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2,6 Millionen Euro für Mikro-Lautsprecher aus Dresden

Mikrolautsprecher auf Siliziumbasis von Arioso Dresden. Foto: Fraunhofer-IPMS

Mikrolautsprecher auf Siliziumbasis von Arioso Dresden. Foto: Fraunhofer-IPMS

Fraunhofer-Ausgründung Arioso will mit neuer Technologie den Markt umkrempeln.

Dresden, 2. April 2020. Die Dresdner Fraunhofer-Ausgründung „Arioso Systems“ will mit neuartigen Mikro-Lautsprechern den Markt für Kopfhörer aufmischen und ein sprachbasiertes Internet möglich machen. Diese Idee und die siliziumbasierte Mikrochip-Technologie dahinter haben auch mehrere Investoren überzeugt, die Arioso nun 2,6 Millionen Euro Risikokapital anvertrauen. Mit dem Geld wollen die Ingenieure ihr Unternehmen nun ausbauen, die Technologie weiterentwickeln und ihre Mikro-Lautsprecher in die ersten Audiogeräte einbauen.

Fraunhofer-Institutschef: Das ist eine technologische Revolution

Das junge Unternehmen könne „einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland leisten“, schätzte Prof. Harald Schenk ein, einer der beiden Leiter des Mutterinstituts für photonische Mikrosysteme (IPMS). Dahinter stecke „eine technologische Revolution“, ergänzte Prof. Hubert Lakner, der geschäftsführende Leiter des Fraunhofer-IPMS. „Da die Technologie auf Silizium-Halbleiter-Prozessen beruht ist sie darüber hinaus auch leichter skalierbar als Konkurrenztechnologien.“

Prof. Hubert Lakner leitet das Fraunhofer-Photonik-Institut IPMS in Dresden,. zu dem seitr 2012 auch das CNT gehört. Foto. Heiko Weckbrodt

Prof. Hubert Lakner leitet das Fraunhofer-Photonik-Institut IPMS in Dresden. Foto. Heiko Weckbrodt

Wie funktioniert der Mikro-Lautsprecher?

Denn die Arioso-Bauteile sind ganz anders konstruiert als traditionelle Audio-Technik: Klassische Lautsprecher wandeln elektrische Impulse mittels Elektromagneten und schwingenden Membranen in Schall um.

Die Visualisierung zeigt die geschwungenen Siliziumbögen, mit denen die Mikrolautsprecher von Arioso Dresden Musik und andere Töne wiedergeben. Visualisierung: Fraunhofer-IPMS

Die Visualisierung zeigt die geschwungenen Siliziumbögen, mit denen die Mikrolautsprecher von Arioso Dresden Musik und andere Töne wiedergeben. Visualisierung: Fraunhofer-IPMS

Die neuen Lautsprecher verwenden dagegen das „Nanoscopic Electrostatic Drive“-Prinzip (NED), das von Forschern am Fraunhofer-IPMS in Dresden und in dessen Cottbuser Tochterinstitut entwickelt wurde. Dabei werden in Siliziumscheiben (Wafer), wie man sie aus der Computerchip-Industrie kennt, Labyrinthe aus geschwungenen Wänden graviert, deren „Mauern“ nur 20 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dünn sind. Speist man in diese „elektrostatische Aktoren“, auch „Nano-E-Drives“ genannt, elektrische Audio-Signale ein, dann schwingen sie und wandeln Datenströme in Musik und Sprache um. Letztlich gehören sie zur Klasse der „Mikroelektromechanischen Systeme“ (MEMS), die mit anderen Funktionen bereits in allen Smartphones, in vielen Autos und anderen Technologieprodukten verbaut sind.

Verkleinerbar und niedrige Kosten

Durch diese Bauweise verbrauchen sie nur wenig Strom und lassen sich fast beliebig weiter verkleinern und auch – beim Ausbau zur Massenproduktion – billig herstellen. Bisher sind die Lautsprecher etwa 100 Quadratmillimeter groß, eine weitere Reduzierung auf ein Zehntel dieser Fläche gilt den Arioso-Leuten als realistisch. Mit der Dresdner Technologie wird es insofern möglich, nahezu überall sehr preiswert eine Sprachausgabe anzuschließen, ohne gleich alle Batterien leerzusaugen. „Der Markt ist hochgradig interessiert an MEMS-basierten Mikrolautsprechern“, betonte Dr. Herrmann Schenk, der das neue Unternehmen gemeinsam mit Ex-Novaled-Mitgründer Jan Blochwitz-Nimoth leitet.

Riesiges Marktpotenzial für Innenohr-Kopfhörer erwartet

Nun wollen die Arioso-Gründer die großen Hifi-Technik-Hersteller weltweit davon überzeugen, die Mikrolautsprecher aus Dresden in ihre Innenohr-Kopfhörer einzubauen. Möglich seien damit dann auch Kopfhörer, die Sprachbefehle verstehen, sich ohne den Zwischenschritt „Smartphone“ direkt in 5G-Mobilfunknetze einwählen und Musik abrufen können. „Stellen sie sich vor, Sie stehen beim Bäcker und müssen nur sagen, welchen Song sie hören wollen – und der Kopfhörer erledigt den Rest“, sagte Jan Blochwitz-Nimoth. Ebenso sind mobile Universalübersetzer à la „Raumschiff Enterprise“ damit denkbar. Und: „Wir denken, dass wir mit unserer Technik mindestens die gleiche, wahrscheinlich aber sogar eine bessere Klangqualität erzielen werden wie herkömmliche Lösungen.“ Das Marktpotenzial sei groß: „Bei den Innenohr-Kopfhörern sprechen wir über Stückzahlen von Hunderten Millionen“, erklärte Blochwitz-Nimoth.

Dr. Jan Blochwitz-Nimoth im "Dresden Integrated Center for Applied Physics and Photonic Material" (IAPP). Foto: Heiko Weckbrodt

Dr. Jan Blochwitz-Nimoth gehörte zu den Novaled-Gründern. Inzwischen hat er mit Arioso die nächste Hightech-Firma mitgegründet. Foto: Heiko Weckbrodt

Produktion wird an Foundry ausgelagert

Bisher hat das junge Unternehmen mit Sitz und Dresden und Cottbus drei Mitarbeiter und stellt derzeit weitere Technologen- Elektronikingenieure und anderen Experten ein. Hauptsitz ist das städtische Nanocenter an der Maria-Reiche-Straße. Mit einer Serienproduktion ist in drei bis vier Jahren zu rechnen.

Das Arioso-Team versteht sich dabei als Design-Haus: Sie entwickeln die Mikrolautsprecher und die Steuertechnik dazu zwar, die Herstellung sollen dann aber Chip-Auftragsfertiger („Foundrys“) übernehmen. All diese und mehr will das Gründerteam mit dem nun eingesammelten Geld vorbereiten. An der jüngsten Finanzierungsrunde hatten sich „Brandenburg Kapital“ aus Potsdam, der High-Tech-Gründerfonds III aus Bonn, der Technologiegründerfonds Sachsen aus Dresden, und mehrere „Business Angel“ beteiligt.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: Fraunhofer IPMS, Interview Blochwitz-Nimoth, Arioso, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt