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„Die Schlange“: Britische Krimiserie über ein dunkles Kapitel der Hippie-Zeit

Schlängelt sich jahrelang immer wieder aus jeder Falle heraus: Serienmörder heraus: Charles Sobhraj (Tahir Rahim). Foto: Edel-Motion

Schlängelt sich jahrelang immer wieder aus jeder Falle heraus: Serienmörder heraus: Charles Sobhraj (Tahir Rahim). Foto: Edel-Motion

Thriller über das Serienmörder-Pärchen Charles & Marie-Andrée ist nun fürs deutsche Heimkino erschienen

Mit „Die Schlange“ hat Edel-Motion eine fesselnde britische Krimi-Serie fürs deutsche Heimkino veröffentlicht, Darin zeichnet die BBC ein schauriges Kapitel der Flower-Power-Zeit nach: Wie nämlich das Serienmörder-Pärchen Charles Sobhraj (Tahir Rahim) und Marie-Andrée Leclerc (Jenna Coleman, „Dr. Who“, „Captain America“) vermutlich Dutzende „Blumenkinder“ vergiftete, ausraubte, skalpierte, verbrannte und erwürgte, um deren Geld und Schmuck zu erbeuten.

Spielt nuanciert die Mordkomplizin: Jenna Coleman als Marie-Andrée Leclerc. Foto: Edel-Motion

Spielt nuanciert die Mordkomplizin: Jenna Coleman als Marie-Andrée Leclerc. Foto: Edel-Motion

Die Story: Hochstapler nimmt Blumenkinder auf dem Landweg nach Indien aus

Dabei nutzte die „Schlange“, wie die Presse Sobhraj später betitelte, die Unwägbarkeiten des sogenannten „Hippie Trails“ aus: In den 1960ern und 70ern machten sich nämlich zahlreiche junge Menschen aus dem Westen auf dem damals nach offenen Landweg über den Iran beziehungsweise Afghanistan in den Fernen Osten auf: Sie wollten ferne Länder und Menschen kennenlernen, in Indien, Nepal oder Thailand spirutuelle Erleuchtung erlangen oder sich einfach nur richtig zukiffen. Weil kaum einer wusste, wer gerade wo auf diesem Tausende Kilometer langen „Hippie Trail“ war und die „Blumenkinder“ oft drastisch von ihren ursprünglichen Reiseplänen abwichen, ohne Verwandten Bescheid zu geben, kümmerte es die örtliche Polizei zunächst wenig, als einige dieser Pärchen plötzlich verschwanden.

Werbevideo für "Die Schlange"
von Netflix:

Herangemacht, ruhig gestellt, ermordet

Das machte sich Sobhraj – der sich als Sohn eines französischen Flottenoffiziers und einer Vietnamesin immer als Paria in Frankreich fühlte – zunutze: Er gabelte Marie-Andrée Leclerc auf, weil ein westlich wirkendes Pärchen unverdächtiger erschien, und baggerte reisenden Hippie-Paare an, lud sie in sein Apartment ein, stellte sie mit vergifteten Tränken und Schein-Medikamenten ruhig, um ihnen dann Reise-Schecks, Bargeld und sen Schmuck zu stehlen. Um ihre Spuren zu verschwischen, verbrannten er und sein Handlanger Ajay (Patrick Baehr) die unglückseligen Sinnsucher teils bei lebendigem Leibe. Nach außen gab sich Sobhraj als französischer Diamantenhändler aus – dass an seinen Edelsteinen Blut klebte, wollte hinterher keiner gewusst haben.

Lassen nicht locker: Herman und Angela Knippenberg (Billy Howle und Ellie Bamber) hängen in der Prä-Handy-Zeit ständig am Wählscheibentelefon. Foto: Edel-Motion

Lassen nicht locker: Herman und Angela Knippenberg (Billy Howle und Ellie Bamber) hängen in der Prä-Handy-Zeit ständig am Wählscheibentelefon. Foto: Edel-Motion

Holländischer Diplomat Knippenberg verbeißt sich den Fall

Das ging so lange gut, bis die holländischen Diplomaten Herman und Angela Knippenberg (Billy Howle und Ellie Bamber) auf ein verbranntes niederländisches Pärchen aufmerksam wurden, sich gegen alle Widerstände in den Fall verbissen und – nach vielen Jahren – schließlich die „Schlange“ zur Strecke brachten. Inzwischen war auch der Hippie-Trail Geschichte und damit hatte sich auch Sobhrajs „Geschäftsmodell“ ohnehin erledidgt: Nach den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan und der islamischen Revolution im Iran verschloss sich der Landweg nach Indien für die Hippies dauerhaft.

Stil der 70er und mit starker Besetzung

Diese fast vergessene Moritat haben die Regisseure Tom Shankland und Hans Herbots für die BBC exzellent und packend in Szene gesetzt. Auch wenn das wilde Hin- und Hergespringe zwischen den Zeitebenen anfangs arg nervt, fügt sich das Puzzle dann doch nach und nach zu einem schlüssigen Bild zusammen, so dass der Zuschauer recht schnell am redensartlichen Serien-Haken hängt. Dazu tragen einerseits das Flair, der Erzählstil, aber auch die Klamotten, Autos und Frisuren der 70er bei, in denen die achtteilige Serie gehalten ist, anderseits die schauspielerischen Leistungen. Sehr überzeugend mimt Tahir Rahim den selbstverliebten und durch sein extremes Selbstbewusstsein immer wieder sich durchschlängelnden Hochstapler und empathielosen Mörder Sobhraj, während die ehemalige Dalek-Gefangene Jenna Coleman aus „Dr. Who“ die stetig zwischen Euphorie und Skrupeln schwankende Komplizin. Und als Kontrapunkt verbohrt sich Billy Howle als stonnernder, aber von seiner Mission regelrecht leuchtender Knippenberg gegen alle Widerstände von Vorgesetzten und ungläubigen Polizisten in den Fall „Sobhraj“, setzt dafür unbeirrt Karriere, Ehe und sein Leben aufs Spiel – um den Eltern der Opfer nach vielen Jahren sagen zu können: Der Tod Ihres Kindes ist nicht ungesühnt geblieben. Zwar entging Sobhraj der Todesstrafe in Thailand, saß aber bis vor wenigen Tagen erst in Indien und dann in Nepal im Gefängnis. Kurz vor Weihnachten 2022 hat ihn die nepalesische Justiz nun doch noch freigelassen und nach Frankreich abgeschoben.

Fazit: fesselnd

„Die Schlange“ ist in mehrfacher Hinsicht wert sie anzuschauen: Als Puzzle-Krimi fesselt sie, zugleich ist sie aber auch ein Zeitzeugnis einer untergangenen, bereits hochglobalisierten Welt, in der man und frau mit dem Bus von Deutschland bis nach Indien durchfahren konnte, in der viele afghanische und iranische Frauen genauso wie Europäerinnen über ihr Auftreten entschieden konnten, in der Ost und West für kurze Zeit ganz nahe beieinander lagen.

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Kurzübersicht:

  • Titel: „Die Schlange“
  • Originaltitel: „The Serpent“
  • Genre: Krimiserie
  • Produktion: BBC, Großbritannien 2021
  • Deutsche Veröffentlichung: Edel-Motion 2022/23
  • Preis: Videostrom: 25 Euro, DVD 29 Euro
  • Laufzeit: acht Folgen zu je 55 Minuten

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt