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Panzerreptilien aus Amerika erobern Deutschland

Die "Falsche Landkarten-Höckerschildkröte" (Graptemys pseudogeographica) hat sich in Deutschland eingelebt - und macht einheimischen Reptilien das Leben schwer. Foto: Dr. Johannes Penner für die Universität Freiburg

Die „Falsche Landkarten-Höckerschildkröte“ (Graptemys pseudogeographica) hat sich in Deutschland eingelebt – und macht einheimischen Reptilien das Leben schwer. Foto: Dr. Johannes Penner für die Universität Freiburg

Schildkröten-Invasion: Dresdner Senckenberg-Forscherin warnt für Folgen fürs Ökosystem

Dresden/Freiburg, 8. Februar 2023. Invasive Schildkröten aus Amerika verbreiten sich im Süden Deutschlands und verdrängen einheimische Arten. Darauf hat ein gemeinsames Team der Senckenberg-Gesellschaft und der Uni Freiburg aufmerksam gemacht. Sie plädieren nun für Sachkunde-Führerscheine für all jene, die sich Schildkröten als Haustiere anschaffen wollen.

Als Haustiere eingewandert – nun pflanzen sie sie sich im „Ländle“ auch in freier Wildbahn

Laut der Dresdner Senckenberg-Forscherin Dr. Melita Vamberger sowie Benno Tietz und Dr. Johannes Penner aus Freiburg rücken die nordamerikanischen Schildkrötenarten „Pseudemys concinna“,  „Graptemys pseudogeographica“ und „Trachemys scripta“ nämlich innerhalb Europas immer weiter gen Norden vor und bringen hier das Ökosystem durcheinander. Die gepanzerten Reptilien gelangten vermutlich als ausgesetzte Haustiere hierzulande in die freie Wildbahn. Verbreiteten sich die Ami-Schildkröten anfangs nur im Mittelmeer-Raum, vermehren sie sich mittlerweile auch in Baden-Württemberg. Dieser Befund hat die Forscher selbst überrascht, weil viele Wissenschaftler eigentlich überzeugt davon waren, dass Deutschland viel zu kalt für die Invasoren sei.

Amis machen deutschen Schildkröten den Platz an der Sonne streitig

Aber mittlerweile verdrängen amerikanische Panzerreptilien mit illustren Namen wie „Buchstaben-Schmuckschildkröte“ oder „Falsche Landkarten-Höckerschildkröte“ hierzulande die einheimischen Schildkröten, machen ihnen den Platz an der Sinne und an den Futterplätzen streitig. Das gilt insbesondere für die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis), die mittlerweile fast nur noch in Brandenburg zu finden ist. „Im Versuchsaufbau kam es bei Europäischen Sumpfschildkröten, die gemeinsam mit Trachemys scripta gehalten wurden, zu Gewichtsverlust und einer hohen Sterblichkeit“, berichtet Dr. Johannes Penner von der Uni Freiburg. „Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass die größeren gebietsfremden Arten die kleineren einheimischen von den Sonnenplätzen verdrängen, so dass letztere unter einer suboptimalen Thermoregulation leiden. Möglicherweise haben sie auch Vorteile beim Nahrungserwerb.“

Hier sonnen sich verschiedene nicht-heimische Schildrötenarten auf dem Nest zweier Blässhühner im Flückigersee in Freiburg im Breisgau. Foto: Nahid Hasan Sumon für die Uni Freiburg und Senckenberg

Hier sonnen sich verschiedene nicht-heimische Schildrötenarten auf dem Nest zweier Blässhühner im Flückigersee in Freiburg im Breisgau. Foto: Nahid Hasan Sumon für die Uni Freiburg und Senckenberg

Invasoren fressen sich durch die Nahrungskette

Zudem könnten die „eingewanderten“ Schildkröten als Wirte von Viren und Parasiten eine Rolle bei der Übertragung von Krankheiten spielen. Vielerorts stehen sie am oberen Ende der Nahrungskette und könnten als Allesfresser auch „einen erheblichen und potenziell schädlichen Einfluss auf andere Teile des Ökosystems wie Amphibien, Fische oder Wasserpflanzen haben“, warnt das Forscherkollektiv. Allerdings sei es auch sinnvoll, noch zu untersuchen, ob die amerikanischen Schuldkröten „möglicherweise Ökosystemleistungen in geschädigten Ökosystemen übernehmen könnten“.

„Sachkundenachweis“ für Schildkröten-Halter gefordert

Die Wissenschaftler fordern aber in jedem Falle Konsequenzen aus ihren Studienbefunden: „Es wäre sinnvoll, verpflichtende Schulungen für das Halten bestimmter Tiere nach dem Prinzip des ‚Sachkundenachweises‘ anzubieten“, plädiert Melita Vamberger. „Wir müssen die Menschen darüber aufklären, dass es notwendig ist, gefährdete heimische Arten und ganze Ökosysteme vor den sich immer weiter ausbreitenden invasiven Arten zu schützen!“

Weltweit Milliardenschäden durch invasive Arten

Nach Angaben der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung verursachen invasive Tierarten weltweit wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe. „Sie sind zu einem großen Anteil mitverantwortlich für das fortschreitende globale Artensterben“, heißt es in der Senckenberg-Mitteilung. „Und ihre Zahl wächst kontinuierlich.“

Autor: hw

Quellen: Senckenberg – Naturhistorische Sammlungen Dresden

Wissenschaftliche Publikation:

Tietz B, Penner J, Vamberger M (2023): „Chelonian challenge: three alien species from North America are moving their reproductive boundaries in Central Europe“, in: NeoBiota, im Netz: https://doi.org/10.3897/neobiota.82.87264

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt