EU-Industriekommissar mustert Chipstandort Dresden, Silicon Saxony fordert mehr Tempo
Dresden/Brüssel, 12. November 2021. Sachsen wäre „ein phantastischer Standort“, falls ein großer internationaler Halbleiterkonzern in Europa neue Chipfabriken bauen will. Das hat EU-Industriekommissar Thierry Breton bei einem Besuch des Dresdner Mikroelektronik-Standorts eingeschätzt. Breton nannte zwar keine Namen. Aber bekanntermaßen liebäugeln Intel aus den USA, TSMC aus Taiwan und Samsung aus Südkorea derzeit mit dem Bau großer Mega-Fabs auch in Europa.
Auch Magdeburg ringt womöglich um Intel-Ansiedlung
Dresden sieht sich ohnehin dafür in der engeren Wahl, ist aber keineswegs der sichere Kandidat: Dutzende Städte weltweit haben sich beispielsweise um die jobträchtigen Intel-Investitionen beworben. In Deutschland stehen unter anderem Standorte in Bayern, nach jüngeren Berichten aber auch Magdeburg zur Debatte.
Sachsen werfen ihre Lassos gen Intel, TSMC und Samsung aus
Die sächsische Landesregierung zieht bereits seit einigen Monaten an den Strippen, um einen der großen Drei nach Dresden oder ins Umland zu holen. Bei Breton bedankte sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) heute auch artig für die Unterstützung der EU in den vergangenen Jahren. Und er lobte den Kommissar, dass dieser „die großen internationalen Zusammenhänge“ sehe. Was soviel heißt wie: Wir Sachsen haben schon lange auf die besondere Schlüsselrolle unserer Mikroelektronik für die meisten anderen Wirtschaftsbranchen hingewiesen. Et voilà : Jetzt muss die deutsche Autoindustrie ständig ihre Fabriken anhalten, weil sie zu abhängig von Chips aus Asien und den USA ist und sich dadurch nun die Lieferengpässe häufen.
Kommissar will Europa zum Elektronik-Nettoexporteur machen
Dabei rannte Kretschmer bei Breton ohnehin eher offene Türen ein: Der Kommissar plädiert schon seit geraumer Zeit dafür, richtig viel Geld in eine Aufholjagd der europäischen Mikroelektronik zu stecken: Europa müsse zum Halbleiter-Nettoexporteur werden und sich aus zu starken Import-Abhängigkeiten befreien, erneuerte er seine Wünsche auch bei seiner Dresdner Visite bei Globalfoundries, Infineon, Bosch, NXP und im Fraunhofer-Photonikinstitut IPMS.
5-Nanometer-Megafab – oder doch lieber Evolution „im Bestand“?
Umstritten ist allerdings der rechte Weg, der zu einem großeren Gewicht Europas auf den globalen Halbleitermärkten führen soll: Während Breton dafür plädiert, bis spätestens Ende der 2020er Jahre eine Europa-Foundry oder eine andere Megafab zu bauen, die Chips der Strukturgenerationen unter zehn Nanometern herstellen kann, wünscht sich die deutsche Mikroelektronik-Branche finanzielle Unterstützung aus Brüssel und Berlin für die eigenen Ausbaupläne. Globalfoundries und Infineon beispielsweise wollen ihre Dresdner Chipfabriken milliardenschwer ausbauen, ringen aber immer noch um Subventionen aus dem zweiten Förderprogramm für Mikroelektronik-Projekte von besonderem europäischen Interesse (Ipcei Mikroelektronik II).
Silicon Saxony: Tempo muss sich „dramatisch beschleunigen“
Mehr Tempo forderte daher am Rande des Breton-Besuchs der sächsische Hochtechnologie-Branchenverband „Silicon Saxony“ (Silsax): „Nie war die Situation in Europa besser als heute, wieder einen signifikanten Anteil zum Weltmarkt beizusteuern und einseitige Abhängigkeiten zu reduzieren“, argumentierte Silsax-Vorständin Yvonne Keil. „Die politischen Ambitionen sind selbstbewusst, die Auftragsbücher auf Jahre hin voll, der Hunger nach Halbleiterinnovationen groß.“ Umso mehr gelte aber die Forderung: „Die Umsetzungsgeschwindigkeit muss sich dramatisch beschleunigen. Die Industrie in Europa braucht jetzt eine verbindliche Zusage über eine öffentliche Co-Finanzierung. Nur so hat sie Argumente, um die Investitionen für geplante Kapazitätserweiterungen in Europa zu sichern.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Auskünfte Breton, Kretschmer, Globalfoundries, PM Silicon Saxony, Oiger-Archiv
Zum Weiterlesen:
Kommentar: Mühlen mahlen zu langsam
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