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Wie „Schwarze Löcher“ in der Quantenwelt

Die künstlerische Darstellung soll veranschaulichen, dass mathematische Modelle aus der Relativitätstheorie, die Raum-Zeit-Krümmungen um ein "Schwarzes Loch" beschreiben, auch zur Raummanipulation in Quantenmateralien einsetzbar sind. Daraus könnten sich Werkstoffe für die Computerchips und Sensoren von morgen und übermorgen ergeben. Grafik: pixelwg/Jörg Bandmann

Die künstlerische Darstellung soll veranschaulichen, dass mathematische Modelle aus der Relativitätstheorie, die Raum-Zeit-Krümmungen um ein „Schwarzes Loch“ beschreiben, auch zur Raummanipulation in Quantenmateralien einsetzbar sind. Daraus könnten sich Werkstoffe für die Computerchips und Sensoren von morgen und übermorgen ergeben. Grafik: pixelwg/Jörg Bandmann

Physiker aus Dresden wollen mit Elektronenlinsen neuartige Quantensensoren entwerfen

Dresden, 22. Januar 2021. Auf dem Weg zu extrem sensiblen Sensoren und superschneller Elektronik für die Zukunft arbeiten derzeit Physiker der Technischen Universität Dresden (TUD) an neuartigen Quantenmaterialien. Einen Ansatz, der auf Einstein, Schwarze Löcher und Halbmetalle setzt, verfolgt dabei der Nachwuchswissenschaftler Dr. Tobias Meng vom Dresdner Exzellenzzentrum „ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien“: Gemeinsam mit Luxemburger Kollegen will er Quasi-Raumkrümmungen in der Welt der mikroskopisch kleinen Dinge erzeugen, um in den Chip-Werkstoffen von übermorgen den Elektronenfluss hochpräzise steuern zu können. Für dieses sächsisch-luxemburgische Projekt „Topologie in relativistischen Halbmetallen“ (Toprel) haben die „Deutsche Forschungsgemeinschaft“ (DFG) und der „Fonds National de la Recherche“ (FNR) nun eine knappe Million Euro Forschungsförderung zugesagt, teilte die Dresdner Uni mit.

Tobias Meng. Foto: ctqmat.de

Tobias Meng. Foto: ctqmat.de

Sachsen und Luxemburg kooperieren

„Gemeinsam mit zwei Kollegen aus Luxemburg arbeite ich an der Elektronik von morgen, die ganz neue Dinge können soll“, erklärte Dr. Meng. „Wir wollen unter anderem Elektronenlinsen entwickeln, mit denen wir den Stromfluss in Bauteilen ganz genau steuern können. Bislang werden Halbmetalle in der Elektronikindustrie wenig genutzt, weil sie den Strom schlechter leiten als reine Metalle. Doch für eine zielgerichtete Manipulation von Elektronen sind Halbmetalle viel besser geeignet als Silizium und Co. Deswegen ist ihre Erforschung wichtig und zukunftsweisend.“

Supermassives Schwarzes Loch im Zentrum einer Akkretionsscheibe (Künstlerische Darstellung; NASA/JPL-Caltech)

Supermassives Schwarzes Loch im Zentrum einer Akkretionsscheibe (Künstlerische Darstellung; NASA/JPL-Caltech)

Mathematik der Raumzeit-Krümmung auf Quantenmaterialien übertragbar

Dabei machen sich die jungen Forscher faszinierende Verbindungen zwischen Relativitätstheorie und Quantenmechanik zunutze. Zwar steht eine einheitliche „Weltformel“, die beide Theorien miteinander verheiratet, immer noch aus. Aber für die theoretischen Physiker liegen einige mathematische Parallelen auf der Hand. So beschreiben Einsteins – inzwischen vielfach bestätigte – Theorien unter anderem, wie „Schwarze Löcher“ und ähnlich extreme Schwerkraftriesen im Weltall die Raumzeit krümmen, so dass selbst die stärksten Raumschiffe dort gar keinen „Geradeaus“-Kurs mehr steuern könnten, sondern den Raumkrümmungen folgen müssten. Die Mathematik hinter diesen kosmischen Phänomen lässt sich aber auch einsetzen, um ähnliche Effekte in Designer-Halbmetallen zu modellieren, ist Tobias Meng überzeugt. Er und seine Mitstreiter wollen Fremdatome in Halbmetall-Verbindungen einbringen und deren Schichtaufbau so manipulieren, dass dadurch „Elektronenlinsen“ entstehen. Die sollen die Elektronen in bestimmte Bahnen zwingen.

Erst kommt die Computer-Simulation, dann erst die Synthese im Labor

Anders als die Alchemisten alter Zeiten experimentieren die Toprel-Forscher allerdings nicht im Labor drauflos, um die richtige Halbmetall-Verbindung zu finden. Vielmehr modellieren sie ihre Wunsch-Werkstoffe zunächst in der mathematischen Theorie und dann im Computer, bevor an den Gang ins Labor zu denken ist. „Wir beschäftigen uns hier mit der Grundlagenforschung“, betonte Meng. Insofern sei nicht gleich morgen ein fertiges Produkt zu erwarten. Aber das Team habe Kontakte zu anderen Wissenschaftlern, die nach der mathematischen Modellierung die designten Quantenmateralien auch herstellen und testen könnten.

Exzellenz-Cluster will „internationale Spitzenforschung in der relativistischen Quantenphysik“ konzentrieren

Die Wissenschaftler in Dresden sehen jedenfalls großes Potenzial im Toprel-Projekt. „In den kommenden drei Jahren soll eine Infrastruktur geschaffen werden, die internationale Spitzenforschung in der relativistischen Quantenphysik ermöglicht“, hieß es von der TUD. „Zwei Post-Doc- und eine Doktorandenstelle werden in Kürze ausgeschrieben.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: TUD, Telefoninterview mit Dr. Tobias Meng

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt