer IWS-Mitteilung hervor.

Im Fokus von Dive (kurz für „Digital Vision Experts“) steht zunächst vor allem die Halbleiterindustrie. Hier wollen die Gründer Dr. Philipp Wollmann, Dr. Wulf Grählert, Oliver Throl und Livia Szathmáry helfen, stabile Prozesse zu sichern, die Ausbeuten zu erhöhen und Ressourcen zu sparen.

Wichtige Akteure der Mikroelektronik in einem Ballungsraum konzentriert

Die Standortwahl für Dive war keineswegs zufällig: „Dresden ist prädestiniert für unsere Ausgründung“, betont Philipp Wollmann. „Hier sind wichtige Akteure der Mikroelektronik in einem Ballungsraum konzentriert. Um unsere Technologie bestmöglich kundenorientiert weiterzuentwickeln, haben wir in dieser Stadt die kürzesten Wege und können mit dem sukzessiven Ausbau des bereits bestehenden Netzwerks auch weitere Partner identifizieren.“

Die Gründerinnen und Gründer denken dabei nicht nur an Kunden aus der Halbleiterindustrie. Perspektivisch will das Quartett seine innovative Dive-Technologie für die Inspektion und Analyse von Oberflächen und Schichten breit in unterschiedlichen Branchen etablieren. Von den zahlreichen Szenarien sind die schnelle flächige Schichtdickenmessung, das Erkennen und Lokalisieren kleinster Formfehler oder von Verunreinigungen nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten.

Das Licht in 1000 Farben zerteilt

Das Dive-System beleuchtet mit sichtbarem Licht und unsichtbarer Infrarotstrahlung in Frequenzen zwischen 0,4 und 2,5 Mikrometern (Tausendstel Millimeter) jene Siliziumscheiben (Wafer), aus denen weltweit in den Halbleiterfabriken die Mikrochips für Laptops, Handys, Autos etc. hergestellt werden. Eine spezielle sogenannte Hyperspektralkamera erfasst dabei das zurückgeworfene Licht. Während das menschliche Auge zum Beispiel nur drei Primärfarben – rot, grün, blau – registriert, unterscheidet die Hyperspektralkamera bis zu 1000 „Farben“ beziehungsweise Wellenlängen des Lichts. Anschließend werden die hochdimensionalen Rohdaten, die schnell auf mehrere Gigabyte anwachsen können, an eine Künstliche Intelligenz (KI) weitergeleitet. Diese KI kann anhand des „1000-Farben-Bildes“ sowohl mögliche Schadstellen oder Verunreinigungen erkennen als auch die Qualität von Einzelchips oder des gesamten Wafers bewerten. Das Dive-System kann somit beispielsweise erkennen, ob der Beschichtungsschritt auf dem Wafer gelungen ist, wie homogen, dünn, eben oder defektarm die Schicht ist. Dadurch lässt sich sicherstellen, dass nur die einwandfreien Wafer in den sich anschließenden Fertigungsschritten verwendet werden.
Auftaktprojekt mit deutschem Chip-Konzern Infineon

Bereits heute werden die Wafer in den Halbleiterfabriken bei den vielen Fertigungsschritten bis zum finalen Mikrochip hinsichtlich vieler Eigenschaften überwacht. Die Analyse der gesamten Waferfläche ist vergleichsweise langsam und erfolgt daher in vielen Fällen stichprobenartig.

An dieser Stelle setzt Dive an: Gemeinsam mit dem Halbleiterhersteller Infineon entwickelt das Team zunächst ein Hyperspektralsystem für Labore jenseits des Reinraums und im nächsten Schritt ein System, das sich in einem solchen einsetzen lässt. Perspektivisch plant Dive eine inline-Lösung, die sich direkt in die Reinraumanlagen integrieren lässt. Damit wird dann sogar eine Echtzeitanalyse bei vielen Prozessschritten möglich.

Das vierköpfige Team rechnet angesichts des großen Potenzials dieser Technologie mit einem raschen Wachstum. Denn vom Fraunhofer IWS bringen die Gründerinnen und Gründer mehrere Alleinstellungsmerkmale mit: Dazu gehören das komplette Systemkonzept einschließlich der Probenbeleuchtung sowie die anspruchsvolle Software zur Systemsteuerung und für die KI-gestützte Datenauswertung. Dive wird die konzipierten Geräte, Systeme und später ganze Anlagenteile in einer eigenen Produktionslinie selbst fertigen. Außerdem wird das Team Dienstleistungen, technische Hilfe und kundenspezifische Entwicklungen anbieten.

Neuer Blick auf alte Bücher möglich

Nach der Ausgründung wird das Fraunhofer IWS auch weiterhin intensiv die Hyperspektraltechnologie in unterschiedliche Richtungen weiterentwickeln. Auf der Forschungsagenda stehen beispielsweise Konzepte, die zum Beleuchten der Proben einen Laser nutzen oder Hyperspektralsysteme drastisch miniaturisieren. Außerdem wollen die Forschenden mithilfe von Algorithmen deutlich mehr Informationen aus Rohdaten extrahieren. Aus diesen Ansätzen sollen sich künftig viele weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Anwendungsszenarien entwickeln, wie beispielsweise die Weiterentwicklung der Hyperspektraltechnik für Bibliotheken, um wertvolle hochempfindliche Kulturgüter in eine öffentlich verfügbare digitale Form zu überführen. Auf diese Weise könnten in Zukunft digitale Zwillinge entstehen, die neben der klassischen Bild- und Schriftinformation eine Vielzahl weiterer Daten konservieren könnte, wie etwa Papierdicken und -sorten, Alter des Dokuments oder die eingesetzten Farbpigmente.

Gerade dieser Know-how-Transfer in die Praxis steht am Dresdner Institut immer wieder im Fokus. Spitzenforschungsergebnisse rasch und kundenorientiert in die wirtschaftliche Praxis zu überführen, gehört zur Fraunhofer-DNS. „Konkret transferieren wir hier ein seit mehr als zehn Jahren am Fraunhofer IWS erarbeitetes Technologieportfolio mit einem enormen Potenzial“, fasst Philipp Wollmann zusammen. „Wir werden der Halbleiterindustrie in Deutschland und Europa dabei helfen, besonders effizient sowie mit hoher Qualität und Ausbeute Wafer zu prozessieren. Damit unterstützen wir auch die Ziele der EU, den Anteil europäischer Mikroelektronik am Weltmarkt deutlich zu steigern. Auf der anderen Seite sichern wir damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung in der Region.“

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt