Fraunhofer Dresden und Kunstsammlungen restaurieren Kunstschätze mit Hightech und Originalmaterialien
Dresden, 23. November 2021. 3D-Druck, Digitale Zwillinge, Terahertz-Quellen und andere Hochtechnologien helfen Restauratoren, historische Kunstgegenstände genauer zu analysieren, zu konservieren und zu reparieren. Das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden hat nun gemeinsam mit sächsischen Partnern innovative Verfahren entwickelt, um abgebrochene Kleinteile aus Porzellan von wertvollen alten Prunkvasen im 3D-Drucker zu rekonstruieren.
„RestaurAM“-Partner füttern nun auch additive Anlagen mit Porzellan
Im Industrie- und Profi-Sektor nennt man sich dieser Ansatz „additive Fertigung“, englisch „Additive Manufacturing“ (AM). Damit können Museen nun filigrane Porzellan-Ersatzteile beschädigter Unikate detailgetreuer und langlebiger als bisher restaurieren. Bisher mussten Restauratoren die benötigten Kleinteile entweder händisch aus Porzellan formen oder auf wenig überzeugende Ersatzmateralien aus Kunststoff ausweichen, wenn sie 3D-Drucker einsetzen wollten. „Nun wird es möglich, höherwertige oder sogar originalgetreue Materialien wie eben Porzellan zu verdrucken“, erklärt Dr. Tassilo Moritz, der das Projekt „RestaurAM“ im Fraunhofer IKTS geleitet hat.
„Resultate sind grandios“
„Die Resultate sind grandios“, bestätigt Restauratorin Heike Ulbricht von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). „Dieses Verfahren hat das Potenzial, sich zu einer wichtigen Ergänzung für die Restaurierung wertvoller Kunstgegenstände aus Porzellan zu entwickeln.“ Zudem hofft sie auf einen Schub für den digitalen Austausch zwischen nationalen wie auch internationalen Kunstsammlungen. Denn die Vasenfragmente müssen für den 3D-Druck ohnehin eingescannt werden. Die dabei entstehenden Daten und Computermodelle könnten Museen in Zukunft mit ähnlichen, aber an anderen Stellen beschädigten Exponaten abgleichen. Dadurch ließe sich ein „unbeschädigter“ digitaler Zwilling vom Original generieren.
Hightech-Reparatur für Prunkvasen im Dresdner Schloss gefragt
Ausgangspunkt des Projektes war eine Anfrage der Dresdner Porzellansammlung an Fraunhofer, bei der Reparatur beschädigter Prunkvasen für das Turmzimmer im Residenzschloss Dresden zu helfen. Daraufhin stellte das Institut angesichts der besonderen Herausforderungen ein Konsortium mit ausgewiesenen Experten zusammen. Daran beteiligten sich neben dem IKTS und der SKD auch die sächsischen Unternehmen „KI Keramik-Institut GmbH“, „COX3D“ und die „Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH“. Knapp vier Jahre lang entwickelten und erprobten die Partner mehrere Verfahren, um möglichst originalgetreue und passgenaue Porzellanteile als Ersatz für fehlende Vasenfragmente additiv zu erzeugen.
FFF-Anlage stapelt Porzellanfäden
Im konkreten Fall wollten die Forscher unter anderem einen abgebrochenen Ausguss von einer Prunkvase reproduzieren. Um ein passendes Gegenstück zur 16 Zentimeter langen Bruchkante zu erzeugen, nutzte das Konsortium das „Fused Filament Fabrication“-Druckverfahren. Dabei formt der 3D-Drucker das gewünschte Ersatzteil, indem er nach und nach Fäden (Filamente) übereinanderlegt, die mit Porzellanpulver angereichert sind. Vorstellen kann man sich das so ähnlich, als ob man dünne Zahnpasta-Stränge aus einer Tube übereinander ausdrückt, bis die gewünschte Form entstanden ist.
Bruchkante ließ sich im 1. Anlauf nicht passgenau replizieren
Letztlich stieß dieser technologische Ansatz aber an seine Grenzen: Weil das Bauteil recht groß war, verformte sich der 3D-gedruckte Ausguss im anschließenden Brennprozess leicht. Dadurch ließ sich das Ersatzteil nicht exakt an der Bruchfläche anbringen– eine Herausforderung, die im Projektverlauf den Forschenden jede Menge Einfallsreichtum abverlangte. Insofern gibt es für den FFF-Pfad zukünftig noch weiteren Entwicklungsbedarf.
Alternative: Licht härtet Porzellanpulver-Suspension aus
Zeitgleich erprobten die Partner mit der „Photo-Polymerisation“ eine weitere additive Technik. In diesem Fall sollte ein etwa zehn Zentimeter langer abgebrochener Rüssel einer mit Elefantenköpfen verzierten Vase gedruckt werden. Eigens dafür entwickelten die Forscher eine spezielle Suspension aus lichthärtbaren Kunststoffmolekülen und Porzellanpulver. Eine Belichtungsanlage härtete die Suspension dann nach einem vorgegebenen Muster so aus, so dass jeweils rund 25 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dünne 2D-Schichten entstanden. Tausende dieser hauchdünnen Schichten übereinandergestapelt ergaben dann das gewünschte 3D-Bauteil – nämlich der fehlende Porzellanrüssel. Zusätzlich druckte die Anlage auch innere und äußere Stützgerüste mit. Sie verhinderten, dass sich der Rüssel und die nachgebildete Bruchstelle während der Aufbau- und Brennprozesse deformierten. Als die äußeren Hilfsgerüste entfernt waren, ließ sich der Ersatz-Rüssel erfolgreich an die Vase ansetzen.
Fachwelt sieht Potenzial im Porzellan-3D-Druck
Die mit diesem Verfahren erzielten Ergebnisse sind so vielversprechend, dass die Projektpartner ihre Ergebnisse inzwischen in einer virtuellen Konferenz Restauratoren renommierter Kunstsammlungen und Unternehmen aus ganz Deutschland vorgestellt haben. Das neue Verfahren stieß auf großes Interesse beim Fachpublikum. Kurz darauf traf auch schon eine erste konkrete Anfrage zur Porzellanrestaurierung ein.
Für Omas kaputte Sammeltasse ist der Porzellandruck (noch) zu teuer
Um Omas angebrochene Sammeltasse zu reparieren, sind die neuen Porzellan-3D-Druckverfahren aber (vorerst) noch zu teuer und aufwendig. „Das ist kein Verfahren für Alltagsgegenstände“, betonte Tassilo Moritz. Gedacht sei es für historische Kunstgegenstände, die sich nun mit hochwertigeren und originalgetreuen Materialien restaurieren lassen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: IKTS, SKD
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