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Neuro-Feedback kann Fress-Anfälle zügeln

fNIRS-Neurofeedback: Auf dem Monitor sehen die Teilnehmenden Bilder von Nahrungsmitteln, die während eigener Essanfälle gegessen wurden. Ziel ist es, die Nahrungsbilder zu verkleinern, indem die Hirnaktivität in individuell bestimmten Hirnarealen des präfrontalen Kortex erhöht wird, um die kognitive Kontrolle in Bezug auf die dargestellten Nahrungsmittel zu erhöhen und somit Essanfälle zu reduzieren.Foto: Ricarda Schmidt für die Uni Leipzig

fNIRS-Neurofeedback: Auf dem Monitor sehen die Teilnehmenden Bilder von Nahrungsmitteln, die während eigener Essanfälle gegessen wurden. Ziel ist es, die Nahrungsbilder zu verkleinern, indem die Hirnaktivität in individuell bestimmten Hirnarealen des präfrontalen Kortex erhöht wird, um die kognitive Kontrolle in Bezug auf die dargestellten Nahrungsmittel zu erhöhen und somit Essanfälle zu reduzieren.
Foto: Ricarda Schmidt für die Uni Leipzig

Leipziger Verhaltensmedizinerin legt Studien-Ergebnisse zum „Binge-Eating“ vor

Leipzig, 14. Dezember 2023. Gegen Fressattacken (neudeutsch: „Binge-Eating“), bei denen ohnehin schon übergewichtige Menschen völlig unkontrolliert große Mengen an Speisen in sich hineinstopfen, helfen besondere gehirnwellen-gesteuerte Rückkopplungs-Übungen („Neuro Feedback“). Dabei müssen die Fresswütigen Lebensmittel-Bilder auf Computerbildschirmen per Gedankenkraft verkleinern und dabei bestimmte Hirn-Regionen trainieren. Das hat ein Team um die Verhaltensmedizinerin Prof. Anja Hilbert von der Uni Leipzig durch Experimente herausgefunden.

Prof. Dr. Anja Hilbert.Foto: Stefan Straube für das UKL Leipzig

Prof. Dr. Anja Hilbert.
Foto: Stefan Straube für das UKL Leipzig

Kontrollverlust beim Essen

Hintergrund: Manche Menschen verlieren die Kontrolle darüber, was und wie viel sie essen. Starkes Übergewicht ist oft die Folge dieser psychischen Erkrankung. „Der Kontrollverlust führt zu psychischem Leid“, erklärt Anja Hilbert. „Den Betroffenen fällt es schwerer als anderen, ihre Essimpulse zu kontrollieren. Die Selbstregulation ist beeinträchtigt.“

Hirnsignale per EEG oder Infrarot visualisiert

Um dagegen eine Therapie zu entwickeln, verordneten sie ausgewählten Patientinnen binnen zwei Monaten zwölf einstündige Sitzungen Neurofeedback. Für diese Rückkopplungstechnik setzten sie Elektroenzephalographie (EEG) oder alternativ „funktionelle Nahinfrarotspektroskopie“ (fNIRS) ein, um die Hirnströme der Probanten ohne äußere Eingriffe auszumessen. Die Patientinnen konnten dann durch diese sichtbar gemachten Hirnsignale steuern, wie groß zum Beispiel Schokolade oder andere Lebensmittel auf Bildschirmen aussahen. Dabei sollten sie bestimmten Hirnregionen trainieren, die für die Esskontrolle verantwortlich sind.

6 Monate später verbesserte sich Kontrolle beim Heißhunger

Die Effekte zeigten sich sechs Monate nach Therapie-Ende: Den Probantinnen gelang es fortan besser, beim Anblick bestimmter Leckereien diesen zu widerstehen. Sowohl das EEG- wie auch das fNIRS-Neurofeedback verbesserte die Ess-Kontrolle. „Auch Heißhunger, Ängste und der Body-Mass-Index der Teilnehmenden waren nach beiden Neurofeedback-Therapien stärker verbessert als bei den Patientinnen auf der Warteliste.“ Den zeitlichen Abstand von Therapie und Wirkung deuten die Forscherinnen als „eine verzögerte Wirkung nach dem Hirntraining“.

Ergänzung statt Ersatz für Psychotherapie

Allerdings werde das Verfahren die bisher eingesetzte Psychotherapie in solchen Fällen wohl nicht verdrängen. „Aus klinischer Sicht sprechen die im Vergleich zur Psychotherapie geringer ausfallenden Effekte eher für einen begleitenden als alleinigen Einsatz von nahrungsspezifischem Neurofeedback in der Behandlung der Binge-Eating-Störung, zum Beispiel während kognitiver Verhaltenstherapie“, meint Professorin Hilbert.

Autor: Oiger

Quelle: Uni Leipzig

Wissenschaftliche Publikation:

„Near-infrared spectroscopy and electroencephalography neurofeedback for binge-eating disorder: an exploratory randomized trial“ von Anja Hilbert, Sarah Alica Rösch, David Petroff, Christiane Prettin, Michael Lührs, Ann-Christin Ehlis und Ricarda Schmidt, in: „Psychological Medicine“, 11-23, Fundstelle im Netz: https://doi.org/10.1017/S0033291723002350

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt