Hirschbiegel Drama skizziert Hitler-Attentäter in persönlich-biografischer Deutung
Um einen drohenden Weltenbrand im Funken auszutreten, zündete der Schreiner Georg Elser vor 76 Jahren, am 8. November 1939, im Bürgerbräu-Keller in München eine selbstgebaute Bombe. Der Sprengsatz tötete letztlich acht Menschen, nicht aber Adolf Hitler, der den Ort 13 Minuten zu früh verlassen hatte. Die Gestapo nahm Elser rasch fest, folterte ihn, sperrte ihn ins KZ Dachau, wo ihn die Kugel des Henkers am 9. April 1945 traf – wenige Wochen vor dem Kriegsende. Wie das alles kam und warum ein überzeugter Christ wie Georg Elser zum Tyrannenmord schritt, erkundet Oliver Hirschbiegels Drama „Elser – Er hätte die Welt verändert“, das nun auf DVD und Bluray erschienen ist.
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Lange als „wirrer Einzeltäter“ abgetan
Elser selbst stand jahrzehntelang in der öffentlichen Wahrnehmung der Deutschen ganz im Schatten der organisierten Widerständler um Stauffenberg: Wenn man sich überhaupt an ihn erinnerte, dann als wirren Einzeltäter – ein Bild, das in der Nazi-Zeit entstand. Vor allem „Georg Elser – Einer aus Deutschland“ von und mit Klaus Maria Brandauer revidierte 1989 bereits für ein breiteres Publikum dieses schiefe Bild, zeigte den Attentäter als politisch und planvoll handelnden Antifaschisten.
Wie der Gewaltverächter zum Attentäter wird
Eine persönlichere, stärker biografisch geprägte Perspektive wählt Hirschbiegel nun in seiner Deutung. Sein Elser, verkörpert von Christian Friedel („Das weiße Band“), hat viele Facetten: Er ist ein lustiger Draufgänger, ein Musikus, der erotischen Abenteuern nicht abgeneigt ist, der mit der verheirateten Elsa (beeindruckend: Katharina Schüttler) anbändelt, die Freiheit liebt, oft auch unentschlossen agiert. Der lange überzeugt ist: „Gewalt hat nie etwas geändert.“ Aber eben auch als Menschen, der seinen Prinzipien treu zu bleiben versucht, den Hitlergruß verweigert, schließlich den Weg des Tyrannenmörders einschlägt: Der Hitler muss weg, sonst geht alles den Bach runter.
Parallele Erzählstruktur
Dabei wählt Hirschbiegel („Der Untergang“) eine Parallel-Erzählstruktur: Während der mal brutalen, mal trickreichen Verhöre durch Gestapo-Chef Heinrich Müller (Johann von Bülow) und Reichskriminaldirektor Arthur Nebe (facettenreich: Burghart Klaußner) erinnert sich Elser an all jene Schritte und Wendungen in seinem Leben, die zur Bombe im Hofbräu führten. Durch diese Erzählweise rückt Elser dem Zuschauer näher und näher – und führt uns zwangsläufig zur Frage: Was hätte ich an seiner Statt getan?
Interessantes Bonusmaterial
Der Zuschauer sollte sich übrigens auch die Zeit für die Bonussektion der Silberscheibe nehmen: Regisseur Hirschbiegel erläutert dort die Ansätze für seine Elser-Deutung, außerdem sind geschnittene Szenen und Interviews mit Mimen und Machern beigefügt.
Autor: Heiko Weckbrodt
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„Elser – Er hätte die Welt verändert“ (Eurovideo / NFP), historisches Drama, Deutschland 2015, Regie: Oliver Hirschbiegel, mit Christian Friedel, Katharina Schüttler und Burghart Klaußner, FSK 12, 114 Minuten (Bluray-Fassung), DVD 13 Euro, Bluray 15 Euro
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