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Bibliothekare entdecken in Leipzig alten Meister-Eckhart-Text in Recyclingresten

In der Unibibliothek Leipzig haben Handschriften-Experten Reste der ältesten bekannten Handschrift mit einem Text von Meister Eckhart gefunden.Foto: Olaf Mokansky für die Universitätsbibliothek Leipzig

In der Unibibliothek Leipzig haben Handschriften-Experten Reste der ältesten bekannten Handschrift mit einem Text von Meister Eckhart gefunden. Foto: Olaf Mokansky für die Universitätsbibliothek Leipzig

Pergament-Handschrift aus 13. Jahrhundert war in jüngeres Buch eingebettet

Leipzig, 11. September 2023. Er gilt als einer der einflussreichsten Mystiker des Mittelalters: Der Dominikaner Eckhart von Hochheim alias „Meister Eckhart“ (1260-1328) galt und gilt mit seinen zahlreichen philosophischen Schriften als Vorreiter einer kritischen Auseinandersetzung mit der Kirche. Nun haben Handschriftenexperten und Forscherinnen der Uni eines der wohl ältesten Pergamente mit handschriftlichen Auszügen aus Meister-Eckhart-Texten entdeckt. Das hat die Uni Leipzig mitgeteilt.

„Wunschtraum von Forscherinnen und Bibliothekarinnen“

„Solche ‚Entdeckungen‘ sind der Wunschtraum von Forscherinnen und Bibliothekarinnen“, meint Dr. Anne Lipp, Direktorin der Universitätsbibliothek Leipzig, „Dieser Fall reiht sich in eine Serie bedeutender Funde an unserem Handschriftenzentrum ein und macht sehr schön deutlich, wie wissenschaftliches Erkenntnisinteresse und bibliothekarische Grundlagenarbeit produktiv ineinandergreifen.“

Bei Digitalisierungsprojekt als Wiederverwertungsrest in jüngerem Buch entdeckt

Glück spielte bei der Entdeckung allerdings durchaus eine gewisse Rolle: Das Team um Dr. Christoph Mackert vom Handschriftenzentrum der Uni Leipzig fand die Pergament-Streifen im Zuge eines ganz anderen Digitalisierungsprojektes in einem einem jüngeren Buch aus dem 15. Jahrhundert. Frühneuzeitliche Handwerker hatten die Eckhart-Auszüge anscheinend als Buchbindematerial für ihren Band wiederverwertet.

Für die Analyse des Fundes arbeitete das Handschriftenzentrum in der Folge mit Dr. Jana Ilnicka von der Forschungsstelle „Meister Eckhart“ am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt und dem Präsidenten der Meister-Eckhart-Gesellschaft, Prof. Dr. Freimut Löser von der Universität Augsburg zusammen. Dabei stellte sich heraus, dass ein Teil der handschriftlichen Zeilen auf den Pergamentstreifen aus dem Eckhart-Text „Von zweierlei Wegen“ stammen. „Auf einer ursprünglich zweiten Seite sind Zeilen aus einem bisher nicht näher zu bestimmenden Text über Wissen und Unwissen erkennbar“, heißt es von der Uni Leipzig. Womöglich handele es sich um einen bisher unbekannten Eckart-Aufsatz.

Zwischen 1290 und 1310 in Thüringen entstanden

Auf jeden Fall ist die ursprüngliche Niederschrift zwischen 1290 bis 1310 entstanden – vermutlich in Thüringen. „Kein anderes Handschriftenzeugnis rückt so eng an Eckharts Person heran“, schätzen die Leipziger Forscher und Forscherinnen ein. „Von 1294 bis 1310 wirkte Eckhart im Erfurter Dominikanerkloster, zunächst als Prior des Klosters, später als Verantwortlicher für die dominikanische Ordensprovinz Saxonia.“ Später allerdings fiel er beim Papst un Ungnade und entkam nur durch seinen Tod einer Verurteilung als Häretiker. Insbesondere stießen sich die Kleriker an Eckharts Vorstellungen, dass selbst der Laie auch ohne klerikale Vermittlung Gottesnähe erreichen kann. Viele von Eckharts Schriften wurden daher im Spätmittelalter de facto verboten.

„Ein ganz aufregender Fall“

Umso elektrisierter sind Religionsforscher, Theologen und Historiker, wenn sie heute möglichst ursprüngliche Eckhart-Texte finden. Und dies gilt eben auch für die Leipziger Entdeckung. Für Prof. Dr. Markus Vinzent, Leiter der Eckhart-Forschungsstelle, sind die Leipziger Bruchstücke „ein ganz aufregender Fall und gerade deshalb so wichtig, weil sie zentrale Partien aus der Eckhart-Predigt enthalten, die in der späteren Überlieferung gestrichen wurden und die nun durch die neuen Fragmente als alt und dem frühen Eckhart zugehörig erwiesen werden“.

Quellen: Uni Leipzig, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt