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Kritik an EU-„Medienfreiheitsgesetz“: Aus Regulierung entsteht keine Freiheit

Vietnam hat die Internetzensur verschärft. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Medienverbände kritisieren, dass die EU-Kommission mit ihrem geplanten „Medienfreiheitsgesetz“ in der Praxis die Pressefreiheit und den freien Zugang zu nicht genehmen Meinungen im Internet weiter einschränken will. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Verbände BDZV und MVFP warnen vor Angriff auf Pressefreiheit durch EU-Kommission

Berlin/Brüssel, 16. Dezember 2023. Als Schritt hin zu Zensur und weniger Pressefreiheit haben Medienverbände den nun vorgelegten Trilog-Entwurf für ein sogenannte „Medienfreiheitsgesetz“ der EU kritisiert. „Aus Medienregulierung ist noch nie mehr Medienfreiheit entstanden“, warnten der „Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger“ (BDZV) und der „Medienverband der freien Presse“ (MVFP) in Berlin.

Übernationales Aufsichtsgremium geplant

Der sogenannte „European media freedom act“ sieht unter anderem ein „Europäisches Gremium für Mediendienste“ (kurz: „Gremium“) vor, das als eine Art übernationale Aufsichtsbehörde gedacht ist. Zudem will die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen auch direkte Eingriffsrechte in die Pressefreiheit im Gesetz verankern. So heißt es in Artikel 25 des Kommissionsentwurfes: „Die Kommission stellt eine unabhängige Überwachung des Binnenmarkts für Mediendienste sicher… Die Überwachung umfasst Folgendes: a)eine detaillierte Analyse der Resilienz der Medienmärkte aller Mitgliedstaaten, auch im Hinblick auf den Grad der Medienkonzentration und auf die Risiken der Manipulation von Informationen und der Einflussnahme aus dem Ausland.

Das Hauptquartier der EU im Berlaymont-Gebäude in Brüssel. Foto: EU-Presseservice

Das Hauptquartier der EU im Berlaymont-Gebäude in Brüssel. Foto: EU-Presseservice

Kommission will Zensur von Nicht-EU-Inhalten verankern

Und in Artikel 12 heißt es zu den Aufgaben den EU-Aufsichtsgremiums unter Buchstabe „K“ unter anderem, es solle „nationale Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verbreitung von oder dem Zugang zu Inhalten von Mediendiensteanbietern mit Sitz außerhalb der Union“ koordinieren, „die auf Zielgruppen in der Union ausgerichtet sind, sofern deren Tätigkeiten eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr der Beeinträchtigung für die öffentliche Sicherheit und Verteidigung darstellen.“

Parallele zur DDR-Rechtstrickserei liegt nahe

All diese Formulierungen erinnern sehr an die allgemeinen Auffangtatbestände, mit der die SED seinerzeit – obwohl die DDR-Verfassung in Artikel 27 auch die Meinungs- und Pressefreiheit pro forma verankerte – doch unter Verweis auf „Ordnung“, Sicherheit“, ausländische Agententätigkeit et cetera die selbe Presse- und Meinungsfreiheit in der Praxis aushöhlte.

Behördlicher Aufsicht über Presse und Zensuraufgaben für Google und andere Privatakteure

Entsprechend fällt auch die Kritik der Verleger- und Presseverbände am EU-Gesetzentwurf deutlich aus: Das Gesetz breche gleich mehrfach mit Grundsätzen der Pressefreiheit, heißt es in der Stellungnahme. Es werde eine behördliche Aufsicht über die Presse etabliert, bei der auch noch die EU-Kommission mitreden wolle. Zudem sollen Verlage nicht mehr über redaktionelle Inhalte entscheiden dürfen, aber weiter für alle Inhalte voll verantwortlich sein. Und für das Plattforminternet werde die Zensur legaler Presseveröffentlichungen durch Google und Co. gesetzlich gebilligt und festgeschrieben. Zwar habe die Trilog-Verhandlung von Vertretern des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union und der Europäischen Kommission “noch Schlimmeres verhindert”. Dennoch sei die nun erzielte Einigung vor allem mit Blick auf künftige drohende Verschärfungen der Regulierung besorgniserregend. „Falls sich unsere Befürchtungen bewahrheiten, sollte Deutschland alles daransetzen, um die politische Billigung des heutigen Kompromisses zu verhindern und die notwendigen Verbesserungen anmahnen.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Foto: Heiko Weckbrodt

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Foto: Heiko Weckbrodt

EU-Chefin schon früher als „Zensursula“ kritisiert

Ursula von der Leyen (CDU) hatte sich bereits als deutsche Familien-Ministerin und später als Kommissionspräsidentin wiederholt als Vertreterin starker Regulierung von Internet, Meinungs- und Pressefreiheit profiliert, beispielsweise bei Debatten um Internet-Sperren unter der Flagge des Kampfes gegen Kinderpornografie und Fremdenfeindlichkeit oder um einen EU-Urheberrechtschutz. Das trug ihr schon damals in Teilen der Internet-Gemeinde scharfe Kritik. Gegendemonstrationen und den Spitznamen „Zensursula” ein. Auch tat sie sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine als Befürworterin eines Verbots von „Russia Today”, „Sputnik” und anderen russischen Medien in der EU hervor, damit die mündigen EU-Bürger nichts von den „Lügen” der Gegenseite erfahren.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: BDZV, MVFP, Twitter, Wikipedia, EU-Kommission, netzpolitik.org, Oiger-Archiv, documentarchiv.de

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt