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Ostdeutschen Maschinenbauern gehen die Lehrlinge aus

Das Spezialtextilien-Unternehmen Norafin Industries - hier im Foto: Azubi Sven Hartwig - hat mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung im Sommer 2012 mit einer 12,5 Millionen Euro teuren Produktionserweiterung in Mildenau im Erzgebirge begonnen. Bis Ende 2013 soll die Mitarbeiterzahl dort von 100 auf 140 wachsen. Foto: Wolfgang Schmidt, Norafin

Immer mehr Betriebe – vor allem auf dem Lande – haben Probleme, alle Lehrstellen zu besetzen. Hier ein Archivfoto von einem Azubi im Spezialtextilien-Unternehmen Norafin Industries im Erzgebirge. Foto: Wolfgang Schmidt, Norafin

Mehr technische Allgemeinbildung an Schulen und attraktiveres Landleben gefordert

Leipzig/Dresden, 15. August 2019. Die ostdeutschen Maschinenbauer haben wachsende Probleme, genug Lehrlinge zu finden. Das hat eine Umfrage des „Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer Ost“ (VDMA Ost) unter seinen 350 Mitgliedsbetrieben ergeben.

44 % der Firmen können nicht alle Lehrplätze besetzen

So gebe es „immer mehr Maschinenbauer, die ausbilden wollen, aber ihren Bedarf nicht decken können“, informierte VDMA-Ost-Chef Reinhard Pätz. Der Anteil von Maschinenbau-Unternehmen, die nicht all ihre Lehrstellen besetzen konnten, sei innerhalb eines Jahres von 39 auf 44 Prozent gestiegen.

In welchen Branchen besonders viele Azubis fehlen. Grafik: DIHK

In welchen Branchen besonders viele Azubis fehlen. Grafik: DIHK

Vor allem Gaststätten, Bau und Transportgewerbe haben Probleme

Ähnliches hat eine breiter angelegte Ausbildungs-Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ergeben. So blieben im Jahr 2018 in 49 Prozent der Unternehmen aus dem Kammerbezirk Dresden Ausbildungsplätze unbesetzt. „Damit liegt die ostsächsischen Region deutlich über dem Bundesschnitt von 32 Prozent“, informierte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden. Die meisten Probleme hatten demnach das Gastgewerbe, die Transport- und Logistikbranche sowie das Baugewerbe.

Diese Gründe sehen die befragten ostdeutschen Maschinenbaubetriebe, warum sie Probleme haben, ihre Lehrstellen zu besetzen. Grafik: VDMA Ost

Diese Gründe sehen die befragten ostdeutschen Maschinenbaubetriebe, warum sie Probleme haben, ihre Lehrstellen zu besetzen. Grafik: VDMA Ost

Gründe: Demografischer Wandel, Run auf Unis und wenig Lust aufs Dorfleben

Die Unternehmen machen dafür mehrere Faktoren verantwortlich: Durch die Überalterung der ostdeutschen und sächsischen Gesellschaft gibt es einerseits weniger Jugendliche, die für eine Lehre in Frage kommen. Dieses Problem ist vor allem jenseits der Großstädte ausgeprägt. Und in Betriebe auf dem Dorfe zieht es umgekehrt nur wenige junge Städter. Anderseits wollen immer mehr Schulabsolventen studieren, statt eine klassische Berufsausbildung zu absolvieren.

Chefs kritisieren „erhebliche Wissenslücken“ und pampiges Verhalten der Bewerber

Zudem seien zu viele Bewerber kaum auf die betriebliche Praxis vorbereitet, kritisieren 70 Prozent der Firmen. Die befragten Unternehmer und Personalchefs beklagen „erhebliche Wissenslücken in den Naturwissenschaften und mangelhaftes Technikverständnis, aber auch fehlende soziale Kompetenzen“. Das deckt sich mit Angaben, die in der Vergangenheit Unternehmer in Oiger-Interviews machten: Sie ärgern sich über Lehrlinge, die ihre Kollegen nicht mal grüßen, sich unhöflich und wenig kameradschaftlich verhalten.

Xenophobie geföhrdet Jobs in Ostdeutschland, warnt VDM-Ost-Geschäftsführer Reinhard Pätz. Foto: VDMA Ost

Xenophobie geföhrdet Jobs in Ostdeutschland, warnt VDM-Ost-Geschäftsführer Reinhard Pätz. Foto: VDMA Ost

VDMA Ost: Attraktivere Dörfer könnten Nachwuchsprobleme entspannen

Der VDMA Ost fordert daher von den Schulen, den Kindern eine bessere technische Allgemeinbildung zu vermitteln, und von den Politikern, das Leben auf dem Land attraktiver zu machen – vor allem durch Infrastruktur-Investitionen. „Den demografischen Wandel können wir nicht aufhalten“, betonte Pätz. „Andere Faktoren, die sich maßgeblich auf die Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen und die Bewerberzahlen auswirken, lassen sich hingegen sehr wohl beeinflussen.“

IHK-Betriebe: Schüler besser für digitalen Wandel und Praxis rüsten

Ähnliche Forderungen machten die Betriebe aus den IHK-Umfragen geltend: Sie wünschen sich vor allem „eine bessere Erreichbarkeit der Berufsschulen und Betrieben sowie die Vermittlung von IT-Kenntnissen in den allgemeinbildenden Schulen, um für den digitalen Wandel in der Ausbildung und der betrieblichen Praxis besser gerüstet zu sein“.

Wirtschaft sollte auch selbst mehr tun

Andererseits gibt es auch Stimmen aus der sächsischen Unternehmerschaft, die einen Teil des Azubi-Problems in den eigenen Reihen suchen: Wer heute junge Menschen für eine Karriere im eigenen Betrieb begeistern will, muss eben mehr tun als auf Bewerbungen warten. So holen einige Unternehmen, die auf dem Land verortet sind, ihre Lehrlinge mit eigenen Azubi-Mobilen ab. Andere schicken eloquente Fachleute regelmäßig in die Schulen, um sich aktiv vorzustellen. Und wer Praktika für Schüler und Plätze für Werkstudenten bietet, kann beizeiten geeigneten Nachwuchs erkennen, fördern und gewinnen. Auch „weiche Anreize“ neben dem Geld mag Lehrlinge und Fachkräfte binden, erkennen mehr und mehr Unternehmer – auch von kleineren Betrieben. Dazu gehören beispielsweise Sport-, Bildungs-, und Gesundheitsangebote, besondere Essensangebote in der Kantine, Kinderzimmer für junge Eltern und dergleichen mehr.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: VDMA Ost, IHK Dresden, DIHK, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt