Studie: Bundesrepublik fungiert eher als Drehscheibe zwischen Ost und West
Berlin, 8. Januar 2023. In der Schlüsseltechnologie „Künstliche Intelligenz“ (KI) gelingt es deutschen Universitäten und Forschungsinstituten zwar, KI-Nachwuchstalente aus Osteuropa und Asien anzuziehen und auszubilden. Einen gewichtigen Anteil dieser Talente verliert Deutschland dann aber an international führende KI-Standorte wie die USA. Das hat eine Studie der Denkfabrik „Stiftung Neue Verantwortung“ (SNV) aus Berlin ergeben.
Jeder 2. KI-Nachwuchsforscher an deutschen Unis kommt aus Indien, China, Iran, Russland etc.
Demnach hat über die Hälfte der Doktoranden an deutschen KI-Lehrstühlen ihren Bachelor-Studienabschluss im Ausland gemacht. 9 % kamen aus dem EU-Ausland, 9 % aus Indien , 7 % aus China, 5 % aus dem Iran und 3 % aus Russland.
Jeden Vierten zieht es bald nach der Promotion gen USA, Schweiz oder England
Von diesen KI-Nachwuchswissenschaftlern bleiben zwar 63 Prozent den ersten Jahren nach Abschluss der Promotion in Deutschland. Doch im Umkehrschluss wandern eben 37 % der Talente ins Ausland ab. „Immerhin 13 Prozent zieht es in die USA, 7 Prozent in die Schweiz und 5 Prozent nach Großbritannien“, heißt es in der Studie. Während es also durchaus attraktive KI-Forschungsmöglichkeiten in Deutschland gibt, fehlen offensichtlich wirklich interessante Jobs für Top-KI-Experten in der deutschen Wirtschaft – anders als etwa in den USA. Denn dort sitzen KI-Konzerne, die mit hohen Gehältern und Forschungsbudgets locken.
Globale Tech-Firmen ziehen Absolventen an
„Unsere Daten zeigen, dass es in diesen Zielländern insbesondere die großen, globalen Tech-Firmen sind, die mit ihren hohen Gehältern und Forschungsbudgets KI-Talent aus Deutschland anziehen“, argumentieren die SNV-Forscher. Denn in Deutschland beschäftigen sich zwar viele Unternehmen und Institute mit Künstlicher Intelligenz, insbesondere für den Industrieeinsatz und andere wirtschaftliche Applikationen. Und es gibt auch hohen Bedarf an KI-Fachleuten. Richtig große KI-Konzerne gibt es in der Bundesrepublik jedoch keine. Und damit mangelt es an anspruchsvollen KI-Großprojekten in der Wirtschaft, die ausreichend Anziehungskraft für die besten internationalen Talente haben.
Deutschland profitiert vom Zufluss, kann aber viele Talente nicht halten
„Die von uns ausgewerteten Daten belegen, dass es deutschen Universitäten und Forschungsinstituten gelingt, Nachwuchstalente aus Osteuropa und Asien anzuziehen und auszubilden“, schlussfolgern die Studienautoren. „Einen gewichtigen Anteil dieser Talente verliert Deutschland dann aber an international führende KI-Standorte wie die USA. Unserer Analyse zufolge ist Deutschland eine Art Mittelmacht, die vom Zufluss profitiert, aber viele ihrer besten Talente nicht halten kann.“
Für ihre Studie „Deutschland als KI-Standort: Destination oder Drehscheibe?“ hatten die SNV-Analytiker Pegah Maham, Stefan Heumann, Wiebke Denkena, Laurenz Hemmen und Anna Semenova die Karrierepfade von knapp 900 KI-Doktoranden in Deutschland ausgewertet.
Deutschland ringt um mehr Gewicht in KI-Schlüsseltechnologie
Hintergrund ihrer Untersuchung sind die deutschen Bemühungen, mit KI „made in Germany“ dem internationalen Wettbewerb einen Stempel aufzudrücken und mit dieser Schlüsseltechnologie die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Auch regional gibt es ehrgeizige Pläne in diesem Sektor. Dazu gehört beispielsweise die sächsische KI-Strategie. Die zielt darauf, die KI-Forschung im Freistaat auszubauen, für mehr Nachwuchskräfte zu sorgen, den Technologietransfer in die Wirtschaft zu erleichtern und dergleichen mehr. Attraktive und hochdotierte Jobs in der freien Wirtschaft allerdings können auf diesem Wege eben nur langfristig entstehen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quelle: SNV
Wissenschaftliche Publikation:
Pegah Maham, Stefan Heumann, Wiebke Denkena, Laurenz Hemmen und Anna Semenova: „Deutschland als KI-Standort: Destination oder Drehscheibe? – Empirische Untersuchung der Karrierepfade von KI-Doktorand:innen an deutschen Universitäten“, erschienen in der Schriftenreihe der „Stiftung Neue Verantwortung“, Belrin 2022, im Netz hier abrufbar
Zum Weiterlesen:
Deutschland braucht mehr Quellen für KI-Experten
Millionen für KI-Forschung in Sachsen
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