Uniklinik Dresden will neue Diagnosemethode nun durch Studie überprüfen
Dresden, 29. Mai 2022. Verwaschene Sätze, eine monotone Sprachmelodie oder besonders kurzatmige Sprechweise können Indizien für eine „Multiple Sklerose“ (MS) sein. Denn bei dieser neurodegenerativen Krankheit entstehen viele Entzündungsherde im Gehirn, die direkt und indirekt die Sprachfähigkeiten des Patienten stören können. Ein Forschungsteam der Uniklinik Dresden (UKD) hat gemeinsam mit Programmierern ein darauf spezialisiertes Spracherkennungssystem entwickelt und will es nun in einer Studie auf seine praktische Diagnose-Tauglichkeit untersuchen. Das haben die Dresdner Mediziner aus Anlass des morgigen Welt-Multiple-Sklerose-Tages angekündigt.
Hirnentzündung kann sich in verwaschener Sprache äußern
„Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie sich unsere Sprache bei freudigen und traurigen Ereignissen moduliert“, erklärte Prof. Tjalf Ziemssen, der das Multiple-Sklerose-Zentrum in der Uniklinik leitet: „Bei der MS kommen beispielsweise Probleme bei der Bildung von Lauten hinzu, wenn die betroffene Person spricht.“ Die Folgen können eine undeutliche Aussprache sein, Wortfindungs-Probleme aber auch die Unfähigkeit, lange Sätze zu Ende zu bringen, da das Gedächtnis bereits angegriffen ist.
Auch Alzheimer mindert Sprachfähigkeit
Für Alzheimer-Demenz, Depressionen und andere Leiden ist der Zusammenhang zwischen Sprachfähigkeit und Krankheitsfortschritt bereits gut belegt, betonte Prof. Ziemssen. „Ein Transfer der Ergebnisse in den MS-Bereich könnte einen signifikanten Beitrag zum besseren Monitoring der durch Multiple Sklerose ausgelösten Problemen leisten.“
Erkennung per App geplant
Das nun entwickelte MS-Sprachanalyse betten die Entwicklungspartner nun in eine Software ein, perspektivisch ist an eine simpel bedienbare App fürs Smartphone gedacht. Diese App könnte womöglich in Zukunft auch mit einer Videosprechstunde gekoppelt werden, damit mehr Patienten vom Lande häufiger MS-Experten in den spezialisierten Krankenhäusern der Großstädte konsultieren können. Womöglich – so könnte man weiterdenken – sind im nächsten Schritt auch Smartphone-Apps vorstellbar, mit denen man oder frau durch einfache Sprachtests ein mögliches MS-Risiko ermitteln kann.
Studie gemeinsam mit La Roche und Saarbrückener KI-Firma
Doch zuerst muss sich das in Sachsen entwickelte Verfahren in der erwähnte Evaluierungsstudie bewähren. Im Zuge der Forschungskooperation „Intonate“ arbeitet die Uniklinik Dresden mit dem Schweizer Unternehmen Hoffmann-La Roche und dem Softwareentwickler „ki:elements“ aus Saarbrücken zusammen. Und die Mediziner braucht für die Untersuchung auch noch Teilnehmer. Sie suchen einerseits volljährige Patientinnen und Patienten, bei denen Ärzte eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems diagnostiziert haben. Außerdem sind auch gesunde Erwachsene für die Kontrollgruppe gefragt.
Uniklinik Dresden sucht noch Teilnehmer
Die Teilnehmer bekommen ihre Fahrtkosten erstattet und eine Aufwandsentschädigung. Wer mitmachen will, soll sich im „Multiple-Sklerose-Zentrum“ des Uniklinikums Dresden vorstellen. Ansprechpartnerin ist Susett Garthof, Email: VoiceDD@ukdd.de, Telefon: 0351-458-11360.
Krankheit mit den 1000 Gesichtern
Multiple Sklerose gehört zu den häufigsten Hirnentzündungen in Europa. Die sich daraus ergebenden Symptome reichen von Seh- und Sprachproblemen über Müdigkeit und Bewegungsschwierigkeiten bis hin zu Demenz und gemindertem Denkvermögen. Wegen der Vielfalt der möglichen Symtome heißt MS auch die „Krankheit mit den 1000 Gesichtern“, hieß es vom UKD. Allein in Deutschland gibt es über 250.000 MS-Patienten. Weltweit liegt ihre Zahl vermutlich bei etwa 2,8 Millionen. Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer an MS. Die erste Beschreibung der Krankheit stammt aus dem Jahr 1840. Dennoch ist es bis heute nicht gelungen, die tieferen Ursachen von MS zu erklären oder eine heilende Therapie zu entwickeln.
Autor: hw
Quellen: UKD, Deutsche Multiple-Sklerose-Gesellschaft, Wikipedia
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