
Margit Schönhöfer war früher Deutschlehrerin – jetzt bringt sie ehrenamtlich im Gemeindesdaal der Versöhnungskirche Dresden-Striesen Flüchtlingen Deutsch-Grundkenntnisse bei. Zu ihren Schülern gehört auch der Syrer Mazlum Baker, der auf ein sicheres Leben in Deutschland gehofft hatte – nun droht ihm die Abschiebung. Foto: Peter Weckbrodt
Kriegsflüchtling Mazlum Baker wollte sich in Sachsen eine neue Zukunft aufbauen, doch nun droht die Abschiebung
Inhalt
- 0.1 Kriegsflüchtling Mazlum Baker wollte sich in Sachsen eine neue Zukunft aufbauen, doch nun droht die Abschiebung
- 0.2 Versöhnungsgemeinde organisiert Deutschkurs für Asylbewerber
- 0.3 Woher kommst Du?
- 0.4 „Ich war verzweifelt“
- 0.5 Schlepper kassierten 2500 € pro Kopf
- 0.6 Per Anhalter von Bulgarien nach Deutschland
- 0.7 Deutschland lockt mit Wohlstand, Recht und Gesetz
- 0.8 Lieber zurück in die Trümmerwüste als nach Bulgarien
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Dresden. Um Flüchtlingen das Gefühl zu geben, in Dresden wirklich willkommen und keine morgenländischen Bösewichte zu sein, haben engagierte Gemeindemitglieder der Versöhnungskirche in Dresden-Striesen einen Deutschkurs für Asylbewerber ins Leben gerufen. Unterstützt von ehrenamtlichen Betreuern und Lehrern, lernen die Männer und Frauen aus dem Nahen Osten und Nordafrika hier Deutsch, um den Alltag in der für sie so fremden Stadt zu bewältigen. Einer von ihnen ist der Frisör Mazlum Baker, der aus dem syrischen Aleppo nach Sachsen kam, um dem Bürgerkrieg daheim zu entkommen. Inzwischen weiß er, dass er in Dresden nicht bleiben darf.
Versöhnungsgemeinde organisiert Deutschkurs für Asylbewerber
„A, B, C – die Katze läuft im Schnee“ schallt es durch den Gemeindesaal in Dresden-Striesen. „Und als nach Haus sie wieder kam, da hat sie weiße Stiefel an…“ Es sind keine Kinder, die dem Ruf zur Versöhnungskirche gefolgt sind, um hier das Alphabet zu singen, sondern erwachsene Männer und Frauen. Viele von ihnen sind Muslime. Den meisten sieht man an, dass sie nicht in Dresden oder überhaupt in unseren Breitengraden geboren wurden. Flüchtlinge, die ihrer Heimat den Rücken gekehrt haben, um in Deutschland Schutz und Asyl zu finden. Die in Dresden gelandet sind. In der Stadt, an der erst am Vorabend wieder Tausende durch die abendliche Innenstadt zogen, weil sie eine Islamisierung des Abendlandes wittern.

Die Gemeindemitglieder haben die Unterrichtsmittel für die Flüchtlinge selbergebastelt, darunter auch Schautafeln und CDs. Foto: Peter Weckbrodt
Woher kommst Du?
„O jemine! O jemine! Die Katze lief im Schnee“, tasten sich die zehn Asylbewerber an diesem Dienstagvormittag an das deutsche Alphabet heran. Kaum einer von ihnen hat je zuvor Deutsch gesprochen, die meisten hier am Tisch sind mit Arabisch oder Persisch als Muttersprache aufgewachsen. Als das Lied ausgesungen ist, zeigt die ehemalige Deutschlehrerin Margit Schönhöfer auf einen Zettel, den sie mit beigen Streifen an den Wandschrank geklebt hat. „Wie heißt Du“, liest die Asylklasse im Chor laut ab. „Woher kommst Du?“
„Ich war verzweifelt“
Während Mazlum Baker zusammen mit den anderen diese Frage in der fremden Sprache intoniert, mögen seine Gedanken wohl öfter um seine Heimat kreisen, in die er vielleicht bald zurückkehren muss. Doch Aleppo, die 4000 Jahre alte Stadt, liegt längst in Trümmern. Seit einigen Tagen kennt der 25-jährige Syrer die Bilder vom zerbombten Dresden anno 1945. So sähe es jetzt in seiner Heimatstadt aus, sagt er. Dort hat er seine Familie, den Vater und die Geschwister zurückgelassen. Lange hatte trotz des Krieges in der zerstörten Stadt ausgeharrt, hatte immer wieder versucht, Medizin für seine herzkranke Mutter zu bekommen. Doch die Türken, an die er sich wandte, verweigerten im die lebensnotwendigen Medikamente – und seine Mutter musste sterben. „Ich war verzweifelt“, erzählt der gelernte Frisör und Schneider.

Bilder aus dem kriegszerstörten Syrien. Foto: arche noVa
Schlepper kassierten 2500 € pro Kopf
Tolle Frisuren braucht in der zerbombten Handelsmetropole im Norden Syriens längst keiner mehr – und so kratzte Mazlum Baker seine Ersparnisse zusammen und drückte gemeinsam mit einem Weggefährten einem Schlepper 5000 Euro in die Hand. Die Schleuser brachten die beiden zusammen mit anderen Flüchtlingen mit Lastern über die türkische Grenze nach Bulgarien. Dort landete der Syrer gleich erstmal für einen Monat im Gefängnis. Dann wurde er aufgefordert, einen Asylbewerberantrag zu stellen. Tatsächlich erhielt er danach einen bulgarischen Pass. Aber, so sagt Baker, in Bulgarien habe er unmöglich bleiben können: keine Arbeit, kein Geld, keine Wohnung, nichts zu Essen. Eben absolut Nichts.

Im Gemeindesaal der Dresdner Versöhnungskirche sitzen die Asylbewerber zusammen mit ihrenb ehrenamtlichen Betreuern im Deutsch-Unterricht. Foto: Peter Weckbrodt
Per Anhalter von Bulgarien nach Deutschland
Deshalb sei er im März 2014 per Anhalter mit dem Auto weiter nach Deutschland gefahren. Von München über Hoyerswerda kam er nach Dresden. Hier wohnt er jetzt im Asylheim in der Florian-Geyer-Straße in einer Zwei-Raum-Wohnung. Immerhin habe einen Raum für sich allein. In das andere Zimmer teilten sich zwei Afghanen. Miete und Strom bekomme er umsonst, zum Leben außerdem 330 Euro monatlich.
Deutschland lockt mit Wohlstand, Recht und Gesetz
Eigentlich fühlt sich Baker in Dresden wohl. Er schätze Deutschland wegen seines Wohlstandes und weil hier Recht und Gesetz gelten, erklärt er. Er möchte arbeiten, sich eine Zukunft gestalten. Wenn da nicht das große Aber wäre: Sein Asylantrag wurde bereits zweimal abgelehnt, ihm drohe die Abschiebung – nach Bulgarien! Hintergrund ist eine europäische Reglung, laut der Flüchtlinge in dem Land Asyl beantragen müssen, in dem sie den EU-Raum betreten haben.
Lieber zurück in die Trümmerwüste als nach Bulgarien
Aus seiner Verzweiflung macht Mazlum Baker keinen Hehl: „Werde ich nach Bulgarien abgeschoben, gehe ich lieber zurück nach Syrien. In Bulgarien sterbe ich, das weiß ich.“ Autor: Peter Weckbrodt
-> Deutschkurs für Asylbewerber, jeden Dienstag und Freitag 10 bis 11.30 Uhr, Gemeindesaal der Versöhnungskirche Dresden, Schandauer Straße 35; Informationen durch Aushänge im Sozialamt (gleich gegenüber) und in den Wohnheimen
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