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Heliatek Dresden geht 2020 an die Börse

Thibaud Le Séguillon ist der Chef von Heliatek Dresden. Foto: André Wirsig für die Heliatek GmbH

Thibaud Le Séguillon ist der Chef von Heliatek Dresden. Foto: André Wirsig für die Heliatek GmbH

Unternehmen will mit Erlös weltweit zehn Fabriken für organische Elektronik bauen

 

Dresden, 14. März 2018. Heliatek Dresden gilt als weltweiter Technologieführer für organische Solarzellen. Anders als klassische Photovoltaik-Paneele aus Silizium sind diese Solarfolien sehr leicht, bei Bedarf auch biegsam und transparent. Und sie funktionieren selbst im Halbschatten und auf nahezu jeder Oberfläche. Trotz dieser faszinierenden Technologie macht die Ausgründung der Unis Dresden und Ulm allerdings zwölf Jahre nach dem Start immer noch keine Gewinne. Der Schritt von der Kleinserie zur Massenproduktion ist anscheinend schwieriger als zunächst gedacht. Oiger-Reporter Heiko Weckbrodt hat Heliatek-Chef Thibaud Le Séguillon befragt, woran das liegt, wie sich das Unternehmen frisches Geld besorgen will und wie es dann weitergeht.

Seit etwa drei Jahren testen Sie weltweit Pilotanwendungen für organische Solarzellen. Wird es nicht langsam Zeit, etwas davon in die Serienproduktion zu überführen?

Thibaud Le Séguillon: In Frankreich haben Installateure im November auf einer Schule 500 Quadratmeter unserer Solarfolien verlegt – das war so einfach wie einen Teppich auszurollen. Das zeigt: Wir haben hier ein Hightech-Produkt, das ganz einfach und schnell zu installieren ist. Und wenn mehr Schulen in der Präfektur unsere Solartechnik wollen, kann das ein großer Auftrag werden. Außerdem werden im Mai unsere Solarfolien in Paris mit ca. 800 Quadratmeter an einem sehr promimenten Platz in der Innenstadt angebracht. Und demnächst bekommt der größte Inlandhafen Europas rund 200 Quadratmeter Solarfolie von uns. Wir erhoffen uns darauf aufbauend weitere Projekte, die ein Potenzial von bis zu einer Million Quadratmeter bieten. Sie sehen also: Unsere Projekte werden bereits größer. Und ich bin überzeugt: Der Markt für unsere Produkte ist da. Aber die Baubranche, auf die wir uns derzeit fokussieren, ist eben eine konservative Branche. Die braucht ihre Zeit. Das Ziel der derzeitigen Solarfolienproduktion war zunächst, die richtigen Teilmärkte und Anwendungsfelder zu finden. Mit der neuen Produktionsanlage, die in 2019 in Betrieb genommen wird, werden wir in die Serienproduktion einsteigen.

Warum die Baubranche?

Thibaud Le Séguillon: Wir konzentrierten uns da besonders auf Fassaden und Dachflächen von Gebäuden, die aus statischen Gründen keine traditionellen Solarpaneele tragen können. Dort spielen unsere Solarfolien einen ihrer Vorteile ganz klar aus: Sie wiegen nur ein Kilogramm pro Quadratmeter, klassische Photovoltaik-Lösungen auf Siliziumbasis kommen da auf 15 Kilo.

Die organischen Solarfoliien auf der Traglufthalle in Berlin sollen im Pilotversuich zunächst 5 % des Strombedarfs aus Sonnenenergie decken. 2016 sollen die ersten vollständnig selbstversorgenden Hallen marktreif sein. Foto: Heliatek

Organische Solarfoliien auf einer Traglufthalle in Berlin. Foto: Heliatek

Außerdem gibt es mit Blick auf Klimawandel und Energiewende viele größere Unternehmen, die abrechenbare Beiträge für den Umweltschutz leisten wollen. Eine Möglichkeit ist der Einsatz unserer Solartechnik. Die hat im Materialverbrauch, in der Produktion und natürlich im Betrieb den geringsten Verbrauch kohlenstoffbasierter Energieträger. So kann man zum Beispiel gegenüber dem deutschen Strommix rund 96 % an klimaschädlichen CO2 einsparen. Deshalb war und ist es richtig, sich auf Geschäftskunden zu orientieren.

Ich hatte ja gehofft, demnächst mal etwas von Ihnen im Baumarkt kaufen zu können?!

Thibaud Le Séguillon: (Lächelt) Warten Sie mal noch ein paar Jahre. Dann können sie unseren HeliaFilm oder HeliaSol vielleicht auch schon bei Obi kaufen. Wir bekommen ständig neue Vorschläge, was man mit unserer Solarfolie machen könnte: auf Autos, Booten und Sonnenschirmen oder um eBuch-Lesegeräte wie den Kindle energieautark zu machen… Aber das heben wir uns für später auf.

Die Heliatek-Fabrik Dresden kann durch ein spezielles Verfahren organsiche Solarfolien im Rolle-zu-Rolle-Betrieb herstellen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die angestrebte Massenproduktion. Foto: Heliatek

Blick in die Heliatek-Fabrik Dresden Foto: Heliatek

Wir stark ist denn ihre Pilotproduktion überhaupt ausgelastet?

Thibaud Le Séguillon: Etwa zu 50 Prozent.

Oh. Das klingt nicht nach Gewinnen.

Thibaud Le Séguillon: Wir machen unter einer Million Euro Jahresumsatz und ja: Wir schreiben immer noch Verluste.

Wie wollen Sie das ändern? Wie sieht Ihr Plan für dieses Jahr aus?

Thibaud Le Séguillon: Im Moment haben wir 110 Mitarbeiter. 60 weitere wollen wir in diesem Jahr einstellen, weil wir hier gerade unsere Fabrik 2 hochfahren. In der zweiten Jahreshälfte 2019 soll die neue Fab liefern. Ein Jahr später, also 2020, wollen wir die ersten Gewinne machen.

Ein Heliatek-Mitarbeiter prüft in der Dresdner Fabrik ein organisches Solarmodul. Seit zwei Wochen spuckt die Anlage funktionsfähige Muster aus, in zwei Monaten sollen verkaufsfähige Produkte bereit stehen. Abb.: Heliatek

Ein Heliatek-Mitarbeiter prüft in der Dresdner Fabrik ein organisches Solarmodul. Abb.: Heliatek

Bis dahin dürfte aber das bisher eingesammelte Risikokapital nicht mehr reichen.

Thibaud Le Séguillon: Wir bereiten jetzt eine weitere Finanzierungsrunde vor. In der zweiten Jahreshälfte 2018 wollen wir dabei rund 50 Millionen Euro von Investoren einsammeln. Wir sprechen diesmal gezielter Finanziers aus der Bauindustrie, auch Fassadenproduzenten und Dachinstallateure als mögliche Geldgeber an. Das ist aber nur die erste Hälfte des Plans.

Und was ist Teil 2?

Thibaud Le Séguillon: 2020 gehen wir an die Börse. Dabei wollen wir einige Hundert Millionen Euro erlösen.

Haben Sie schon einen Börsenplatz ausgesucht?

Thibaud Le Séguillon: Frankfurt gilt als nicht so technologie-affin, deshalb wären wir normalerweise wohl in London an die Börse gegangenen. Wenn da der Brexit nicht wäre (seufzt). Wir denken auch über Paris, Amsterdam oder New York nach, entschieden ist aber noch nichts.

Was wollen Sie mit dem Geld aus dem Börsengang anfangen? Der dürfte mehr als die laufenden Betriebskosten decken?

Thibaud Le Séguillon: Wir wollen zehn solche Fabriken wie die Fab 2 bauen, die wir hier gerade einrichten.

Wo sollen diese Fabriken stehen? Und: Bleiben Sie in Dresden?

Thibaud Le Séguillon: Dresden ist für uns ein sehr guter Ort: Ich bin immer wieder beeindruckt von der Unterstützung, die wir hier in Dresden und Sachsen finden. Auch können wir hier immer wieder gute Leute finden. Und Dresden ist – neben Korea – einer der besten Plätze weltweit für organische Elektronik. Unsere Kernprozessschritte, das sogenannte „Frontend“, weiter in Dresden zu konzentrieren, liegt daher nahe. Womöglich wird es weitere Frontend-Fabriken auch an Technologiestandorten in Singapur, Taiwan, Japan und in den USA geben. Die Endmontage, das „Backend“, wird sich dagegen wohl stärker dorthin orientieren, wo unsere Kunden, wo die Anwender unserer Produkte sitzen: in Dubai zum Beispiel, in China oder der Türkei.

Auf welchem Stand sehen Sie Heliatek in zehn Jahren?

Thibaud Le Séguillon: (Überlegt kurz, richtet sich dann auf): Wir werden bis dahin neue Geschäftsfelder erschlossen haben. Dann wird Heliatek neben der Bausparte auch Abteilungen haben, die organische Solarlösungen für Konsumgüter, für Verkehrsmittel und für elektronische Geräte entwickeln. Und wir werden dann auch Zulieferer für Industriefirmen sein, die unser Material und Know-How einkaufen, um ganz eigene Produkte zu entwickeln. Ich denke, in zehn Jahren wird Heliatek über 1000 Mitarbeiter haben und Milliarden-Umsätze machen.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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