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Im Quali-Wettlauf mit den Chinesen

Solarwatt-Geschäftsführer Detlef Neuhaus (l.) und Hauptanteilseigner Stefan Quandt neben dem schwarz verkleideten „MyReserve“-Energiespeicher. Foto: Ben Gierig, Solarwatt

Solarwatt-Geschäftsführer Detlef Neuhaus (l.) und Hauptanteilseigner Stefan Quandt neben einem schwarz verkleideten „MyReserve“-Energiespeicher. Foto: Ben Gierig, Solarwatt

Solarwatt Dresden ist sechs Jahre nach Pleite immer noch auf Quandt-Zuschüsse angewiesen – Umsatz mit Energiesammlern und Speichern steigt aber

Dresden, 23. Oktober 2018. Obgleich sich die deutsche Photovoltaik-Geschichte bisher eher wie ein Trauerspiel mit zahlreichen Opfern denn wie eine Erfolgs-Story liest: Wer bei der Entwicklung von Solartechnik auf Qualität, Technologien und Innovationen setzt, kann sich auch heute noch gegen die so übermächtige chinesische Konkurrenz durchsetzen. Davon ist Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus überzeugt.

Das Hauptquertier von Solarwatt in Dresden nahe am ehemaligen ZMD-Campus. Foto. Heiko Weckbrodt

Das Hauptquertier von Solarwatt in Dresden nahe am ehemaligen ZMD-Campus. Foto. Heiko Weckbrodt

20 % Umsatzwachstum erwartet

Zwar kämpft der Dresdner Photovoltaik-Vorreiter sechs Jahre nach der Pleite und dem Neustart immer noch mit Verlusten. Aber die Umsätze legen wieder zu – in diesem Jahr voraussichtlich um 20 Prozent auf rund 80 Millionen Euro. Das sei etwas weniger wachstum als noch zu Jahresbeginn erwartet, räumt Neuhaus ein und nennt zwei Gründe: Einerseits habe sich der Markt für Batteriespeicher nicht so dynamisch entwickelt wie erhofft. Anderseits habe die chinesische Staats- und Parteiführung im jüngsten 5-Jahr-Plan die Ausbauziele für Solarkraftwerke kräftig zusammengestrichen. Daher drängen nun chinesische Überkapazitäten auf die freien Märkte und setzen die europäischen Hersteller unter zusätzlichen Preisdruck. Während weltweit „nur“ PV-Kapazitäten mit insgesamt 90 Gigwatt (GW) Leistung gefragt seien, stünden dem Produktionskapazitäten für etwa 160 GW gegenber, sagt Neuhaus.

Fokus auf Glas-Qualitätsmodule und besonders reaktionsschnelle Batteriespeicher

Trotz dieserdämpfenden Impulse nähert sich die Solarwatt-Belegschaft mit nun 340 Mitarbeitern langsam wieder früheren Stärken. Statt auf Massenproduktion setzt Solarwatt nun auf besonders langlebige Solarmodule in Glas- statt Folienbauweise sowie auf computergesteuerte Sonnenstrom-Batteriespeicher, die besonders schnell auf viel Sonnenschein beziehungsweise auf Nachfragespitzen in einem Haushalt reagieren. Durch die hochwertigere Technik können die Dresdner meist höhere Preise als die Konkurrenz erzielen, betont Geschäftsführer Neuhaus. „Und wenn die Chinesen technologisch nachziehen, dann entwickeln wir eben etwas Neues. So was nennt sich Wettbewerb.“

Smart Modules und Kiwigrid

Auf der Solarwatt-Agenda für die nahe Zukunft stehen nun unter anderem „intelligente Solarmodule“, die sich selbst optimieren, verrät der Geschäftsführer. Auch arbeite Solarwatt mit anderen Dresdner Innovatoren wie „Kiwigrid“ zusammen, um effektivere Energie-Managementlösungen für die Endkunden zu entwickeln.

Dresdner Solarlicht für die 3. Welt von Solarwatt. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner Solarlicht für die 3. Welt von Solarwatt.
Foto: Heiko Weckbrodt

Solarlicht für Afrikas Dörfer

Pionierleistungen haben die Solarwatt-Geschichte in den vergangenen 25 Jahren immer wieder begleitet. Schon kurz nach der Gründung 1993 durch Frank Schneider und Lothar Schlegel machte das Unternehmen mit einem Solarlicht für die stromlosen Bauern Afrikas und die Indianerdörfer in Guyana von sich reden: Die tablettgroßen Stromsammler produzierte Solarwatt, die mobile Lampe von kam von anderen Dresdner Firmen. „Das war damals etwas Neues, dieses ,Dresdner Solarlicht für die Dritte Welt‘“, erinnert sich der damalige Solarwatt-Vertriebschef Dieter Winkler. „Wir wollten damit aber nicht nur Licht in die Hütten und Häuser bringen, sondern auch etwas Wertschöpfung nach Afrika.“ Daher sahen die Photovoltaik-Module, mit denen die Lampe tagsüber Sonnenstrom tankte, auch etwas rustikal aus: Den Rahmen stellten Arbeiter in Kamerun nämlich aus Holz her.

Der frühere Solarwatt-Vertriebsleiter Dieter Winkler zeigt einen Silizium-Brocken. Foto: Heiko Weckbrodt

Der frühere Solarwatt-Vertriebsleiter Dieter Winkler zeigt einen Silizium-Brocken. Foto: Heiko Weckbrodt

Eigene Fertigungsanlagen entwickelt

Auch später taten sich Solarwatt-Ingenieure immer wieder hervor: Damals hatte das Unternehmen – ähnlich wie die Kombinate früher – einen eigenen „Betriebsmittelbau“. Die Kollegen dort entwickelten Verlötungsmaschinen („Stringer“) und andere Automatisierungsanlagen für die Modulproduktion, die heute zum Branchen-Standard gehören. „Schade nur, dass die Kollegen damals vergessen haben, dafür auch Patente anzumelden“, sagt Neuhaus. „Aber so war die Zeit damals eben: voller Enthusiasmus über eine umweltfreundliche Technologie, die man mit allen teilen wollte.“

Chinesen überholten alle

Derweil schlief die Konkurrenz in Fernost allerdings nicht: Die Chinesen importierten deutsche Photovoltaik-Maschinen, lernten schnell und überholten bald mit überlegenen Großfabriken die deutschen Pionierfirmen, von denen viele im Manufaktur-Stadium stecken geblieben waren. Die Folge waren erdrutschartige Weltmarktveränderungen. Reihenweise gingen Solarfirmen vor allem in Mitteldeutschland pleite, Zehntausende Arbeitsplätze gingen in Sachsen flöten: Sunfilm, Signet Solar, Solarworld – die Reihe der Opfer dieser „Solarkrise“ ließe sich seitenweise fortsetzen. „Leider ist inzwischen nicht mehr viel übrig von einer Industrie, in die viele Steuermilliarden geflossen sind und in einem Land, in dem die Photovoltaik eigentlich erfunden worden ist“, bedauert Neuhaus.

Der Solar-Carport von Solarwatt soll ab Herbst die neuen i-Elektroautos von BMW mit Strom betanken. Foto: BMW

Solar-Carport von Solarwatt. Foto: BMW

Ab 2020 soll Solarwatt keine Verluste mehr schreiben

Auch Solarwatt, unterdessen zum Massenanbieter von Sonnenstromsammlern aufgestiegen, war in diesem Marktsegment den Chinesen schließlich nicht mehr gewachsen. 2012 ging der Betrieb pleite, wurde dann aber vom Milliardär Stefan Quandt gerettet und umprofiliert. Seitdem ist das verlustreiche Unternehmen auf die Zuschüsse vom BMW-Erben angewiesen. Die Modul-Produktion macht zwar laut Neuhaus inzwischen wieder Gewinne. Diese Überschüsse fressen aber die beiden anderen, noch im Aufbau befindlichen neuen Geschäftsfelder „Energiespeicher“ und „Energiemanagement“ auf. „Aber das ist auch so mit unserem Gesellschafter abgesprochen“, betont der Geschäftsführer und verspricht: 2020 soll Solarwatt endlich aus den Verlusten herauskommen.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt