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Prognose: Sensordichte im Alltag wächst weiter

Mems-Lautsprecher von Arioso mit Ohrhörer im Hintergrund. Foto: Arioso

Mems-Lautsprecher von Arioso mit Ohrhörer im Hintergrund. Foto: Arioso

Bosch Sensortec arbeitet an Sensoren, die Treppenstufen per Luftdruck unterscheiden, und automatischen Waldbrand-Erahnern

Dresden, 1. November 2023. Was haben Quantentunnel, Treppenstufen und Aale gemeinsam? Nun sie waren Gesprächsthemen beim jüngsten Mikrosystemtechnik-Kongress in Dresden, auf dem rund 500 Branchenvertreter unter anderem auch die neuesten Fortschritte in der Sensortechnologie diskutiert haben. Dabei prognostizierte Bosch-Sensortec-Chef Stefan Finkbeiner, dass die Sensor- und Mikrosystem-Dichte in den nächsten Jahren sowohl in der Industrie wie auch im Verkehrssektor und im Alltag nahezu jedes Endverbrauchers noch einmal deutlich steigen wird.

Kaum einer schnüffelt besser als der Aal

Unter anderem arbeiten die Bosch-Labore in Reutlingen und Dresden an stark verbesserten Magnetfeld-, Druck- und Gassensoren, die bald ähnliche Empfindlichkeiten erreichen sollen wie es natürliche Sinne vermögen – nur eben zuverlässiger. Als Beispiele nannte Finkbeiner die Magnetfeld-Navigation von Bienen, die luftdruck-orientierte Wetterfühligkeit von Möven oder die Fähigkeit von Aalen, wenige Moleküle einer chemischen Substanz aufzuspüren: Theoretisch wären sie imstande, wenige Tropfen Parfüm in einem ganzen See zu riechen.

3D-Ortung in GPS-freien Räumen per Luftdruck-Sensor

Ähnliche Präzision versuchen die Bosch-Ingenieure etwa durch neue kapazitive Membran-Drucksensoren zu erreichen, die so genau sind, dass sie den Luftdruckunterschied zwischen zwei Treppenstufen messen können. Als Anwendungsmöglichkeiten sieht Finkbeiner unter anderem Kalorienzähler in Sportkleidung oder die dreidimensionale Ortung und Navigation in Innenräumen: So könnten zum Beispiel in Einkaufszentren, in denen kein GPS funktioniert, die neuen Drucksensoren für Orientierung sorgen, bei Evakuierungen in den einzelnen Stockwerken verstreute Menschen finden oder Besucherströme lotsen.

Tunnelbarriere im Magnetsensor nur wenige Pikometer dünn

Große Fortschritte in puncto Präzision haben laut Finkbeiner auch die Magnetsensoren gemacht: Sie basieren inzwischen quantenmechanischen Effekten wie dem magnetischen Tunnelwiderstand, durch die besonders genaue Feldmessungen möglich sind. Die Tunnelbarriere in diesen „Mikroelektromechanischen Systemen“ (Mems) gehört mittlerweile zu den feinsten Strukturen, sie ist nur wenige Pikometer (Billionstel Meter) dünn.

Automatische Waldbrandwarner und Fahrrad-Navi in der Brille

Auch arbeiten die Bosch-Sensortec-Ingenieure gemeinsam mit einer Berliner Firma an Gassensoren, die künftig an Bäume geheftet werden sollen, um – gekoppelt mit einer KI in der Edge-Cloud – bei entstehenden Waldbränden beizeiten die Feuerwehr zu alarmieren. Ein weiteres Entwicklungsprojekt im Elektronikkonzern zielt auf „Augmented Reality“-Displays in Brillen, wie sie bisher eher Profi-Anwendern vorbehalten waren. Diese Mikro-Bildschirme sollen beispielsweise Radfahrern Navigationshilfen während der Fahrt in die Brillen einspiegeln.

Mikrolautsprecher-Firma Arioso Dresden übernommen

Außerdem hat Bosch Sensortec kürzlich die Dresdner Fraunhofer-Ausgründung „Arioso“ übernommen, der es als weltweit ersten gelungen war, elektrostatische Lautsprecher in siliziumbasierte miniaturisierbare Mems zu integrieren. Das Unternehmen will diese Mikro-Lautsprecher nun zur Großserienreife führen und rechnet mit erheblichem Marktpotenzial – für Smartphone-Ohrhörer, Hörgeräte, Sprachausgabe und viele andere Applikationen.

Hubert Lakner. Foto: Fraunhofer-IPMS

Hubert Lakner. Foto: Fraunhofer-IPMS

„Da ist Deutschland ganz vorn mit dabei“

Die Chancen für einen Markterfolg dieser neuen Mikrosysteme stehen auch recht gut: Zwar ist Bosch in Deutschland vor allem als Automobilzulieferer bekannt. Doch weltweit stecken Mems und Sensoren der Konzerntochter vor allem auch in unzähligen Smartphones, Haustechnik und anderen Endkonsumenten-Produkten. Bosch Sensortec sei insofern ein ganz besonderer Champion, meint Kongress-Mitorganisator Prof. Hubert Lakner vom Fraunhofer-Photonikinstitut IPMS: „Da ist Deutschland ganz vorn mit dabei.“ Er hat im Übrigen zu dieser Erfolgsgeschichte auch einiges beigetragen: So finden die Mikrospiegel-Mems des IPMS immer breitere Anwendungen vom „Trikorder“-Nachbau bis hin zur Holografie. Und die erwähnte Mikrolautsprecher-Firma „Arioso“, die 2022 von Bosch geschluckt wurde, war ebenfalls eine Ausgründung seines Instituts.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Referate MST-Kongress Dresden, Oiger-Archiv01

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt