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Regionale Rechnerwolken für Sachsen

IBH-Chefin Sandra Zander in einem der Rechenzentren des Unternehmens. Foto: Heiko Weckbrodt

IBH-Chefin Sandra Zander in einem der Rechenzentren des Unternehmens. Foto: Heiko Weckbrodt

IBH Dresden: vom kleinen Ingenieurbüro zum informationstechnologischen Komplett-Ausrüster

Dresden, 7. September 2023. Angesichts von Resilienz-Debatten und immer komplexeren Datenschutz-Auflagen wächst auch im deutschen Mittelstand das Interesse an europäischen Rechnerwolken („Clouds“) und informationstechnologischen (IT) Diensten aus dem EU-Raum. Ein Unternehmen, das dies schon seit drei Dekaden vorexzerziert, ist die „IBH IT-Service GmbH“ aus Dresden. Als deutschlandweit aktiver Ausrüster und Betreiber für Rechenzentren ist das Unternehmen für viele hiesige Betriebe zu einer echten regionalen Alternative zu den großen US-Datenkonzernen wie Microsoft, Amazon und Google geworden.

Quelloffene Software im Kommen

75 Mitarbeiter beschäftigt IBH, kommt über elf Millionen Euro Jahresumsatz und hat Kunden in ganz Sachsen und Deutschland: Krankenhäuser, Behörden, Technologie-Firmen und Forschungsinstitute lassen ihre IT über die Rechnerwolken der Dresdner laufen, nutzen deren Analyse-Dienste, wickeln vertrauliche Videokonferenzen und E-Mail-Korrespondenzen über die IBH-Clouds laufen. Zumeist stehen dahinter Akteure, denen Datensicherheit und Datenschutz besonders wichtig sind. Auch deshalb setze die IBH in hohem Maße auf quelloffene Programme („Open Source“) und Linux als Betriebssystem. Das schaffe Transparenz, betont IBH-Chefin Sandra Zander. Open-Source-Lösungen sind gerade in Sachsen im Kommen.

„Kein gutes Gefühl dabei, sich zu abhängig zu machen“

„Viele Unternehmer hierzulande haben kein gutes Gefühl mehr dabei, sich von wenigen großen Anbietern in den USA zu abhängig zu machen“, meint Zander. Das fange schon in dem Moment an, in dem ein Büroangestellter ein neueres Schreibprogramm vom Microsoft starte und damit automatisch und ohne eine Wahl zu haben die Cloud-Dienste in Übersee nutzen müsse. Noch mehr gelte das für Betriebe, die ihre E-Mail-Korrespondenzen, Buchhaltung oder Web-Shops über die Rechnerwolken auf der anderen Seite des Atlantiks abwickeln oder gar in ihre Produkte einbauen. „Da hat ein Mittelständler in Sachsen kaum eine Chance, Einfluss zu nehmen.“

Daten-Austausch mit USA bleibt rechtlich unsicher

Neben dem Grummeln im Bauch, wie sicher eigene Geschäftsgeheimnisse auf einem US-Server gegen den Zugriff staatlicher Industriespione sind, dürfte dabei auch die ständig wechselnde Rechtslage beim Datenaustausch zwischen EU- und US-Firmen eine Rolle spielen. Nicht zuletzt bekommen die hiesigen Firmen keinen Einblick, wie die Software und Cloud-Dienste, die sie da nutzen, eigentlich genau arbeiten.

Thomas Horn vom Dresdner Provider IBH testet das Tempo der neuen Anschlüsse - er ist zufrieden. Foto: Heiko Weckbrodt

Das Archivfoto von 2014 zeigt Thomas Horn vom Dresdner Provider IBH, der das Tempo neuer Internet-Anschlüsse testet. Foto: Heiko Weckbrodt

Gründer war Internetpionier für Dresden

In diesen Punkten vertrauen mittlerweile viele Klienten lieber auf die Rechnerwolken in Dresden, die als besonders sicher und datenschutz-konform gelten. Diesen Ruf hat sich IBH über Jahre hinweg hart erarbeitet. Die Anfänge waren bescheiden: 1991 gründete der TU-Professor Thomas Horn in seiner privaten Wohnung das „Ingenieurbüro Thomas Horn“ (IBH), das 1994 zu den ersten Anbietern von Internetzugängen in Dresden gehörte. Seither ist die Firma gewachsen, ist erst ins Technologiezentrum Süd und dann in einen eigenen Neubau im Gewerbegebiet Coschütz-Gittersee umgezogen. Neue Geschäftsfelder kamen hinzu, ab 2013 übernahm Horns Tochter Sandra schrittweise die Geschäftsführung.

Rechenzentren-Infrastruktur macht inzwischen den halben Umsatz aus

Einen kräftigen wirtschaftlichen wie auch technologischen Schub kam, seit IBH die „Physischen Infrastrukturen“ als Geschäftsfeld beackert. Was bedeutet: Die Dresdner haben eine ganz neue Abteilung aufgebaut, die Rechenzentren konzipiert, einrichtet und ausgerüstet, mitsamt Computern, Datenleitungen, Elektro-Kabelage, Brandmeldern, Zutrittskontrollen, Notstrom-Aggregaten und was eine moderne „Cloud“ sonst so physisch ausmacht. „Damit sind wir nun ganz anders in der Lage, die Leistung für die Kundensysteme zu beeinflussen, Komplettpakete anzubieten, aber auch Probleme im IT-Alltag zu analysieren, an denen ein Informatiker allein scheitern würde“, erklärt Zander. „Ein Beispiel: Ein IT-ler würde kaum auf die Idee kommen, auch mal so etwas Simples wie ein fehlerhaftes Erdungskabel zu kontrollieren, wenn die Rechentechnik schwächelt. Wir dagegen haben die Expertise, auch solche Mängel selbst zu erkennen und zu beheben.“

Als Komplettausrüster profiliert

Mittlerweile beschäftigen diese „Physikalischen Infrastrukturen“ rund ein Drittel der 75-köpfigen IBH-Belegschaft und machen fast jeden zweiten eingenommen Euro aus, nämlich rund 5,5 von insgesamt 11,5 Millionen Euro Umsatz. Zudem rechnet Zander mit weiterem Wachstum in diesem Sektor, erwägt auch einen neuen IBH-Standort irgendwo zwischen Dresden und Berlin. Denn der internationale Wettbewerbs- und Kostendruck auf den deutschen Mittelstand steigt gerade stark. Zudem nehmen Bürokratie und staatlich gesetzte Aufgaben für Wirtschaft wie auch öffentliche Einrichtungen immer mehr zu. Hinzu kommen die wiederholten Lieferkettenstörungen. All dies sorgt derzeit für spürbare Digitalisierungsschübe auch jenseits der großen Konzerne. Und in diesem Zuge steigt eben auch die Nachfrage nach datenschutzkonformen und weniger störanfälligen regionalen IT-Lösungen, gerne auch mit quelloffener Software, die ohne teure Lizenzverträge mit Übersee-Datenkraken daher kommt.

Professionalisierungs-Schub für Krankenhaus-IT

Ein Beispiel: Die Rechentechnik von vielen Krankenhäusern ist über Jahrzehnte hinweg zu einem ineffizienten und in Teilen auch veralteten Flickenteppich von PCs, Servern, WLAN-Verteilern und anderen Einzelgerätschaften gewachsen. Immer komplexere Forderungen an Leistungs-Abrechung, Patientendatenverwaltung, Datenschutz, Bettenauslastungs-Nachweise und dergleichen mehr können solche System an den Rand eines Absturzes bringen. Wenn die Klinikleitung dann die IBH-Experten zu Hilfe ruft, finden die nicht selten einen dürftig abgeschlossenen feuchten Keller vor, in dem Retro-Computertechnik neben dem Fahrrad des Administrators vor sich hinrechnet. Die Dresdner richten in solchen Fällen dann eine modernes Rechenzentrum ein. Oder sie bieten dem Krankenhaus Cloud-Lösungen an, um einen Großteil der Datenverarbeitung nahezu ausfallsicher gleich ganz an die Profis auszulagern.

Ballon-Vorfall hat vielen zu denken gegeben

„Nachdem vor einem Jahr ein Ballon für diesen großen Stromausfall in Dresden gesorgt hat, haben wir sofort gemerkt, wie die Anfragen für unsere Rechenzentren in die Höhe gegangen sind“, erzählt Zander. Kein Wunder: Akkusysteme und Notstrom-Diesel, die bei einem kompletten Netzausfall den Betrieb bis zu drei Tage lang am Laufen halten, hat eben nicht jeder.

Kurzüberblick

  • Firma: IBH IT-Service GmbH
  • Hauptsitz: Dresden
  • Geschäftsfelder: Aufbau, Ausrüstung und Betrieb kompletter Rechenzentren, Cloud-Lösungen, Internetversorgung
  • Personalstärke: 75 Beschäftigte
  • Umsatz: 11,5 Millionen Euro (2022)
  • Mehr Infos im Netz: ibh.de

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: Vor-Ort-Termin, Auskünfte Zander, Oiger-Archiv

Hinweis: Dieser Artikel ist in ähnlicher Form ursprünglich in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt