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Bildband „Mission 64“: „Wie eine Maschine aus der Enterprise“

Prügelspiele wie "The Way of the exploding fist" hatten eine breite Fan-Gemeinde in der Heimcomputerszene. CSW-Verlag

Prügelspiele wie „The Way of the exploding fist“ hatten eine breite Fan-Gemeinde in der Heimcomputerszene. CSW-Verlag

Reich illustriertes Spiele-Buch unternimmt eine Zeitreise zurück in eine am C64-Heimcomputer vergeudete Jugend

Ein faszinierend nostalgisches Sammlerstück für alle Commodore-Jünger haben die Autoren Peter Otto, Mathias Mertens und Enno Coners mit dem reich bebilderten Band „Mission 64“ vorgestellt: Sie erzählen darin, wie man einfach süchtig nach dem Heimcomputer werden konnte – und stellen insgesamt 113 Klassiker unter den C64-Spielen vor.

Ein Stück Zukunft im Kinderzimmer

„Als der C64 in unser zu Hause einzog, wirkte diese Maschine, als wäre sie direkt mit der ,Enterprise‘ aus den unendlichen Weiten des Universums zu uns gekommen“, erzählen die Autoren. „Ein Stück Zukunft in den eigenen vier Wänden.“

Wie man Eltern zum Heimcomputer-Kauf animierte

Genüsslich berichten sie aus dem Abstand von Jahrzehnten, wie sie als Teenager in den 1980ern ihre Eltern dazu brachten, viel Geld in einen Computer mit dem Design eines Brotkastens zu investieren – und dem Bengel auch noch Datasette, Floppy oder anderes teures Zubehör zu schenken. Natürlich, indem sie Mama und Papa die Commodore-Werbebotschaften unterjubelten: dass man mit solch einem Heimcomputer Mathe und Physik üben, Tabellen kalkulieren und das Kind aufs Informationszeitalter vorbereiten konnte. Kein Architekt würde mehr erfolgreich sein, wenn er nicht mindestens eine Hand auf einem C64 ruhen hat – das konnte man doch schon in der Fernsehwerbung so sehen. Und natürlich war allen Beteiligten mehr oder weniger klar, dass der tatsächliche Daseinszweck dieses Brotkastens zu 99 Prozent das Spielen sein würde. Aber das nur nebenbei…

Heimcomputer von Commodore. Foto: Heiko Weckbrodt

Heimcomputer von Commodore mit Joystick. Foto: Heiko Weckbrodt

Spielend zum Programmierer wachsen

Doch im Spielen lernt der Mensch. Nicht umsonst sprach schon 1938 der Kulturphilosoph Johan Huizinga vom „home ludens“, vom Menschen, der sich im Spiele Kulturtechniken aneignet. So geschah es eben auch der Generation C64: Im Versuch, illegal kopierte Spiele zum Laufen zu bringen, eigene Spiele zu kreieren oder auch einfach nur beim Spielen zu schummeln, brachten es viele Heimcomputer-Jünger zu beachtlichen Programmier-Kenntnissen. Und die waren nicht selten die Basis für eine spätere berufliche Karriere in der einen oder anderen informationstechnologischen Richtung.

„VW Käfer der Mikroelektronik“

Zudem weckte dieser Computer, der nicht mehr nur ein unerreichbares Elektronenhirn der Universitäten, sondern plötzlich ein Alltagsutensil war, darüber hinaus uralte Forscherinstinkte. Wer sich nur lange genug mit einem Heimcomputer beschäftigte, wollte eher oder später wissen: Wie funktioniert das Ding da drin eigentlich? Insofern haben die „Mission 64“-Autoren recht, wenn sie vom Heimcomputer als einem „VW-Käfer der Mikroelektronik“ sprechen – im Westen genauso wie im Osten übrigens.

Enno Coners. Foto: CSW-Verlag

Enno Coners. Foto: CSW-Verlag

Von Battle Chess bis Zak McKracken

Den allergrößten Platz in diesem Buch nehmen indes die Spiele ein: besonders populäre Titel wie etwa „Boulder Dash“, „The Bards Tale“, „Zak McKracken“ oder „Giana Sisters“ ebenso wie weniger bekannte Adventures, Wirtschaftssimulationen oder Prügelorgien, die jeweils eine ganz eigene Fan-Basis hatten. Hauptattraktionen sind die großformatig abgedruckten Bildschirmfotos der alten Spiele in schönster Grobpixel-Grafik. „Die Screens wurden von mir in unzähligen Abendstunden zusammengebaut“, erzählt Verleger Enno Coners über die Arbeit am Buch. „Und sehr oft mussten dabei Teilstücke per Hand nachgepixelt werden.“ Dazu hat Mathias Mertens jeweils kurze Beschreibungen, gelegentlich auch etwas ausführlichere Erinnerungen aufgeschrieben – nebst den „technischen Daten“ wie Erscheinungsjahr, Entwickler, Publisher, Musikautor und Genre.

Ein kleines Bonbon haben sich die Autoren für die letzte Buchseite aufgespart: Wer noch einen C64 plus genug Muße hat, findet dort ein Basic-Programm im Quellcode. In den Heimcomputer eingetippt, erzeugt es die Hintergrundgrafiken der Buchhülle im Stile von „Asteroids“.

Fazit: Ein Nerd-Traum

„Mission 64“ ist ein ganz besonderes analoges Papier-Denkmal für all jene, die am C64 begeistert ihre Jugend verschwendet haben – und ein nettes Geschenk von Nerds für Nerds.

"Mission 64". Umschlag: CSW-Verlag

„Mission 64“. Umschlag: CSW-Verlag

Kurzüberblick

  • Titel: Mission 64
  • Autoren: Peter Otto, Mathias Mertens, Enno Coners
  • Genre: Nerd-Bildband
  • Verlag: CSW-Verlag
  • Umfang: 240 Seiten (A4 quer, farbig)
  • Preis: 39,64 Euro
  • ISBN: 978-3-941287-88-4
  • Leseprobe:

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt