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Bosch will Elektroautos mit Kohle-Chips anfeuern

Sichtprüfung der Siliziumkarbid-Halbleiter während der Produktion in der Waferfabvon Bosch in Reutlingen. Foto: Bosch

Sichtprüfung der Siliziumkarbid-Halbleiter während der Produktion in der Bosch-Fabrik in Reutlingen. Foto: Bosch

Deutscher Elektronikkonzern steigt in Leistungs-Halbleiter auf Siliziumkarbid-Basis ein

Reutlingen/Dresden, 7. Oktober 2019. Bosch wird künftig Schaltkreise, die besonders starke Ströme und hohe Spannungen aushalten müssen, auf Scheiben aus einem Silizium-Kohlenstoff-Verbund produzieren. Das hat Harald Kröger von der Bosch-Geschäftsleitung heute bei einem Besuch der neuen Chipfabrik in Dresden angekündigt. Mit solchen besonders schnellen und effizienten Leistungs-Halbleitern aus Silizium-Karbid (SiC) werde es möglich, „die Reichweite von Elektroautos um etwa sechs Prozent zu vergrößern“, versprach er.

harald Kröger ist einer der Geschäftsführer von Bosch. Foto: Bosch

Harald Kröger ist einer der Geschäftsführer von Bosch. Foto: Bosch

Die Vorteile von SiC-Leistungshalbleitern

Silizium-Karbid-Schaltkreise verplempern laut Bosch bei Schaltprozessen nur halb so viel Strom wie normale Silizium-Leistungshalbleiter, schalten zehnmal schneller und vertragen höhere Temperaturen. Spannungen um die 1200 Volt stecken sie problemlos weg. Für Elektroautos heißt das zum Beispiel: mehr Reichweite oder geringeres Gewicht für die Batterien und weniger Kühltechnik an Bord. Daher ist Kröger überzeugt: „Silizium-Karbid-Halbleiter werden die Elektromobilität nachhaltig verändern.“

Siliziumkarbid-Wafer von Bosch. Die damit hergestellten SiC-Leistungshalbleiter sollen für weniger Energieverluste, schnellere Schaltungen und größere Reichweite von Elektroautos sorgen. Foto: Heiko Weckbrodt

Siliziumkarbid-Wafer von Bosch. Die damit hergestellten SiC-Leistungshalbleiter sollen für weniger Energieverluste, schnellere Schaltungen und größere Reichweite von Elektroautos sorgen. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Nachteile

Diese Technologie steckt allerdings trotz jahrelanger Entwicklungen noch immer in den Kinderschuhen: Die mit Kohlenstoff-Atomen gespickten Silizium-Scheiben (Wafer), auf denen die Hochspannungs-Chips produziert werden, sind bisher noch recht teuer und fehleranfällig. Auch sind sie mit 150 Millimetern Durchmesser nur halb so groß wie heutige Standard-Wafer aus Reinstsilizium. Daher startet Bosch zunächst mit einer kleinen Pilotanlage im Werk Reutlingen, die einen „dreistelligen Millionenbetrag“ gekostet hat, wie Bosch-Autoelektronik-Chef Jens Fabrowsky nur recht allgemein mitteilte. Daraus soll nach und nach eine Massenproduktion werden – abhängig von der Nachfrage der Kunden aus der Autoindustrie, dem Zertifizierungstempo für die neuen Chips und den Ausbeute-Fortschritten.

Auch Infineon arbeitet mit Siliziumkarbid

Der deutsche Halbleiterhersteller und Bosch-Partner Infineon hat bereits eine Serienproduktion von SiC-Leistungshalbleitern auf die Beine gestellt. Für die Massenproduktion setzt Infineon aber weiter auf Silzium-Schalkreise aus dem 300-Millimeter-Werk in Dresden. SiC spielt allerdings derzeit in Dresden weder für Bosch noch für Infineon eine Rolle. Ein Grund: Für die in Sachsen installierte 300-mm-Technik gibt es noch gar keine marktreifen Siliziumkarbid-Wafer in dieser Größe.

Eine Auswahl elektronischer Bauelemente von Bosch für den Einsatz in den Autoindustrie. Foto: Heiko Weckbrodt

Eine Auswahl elektronischer Bauelemente von Bosch für den Einsatz in den Autoindustrie. Foto: Heiko Weckbrodt

Bosch: Im autonomen E-Auto der Zukunft werden Chips und Sensormodule für 1920 Dollar stecken

Bosch hofft, mit den in Reutlingen hergestellten SiC-Chips mehr Marktanteile im Segment der Leistungshalbleiter – vor allem für Elektroautos – zu gewinnen. Generell ist das Konzern-Manegement offensichtlich davon überzeugt, dass der Umstieg von VW und anderen deutschen Konzernen auf Elektroautos – anders als für viele andere Zulieferer – mehr Chancen als Nachteile mit sich bringt. Im Schnitt seien heutzutage in jedem Auto Halbleiter für etwa 370 Dollar (337 Euro) verbaut, argumentiert Fabrowsky. In Elektroautos kämen Chips für durchschnittlich 450 Dollar hinzu, weitere 100 Dollar durch Vernetzung und Unterhaltungssysteme. Der Umstieg aufs autonome Fahren werden zusätzliche Elektronik im Wert von noch einmal 1000 Dollar an Bord nötig machen. Sprich: Erfüllen sich alle technologischen Prognosen für die nächsten Jahre, wird der Wert der Chips pro Auto in überschaubarer Zukunft auf rund 1920 Dollar (1750 Euro) verfünffachen. Geht man nun davon aus, dass laut einer Statistik von 2016 im Schnitt etwa 50 Chips und Sensorbausteine in jedem Auto verbaut sind und davon wiederum neun Bauelemente – also 18 Prozent) von Bosch kommen, kann man das Marktpotenzial erahnen, dass der deutsche Elektronikkonzern da wittert.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Recherche, Bosch

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt