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Magnetischer Blick in Stahlschmelzen und Planetenkerne

Das Bild visualisiert einen Zylinder mit Magnetfeldsonden und den Blick hinein turbulente temperaturgetriebene Strömungen in einem Flüssigmetall. Visualisierung: B. Schröder/HZDR

Das Bild visualisiert einen Zylinder mit Magnetfeldsonden und den Blick hinein turbulente temperaturgetriebene Strömungen in einem Flüssigmetall. Visualisierung: B. Schröder/HZDR

Helmholtz Dresden macht Chaoswirbel in flüssigen Metallen sichtbar

Dresden, 12. März 2024. In eine Stahlschmelze oder gar in den flüssigen äußeren Erdkern hineinzuschauen, ist für menschliche Augen nicht möglich – obwohl der Blick zweifellos interessante Erkenntnisse über die turbulenten Prozesse darinnen liefern könnte. Dresdner Helmholtz-Forscher wollen dies ändern und haben eine Art magnetischer „Durchleuchtung“ für flüssige Metalle entwickelt: Mit der „kontaktlose induktive Strömungstomographie“ (englisch als „CIFT“ abgekürzt) kann das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) nun „ein detailliertes dreidimensionales Abbild einer turbulenten temperaturgetriebenen Strömung in einem Flüssigmetall“ abbilden.

Zylinder mit Dutzenden Magnetsensoren gespickt

Dafür haben sie eine 64 Zentimeter hohen Zylinder mit 68 Magnetfeld-Sensoren gespickt und mit einer Gallium-Indium-Zinn-Legierung gefüllt, die bei 10 Grad Celsius schmilzt. Dann haben sie dieses Metall verflüssigt, indem sie den Zylinderboden erhitzt und den Deckel gekühlt haben. Dabei entsteht eine Konvektionsströmung ähnlich wie bei Wetterphänomenen in der Luft: Das Flüssigmetall am Boden dehnt sich aus, steigt auf, während die kühlere, dichtere Metallsuppe weiter oben absinkt.

Strömung wird zunehmend turbulent

„Überschreitet der Temperaturunterschied eine bestimmte Grenze, wird der Wärmetransport drastisch erhöht“, erklärt Teamleiter Dr. Thomas Wondrak vom HZDR-Institut für Fluiddynamik. „Anfangs bildet sich eine regelmäßige Zirkulation aus, aber bei höheren Temperaturdifferenzen wird die Strömung zunehmend turbulent. Diese dann auch korrekt dreidimensional abzubilden, ist eine Herausforderung.“

Äußeres Magnetfeld löst Ströme in der Metallschmelze aus

Und hier kommen nun die Sensoren ins Spiel: Die Forscher legen von außen ein Magnetfeld an, induziert das in der bewegten Metallflüssigkeit Ströme. Diese Wirbelströme wiederum verändern das von außen angelegte Magnetfeld. Diese Feld-Änderungen messen die Sensoren, Computer visualisieren aus diesen Messdaten dann die Strömungen im undurchsichtigen Metall.

Empfindliche Messungen vorzugsweise nachts

Die Wissenschaftler messen übrigens immer nur nachts, um die kleinen Störungen zu vermeiden, die tagsüber oft durch ein- und ausgeschaltete elektrische Geräte ringsum entstehen. Denn bei einem Erregerfeld von einem Millitesla liegt das zu messende strömungsinduzierte Magnetfeld in einer Größenordnung von 0,1 Mikrotesla, ist also 10.000 Mal schwächer. Zum Vergleich: Das Erdmagnetfeld, das auch erfasst und von den Werten der Messung abgezogen wird, ist etwa 50 Mikrotesla stark.

Selbst Computer scheitern an Simulation solch komplexer Prozesse

Die so erlangten Messdaten seien einzigartig, betonen die HZDR-Forscher, „da numerische Simulationen für dieselben Strömungsparameter mit vergleichbarer Dauer selbst im heutigen Zeitalter der Hochleistungscomputer nicht in vertretbarer Zeit durchführbar sind“.

Neue Erkenntnisse in Astrophysik, für Mikroelektronik und neue Akkus erhofft

Wichtig sind diese Durchleuchtungsmethoden wiederum, um solche Simulationen zu überprüfen, Prozesse in Planeten und Sternen besser zu verstehen oder in der Geophysik weiterzukommen. Und das Wissen über die „Wirbelstürme“ in flüssigen Metallen kann womöglich auch dabei helfen, den Energieverbrauch in der Stahlproduktion und bei der Silizium-Kristallzucht für die Mikroelektronik zu mindern oder auch um künftige Flüssigmetall-Akkus langlebiger und effizienter zu bauen.

Autor: hw

Quelle: HZDR

Wissenschaftliche Publikation:

„Three-dimensional flow structures in turbulent Rayleigh–Bénard convection at low Prandtl number Pr = 0.03“ von T. Wondrak, M. Sieger, R. Mitra, F. Schindler, F. Stefani, T. Vogt und S. Eckert, in: „Journal of Fluid Mechanics“, 2023, DOI: 10.1017/jfm.2023.794

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt