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5G-Mobilfunk taugt für die Industrie – aber kaum als Schlüssel zum Metaversum

Die Visualisierung zeigt, wie sich Siemens ein 5G-Campusnetz in der Industrie vorstellt. Grafik: Siemens

Die Visualisierung zeigt, wie sich Siemens ein 5G-Campusnetz in der Industrie vorstellt. Grafik: Siemens

Während ein greifbarer Nutzen für Endkunden kaum erkennbar ist, will jeder 4. Industriebetrieb eigene 5G-Campusnetze aufspannen

Berlin/Dresden, 15. November 2022. Der Mobilfunk der 5. Generation (5G) mag zwar Daten schneller als sein Vorgänger LTE übertragen, doch für private Nutzer sind praktischen Vorteile kaum greifbar. Umso mehr nützt 5G aber der Industrie und anderen professionellen Anwendern – das zeichnet sich immer mehr ab. Allein in der deutschen Industrie will jedes vierte Unternehmen abgeschirmte 5G-Betriebsnetze („Campusnetze“) einsetzen, um Maschinen, Roboter und automatische Transporter in den Werkhallen zu vernetzen oder Anlagen aus der Ferne zu warten. Das geht aus einer Umfrage des deutschen Digitalwirtschaftsverbandes „Bitkom“ aus Berlin hervor.

Bitkom: 5G ist Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung der Industrie

„5G ist eine Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung der Industrie“, schätzt Bitkom-Infrastrukturexperte Nick Kriegeskotte ein. „Sie sorgt für einen hohen Automatisierungsgrad, größere Flexibilität in der Logistik, höhere Effizienz sowie mehr Transparenz und Steuerbarkeit.“

5G-Campusnetz-Container vom Ceti Dresden. Solche Container, aber auch nur koffergroße Ausführungen mobiler Funkstationen will "Campus Genius" der freien Wirtschaft anbieten. Foto: Heiko Weckbrodt

5G-Campusnetz-Container vom Ceti Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Durch kurze Latenzen ist 5G vor allem für Automatisierung interessant

Hintergrund: Um hochautomatisierte und vernetzte Fabriken einzurichten, haben Ingenieure in der Vergangenheit meist auf fest verlegte Datenkabel gesetzt, denn sowohl WLAN wie auch LTE-Mobilfunk gelten bisher als zu langsam, unzuverlässig, unsicher und reaktionsträge. Kabellösungen sind aber vergleichsweise teurer, vor allem aber wenig flexibel: Wird die Produktion umgestellt, müssen die Anlagen oft neu vernetzt werden. Anders beim 5G-Funk: Der ist – jenseits höherer Download-Raten – vor allem auf kurze Reaktionszeiten („Latenzen“) getrimmt, ist relativ flexibel konfigurierbar und lässt sich auch in Campusnetzen organisieren, die gegen die öffentlichen Netze abgeschottet sind. Und: „In Campus-Netzen als lokal begrenztes Funknetz eines Unternehmens lassen sich sensible Daten besonders schnell und sicher transportieren, da diese das Werksgelände nicht verlassen müssen“, betont Nick Kriegeskotte.

In der neuen Chipfabrik in Dresden hat Bosch von Anfang an auf AR-Datenbrillen, KI und andere "Industrie 4.0"-Konzepte gesetzt. Foto: Bosch

In der neuen Chipfabrik in Dresden hat Bosch von Anfang an auf AR-Datenbrillen, KI und andere „Industrie 4.0“-Konzepte gesetzt. Foto: Bosch

Lang erwarteter Schub für VR-Technik kommt durch 5G – allerdings in der Werkhalle statt im Spielsalon

5G eignet sich durch seine kurzen Latenzen eben auch für Fabrikkonzepte, die früher nur umständlich zu realisieren waren. Dazu gehört beispielsweise die Echtzeit-Vernetzung von Datenbrillen, die dem Monteur, Wartungstechniker oder Installateur vor Ort an der Anlage virtuelle Zusatzinfos einblenden oder Experten von anderen Standorten live zuschalten, wenn es Probleme gibt. Von daher halten Technologien rund um „Augmentierte Realitäten“ (AR) und „Virtuelle Realitäten“ nun tatsächlich Einzug in die Praxis – allerdings eben eher in die Warenlager und Hightech-Tech-Fabriken und weniger in die Welt der Spiele oder virtuellen Reisen, wie noch vor Jahren als Pionieranwendungen angenommen. Ein Beispiel war der Bau der neuen Bosch-Chipfabrik in Dresden, wo die Installateure der Fertigungsanlagen in Zeiten von Corona-Reiseverboten Datenbrillen aufsetzten, um sich von Ingenieuren der Anlagenhersteller Tipps bei der Installation geben zu lassen. Unterm Strich wurde die Bosch-Fab auch dadurch sogar schneller fertig als ursprünglich gedacht.

Der Mobilfunk-Experte Prof. Gerhard Fettweis beim Abschluss-Kolloquium für das Cfaed I am 27. September 2019 an der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Gerhard Fettweis. Foto: Heiko Weckbrodt

Mobilfunk-Guru Fettweis: Mit 6G kommt der Kinderzimmer-Aufräumroboter und das Exoskelette für erschöpfte Senioren

Der Einsatz im Privatsektor hingegen wird wohl erst mit der nächsten, der sechsten Funk-Generation (6G) kommen, prognostiziert Mobilfunk-Guru Prof. Gerhard Fettweis von der TU Dresden, der seinerzeit auch an der internationalen 5G-Entwicklung mitgearbeitet hatte. Denn dann sollen sich die Reaktionszeiten zwischen Befehl des Menschen und Rückmeldung der Maschine auf weniger als eine Millisekunden verkürzen – und damit in den nicht mehr wahrnehmbaren Bereich. „6G wird neue Chancen für Personal Mobil Robotics eröffnen, damit werden beispielsweise Exoskelette für jeden möglich, damit kommt der Aufräum-Roboter fürs Kinderzimmer und der Roboter, der uns die Einkaufstaschen trägt“, ist er überzeugt.

Felix Hillemeier vom "Kompetenzzentrum Robotik" der Handwerkskammer Dresden führt beim "Dresden Robotics Festival" ein aktives Exoskelett für Handwerker vor. Foto: Heiko Weckbrodt

Felix Hillemeier vom „Kompetenzzentrum Robotik“ der Handwerkskammer Dresden führt beim „Dresden Robotics Festival“ ein aktives Exoskelett für Handwerker vor. Foto: Heiko Weckbrodt

Tick-Tack-Muster zu erkennen

Diese Erwartung decke sich auch mit allen Erfahrungen mit früheren Generationswechseln, die alle einem gewissen „Tick-Tack“-Muster folgten, betont der Dresdner Professor: Die erste Generation von zivilen Mobilfunk-Netzen und Geräten sei so klobig, umständlich und teuer gewesen, dass sie nur von Profianwendern genutzt wurde. 2G sei dann schon Konsumentenfreundlicher gewesen, ähnlich auch 4G. Und während nun eben 5G vor allem echte Fortschritte in der Industrie-Robotik, Industrie 4.0, Verkehrssteuerung und beim autonomen Fahren verspricht, wird 6G, das etwa ab 2030 online geht, wohl eher neue Spiele, Metaversum-Erlebnisse, virtuelle Exkusionen und dergleichen mehr für Endkonsumenten befeuern.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Bitkom, Auskünfte Prof. Fettweis, TUD, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt