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Sachsen ändert Ansiedlungs-Akquise

Thomas Horn ist seit Herbst 2018 der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS). Foto: Heiko Weckbrodt

Thomas Horn ist seit Herbst 2018 der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS). Foto: Heiko Weckbrodt

Wirtschaftsförderer angeln nun mehr nach Zierfischen statt dicker Hechte à la Bosch

Dresden, 16. November 2019. Statt weiter um große Fabriken à la Bosch oder seinerzeit AMD zu buhlen, fokussiert sich die „Sächsische Wirtschaftsförderung“ (WFS) fortan stärker auf die Suche nach Investoren, die Lücken in den hiesigen Unternehmens-Netzwerken schließen. Das haben Wirtschaftsminister Martin Dulig und der neue WFS-Chef Thomas Horn angekündigt.

„Zeit der großartigen Ansiedlungen ist vorbei“

„Die Zeit der großartigen Ansiedlungen ist vorbei“, ist Dulig überzeugt. „Wir wollen uns nun mehr darauf konzentrieren, innovative Wertschöpfungsketten zu vervollständigen und neue Perspektiven für Regionen im Strukturwandel wie die Lausitz zu entwickeln.“

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) Foto: Heiko Weckbrodt

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) Foto: Heiko Weckbrodt

Große Hoffnungen liegen auf Investitionen in die „Lebenswissenschaften“

Im Fokus stehen dabei sächsische Schlüsselbranchen wie Mobilität, Mikroelektronik, Maschinenbau, Umwelt- und Energietechnik sowie die Lebenswissenschaften („Life Science“), ergänzte Horn. Gerade von den „Life Science“-Sparten rund um Medizintechnik, Biotechnologie und Pharmaindustrie verspricht sich der WFS-Geschäftsführer viel: Derzeit seien rund 300 Unternehmen mit rund 15 500 Beschäftigten in Sachsen in diesem Sektor tätig. Durch die Vernetzung der sächsischen Akteure und die Akquise fehlender Firmen-Puzzleteile sei weiteres Wachstum zu erwarten. „Die sächsischen Unternehmen kennen sich oft gar nicht untereinander“, schätzte Horn ein. Sogenannte „Projektwerkstätten“ sollen das ändern: Dort bringen die Wirtschaftsförderer branchenübergreifend Firmen zusammen, die gemeinsam imstande sind, auch größere Entwicklungsprojekte und Aufträge zu stemmen.

Automatisierungs-Reserven im Maschinenraum des Krankenhauses

Als Beispiel nennt der WFS-Chef die Krankenhauslogistik: „Das ist wie der Maschinenraum eines Krankenhauses mit all seiner Infrastruktur, den Transportwegen und Versorgungseinrichtungen, die der Patient gar nicht sieht“, erklärt er. Während in sächsischen Chipfabriken und Autofabriken schon längst hochautomatisierte Logistik-Lösungen existieren, gibt es da in den Kliniken noch große Lücken. Daher brachte die WFS eine Gruppe aus Unternehmen rund um die Leipziger Firma „Scan Modul Orgasystems“ zusammen. In der Folge werden nun die Elblandkliniken neuartige Digital-Medizinschränke in der Praxis testen, die für die Beschaffungsabteilungen automatisch verbuchen, welche Schwester welches Medikament wann herausgenommen oder eingelegt hat. Horn: „In solchen Netzwerken liegt die Zukunft.“

Über 90 % der Firmen exportieren überhaupt nicht

Außerdem gelte es, die Exportquoten der hiesigen Unternehmen zu erhöhen, betonte Minister Dulig in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender der WFS. Denn immer noch schöpfe ein großer Teil der Firmen die Potenziale im Ausland nicht aus: Zwar liegt die sächsische Exportquote bei 32 Prozent. Aber dahinter stecken vor allem die großen Unternehmen der Automobilindustrie, der Mikroelektronik und anderer Technologiebranchen. Doch nur 8,2 Prozent der sächsischen Firmen exportieren überhaupt etwas.

Neue Chancen nach Freihandels-Abkommen

Vor allem in Europa und Asien sieht Dulig gute Marktchancen für die Sachsen: beispielsweise in der Schweiz, in Dänemark, den Niederlanden oder Estland. Aussichtsreich seien aber auch außereuropäische Freihandelspartner wie Japan, Kanada und bald auch Vietnam. Gute Chancen erspäht der Minister weiter auf dem riesigen chinesischen Markt.

Sachsens Wirtschaft investiert auch selbst im Ausland

Erkennbar sei inzwischen auch, dass der Freistaat längst nicht mehr nur eine verlängerte Werkbank für den Westen sei, wie noch in den 1990ern, meinen Dulig wie Horn auf Nachfrage: Viele Sachsen beherrschen mittlerweile die Klaviatur der vernetzten Weltwirtschaft recht virtuos und lassen im Ausland produzieren, was in Deutschland nur sehr teuer herstellbar wäre. „Da entwickelt sich etwas“, sagte Dulig.

Aus der WFS-Bilanz:

  • 2018 hat die WFS die Ansiedlung von 17 Unternehmen sowie drei Erweiterungen in Sachsen unterstützt.
  • 361 Jobs sind dadurch neu entstanden, weitere 538 gesichert.
  • 141,8 Millionen Euro haben die Beteiligten dabei investiert.

Beispiele für WFS-Projekte:

  • Acosa-Investition in ein Werk für Flugzeug-Kompositplatten in Kodersdorf, ca. 150 Jobs, 40 Mio. € Investitionen
  • Ãœbernahme und Rettung von Waggonbau Niesky durch die slowakische Tatra-Waggobau (zirka 300 Jobs gesichert
  • Logistik-Zentrum der Böllhoff-Gruppe in Oelsnitz
  • Genetik-Unternehmen „GeneWiz“ richtet Niederlassung in Leipzig ein, 20 Mitarbeiter, 5 Mio. € Investitionen
  • Mikroelektronikunternehmen „35PE“ gründet Fabrik für Gallium-Arsenid-Wafer in Dresden
  • Yellow Tec investieret 23 Mio. € in eine Fabrik für Medizin-Kunststoffprodukte in Görlitz und schafft 60 Jobs
  • Leadec richtet eine Batteriemontage in Hoyerswerda ein, geplant sind 80 Mitarbeiter
  • Mingzhi Technology (China): neuer Maschinenbau-Standort in Markranstädt

 

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: SMWA, WFS

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt