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IG Metall drängt nach Infineon-Fabrikankündigung auf Tarifverträge

Die meisten Roboter bei Infineon Dresden sehen wie klassische Industrieroboter aus - aber es gibt auch zwei "Humanoide", die durch die Produktion tingeln und die Reinraum-Atmosphäre kontrollieren. Abb.: Infineon

Blick in den Infineon-Reinraum in Dresden. Abb.: Infineon

Gewerkschafter: Wer Subventionen will, soll sich auch tariflich binden

Dresden, 15. November 2022. Gewerkschafter haben die jüngste Infineon-Ankündigung für den Bau eines vierten Chipwerks in Dresden genutzt, um auf Tarifverträge in der sächsischen Halbleiter-Branche zu dringen. Die Industriegewerkschaft (IG) Metall sieht hier auch einen Zusammenhang mit den Subventionen, die sich Infineon für die geplante Fünf-Milliarden-Euro-Investition wünscht: „Hier sollen auch mit öffentlichen Fördergeldern hochwertige Arbeitsplätze entstehen, für die eine Absicherung durch Tarifverträge ein Frage der Gerechtigkeit ist“, argumentiert Stefan Ehly von der IG Metall Dresden, der zugleich im Infineon-Aufsichtsrat sitzt.

Tarifbindung in sächsischer Halbleiter-Branche schon seit Jahren schwach

Hintergrund: Viele Mikroelektronik-Unternehmen, die sich nach der Wende in und um Dresden angesiedelt haben, taten und tun sich schwer damit, Tarifverträge mit den Gewerkschaften abzuschließen. Einerseits fürchten viele Manager, dass sie nach Abschluss solcher Vertragswerke, die meist mehr als nur Lohnsätze enthalten, weniger flexibel auf die starken Schwankungen in ihrer Branche reagieren können. Andererseits sind internationale Konzerne AMD mit den typischen Unternehmenskulturen der USA in den 1990ern nach Sachsen gekommen, hier trafen dann US-amerikanische Manager auf eine Region, in der die Tarifbindung ohnehin nicht mehr stark ist. Gewerkschafter hatten in der Vergangenheit beispielsweise mehrfach – mäßig erfolgreich – das aus AMD hervorgegangene Globalfoundries-Chipwerk bestreikt, um es zu Tarifverträgen zu drängen. Zudem konkurrieren mit den Metallern und der Chemiegewerkschaft BCE auch noch verschiedene Arbeitnehmer-Vertretungen um Einfluss im „Silicon Saxony“.

„Werden uns für faire Verteilung der wirtschaftlichen Erträge einsetzen“

„Die IG Metall hat sich sehr frühzeitig für den Auf- und Ausbau der Halbleiterindustrie in Sachsen eingesetzt“, versucht Bezirksleiterin Irene Schulz Ank, Anknüpfungspunkte mit der Hochtechnologie-Industrie herauszuarbeiten. „Die Produktion von Halbleitern in Deutschland stärkt den Industriestandort und mindert die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten. Zugleich entstehen in Dresden viele hochproduktive Industriearbeitsplätze in einer Branche mit sehr guten Zukunftsperspektiven. Wir werden uns für eine faire Verteilung der wirtschaftlichen Erträge einsetzen.“ Ähnlich argumentiert ihr Dresdner Kollege Ehly: „Wir freuen uns sehr über diese Ausbaupläne für den Standort und unterstützen als IG Metall mit aller Kraft die weitere Ansiedlung von modernen Technologien wie der Halbleiterproduktion in der Region Dresden. Der weitere Ausbau dieses bedeutenden Industriesektors ist aus Sicht der IG Metall eine große Chance für Sachsen. Sachsen hat ein großes Potential an gut ausgebildeten Fachkräften. Mit guten Arbeitsbedingungen und Löhnen kann es gelingen, sie für die neue Fabrik zu gewinnen.“

Nach der Wende siedelten sich große Halbleiterunternehmen wie Infineon (hier ein Blick in den Dresdner Reinraum) und AMD in Dresden an. Abb.: Infineon

Nach der Wende siedelten sich große Halbleiterunternehmen wie Infineon (hier ein Blick in den Dresdner Reinraum) und AMD in Dresden an. Abb.: Infineon

Verweis auf wachsenden Fachkräftemangel

Und diese Argumente sind auch nicht von der Hand zu weisen: Während noch in den 1990ern ehemalige DDR-Mikroelektroniker AMD, Siemens & Co. „die Bude einrannten“, als deren erste Chipfabriken in Sachsen hochgezogen wurden, ist es inzwischen für die Branche zunehmend schwierig, genug qualifizierte Fachleute zu finden. Der Fachkräfte-Mangel mag zwar für die „Großen“ wie Infineon, Bosch und Globalfoundries, die auch ohne Tarifverträge ihre Belegschaft gut bezahlen, noch nicht ganz so pressieren wie für kleinere Elektronikschmieden in Sachsen. Auch braucht Infineon für die gestern angekündigte neue Chipfabrik auch „nur“ rund 1000 zusätzliche Beschäftigte.

Auch Intel fischt bereits im Teich

Doch auch Intel geht inzwischen bereits für seine neuen Mega-Fabriken in Magdeburg auf Personalsucheund die sind fürs Erste für 3000 neue Jobs ausgelegt, sowie rund 7000 daran hängende neue Arbeitsplätze im Umfeld. Durch diesen Wettbewerb um fähige Köpfe dürfte sich das Reservoir qualifizierter und verfügbarer Mikroelektroniker in Mitteldeutschland bald weiter leeren. Und laut „Silicon Saxony“ (Silsax) werden allein die in diesem Branchenverband organisierten Hightech-Industrien bis zum Ende der Dekade rund 27.000 neue Fachleute brauchen. „Das gibt die Demografie in Sachsen nicht her, da brauchen wir Zuwanderung“, hatte Silsax-Geschäftsführer Frank Bösenberg bereits im Sommer gewarnt. Und Spezialisten von außerhalb wird der Freistaat nur mit attraktiven Standort-Bedingungen und guten Gehältern anlocken können.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IG Metall, Intel, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt