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Bioreaktoren für Zuckerkranke statt Schuhcreme

Prof. Barbara Ludwig und Prof. Stefan Bornstein zeigen die Prototypen des Bioreaktors, in dem Betazellen beispielsweise des Schweins verpackt sind und so vor den Abwehrmechanismen des menschlichen Körpers geschützt werden. Foto: Annechristin Bonß für die Hochschulmedizin Dresden

Prof. Barbara Ludwig und Prof. Stefan Bornstein zeigen die Prototypen des Bioreaktors, in dem Betazellen beispielsweise des Schweins verpackt sind und so vor den Abwehrmechanismen des menschlichen Körpers geschützt werden. Foto: Annechristin Bonß für die Hochschulmedizin Dresden

Metabolisches Zentrum für Kampf gegen Diabetes in Dresden eröffnet

Dresden, 10. Oktober 2022. Um Zivilisationskrankheiten wie Diabetes besser als bisher zu verstehen und bekämpfen zu können, haben Mediziner, Materialwissenschaftler und Forscher weiterer Disziplinen heute in Dresden ein „Metabolisch-Immunologische Erkrankungen und Therapietechnologien Sachsen“ (MITS) eröffnet. In dem 35,1 Millionen Euro teuren Neubau neben dem Uniklinikum wollen sie gemeinsam beispielsweise tragbare Bioreaktoren weiterentwickeln, die künftig vielen Diabetis-1-Kranken die ständigen Insulinspritzen ersparen sollen.

Professor Stefan R. Bornstein. Foto: Heiko Weckbrodt

Professor Stefan R. Bornstein. Foto: Heiko Weckbrodt

Uni hofft auf internationale Strahlkraft

„Hier wächst ein international wegweisendes Zentrum für die Erforschung metabolisch-immunologischer Erkrankungen“, betont Rektorin Prof. Ursula Staudinger von der Technischen Universität Dresden. Sie erhofft sich hier einen „Leuchtturm“ für die internationale Diabetes-Forschung. „Wissenschaft und Medizin werden in diesem einzigartig geschnittenen Zentrum Methoden für die Diagnostik und Vorbeugung von Stoffwechselkrankheiten entwickeln, die dann zügig in innovative Therapieansätze überführt werden“, verspricht MITS-Sprecher Prof. Stefan Bornstein.

Das metabolische Zentrum "MITS" in Dresden setzt auch architektonisch eigene Noten. Foto: Heiko Weckbrodt

Das metabolische Zentrum „MITS“ in Dresden setzt auch architektonisch eigene Noten. Foto: Heiko Weckbrodt

Komplex kostete über 35 Millionen Euro

Der auffällige Komplex an der Ecke von Augsburger und Fiedlerstraße umfasst insgesamt 2616 Quadratmeter Forschungsfläche. Der teilweise transparente Bau ist nach Entwürfen des Architektenbüros „Wörner Traxler Richter“ in den vergangenen vier Jahren auf dem Areal einer ehemaligen Schuhcreme-Fabrik entstanden. In die Finanzierung der über 35 Millionen Euro Baukosten haben sich Bund und Land hineingeteilt.

Das "Zentrum für Metabolisch-Immunologische Erkrankungen und Therapietechnologien Sachsen" (MITS) ist auf einer ehemaligen Industriebrache an der Ecke von Augsburger und Fiedlerstraße in Dresden entstanden. Foto: Heiko Weckbrodt

Das „Zentrum für Metabolisch-Immunologische Erkrankungen und Therapietechnologien Sachsen“ (MITS) ist auf einer ehemaligen Industriebrache an der Ecke von Augsburger und Fiedlerstraße in Dresden entstanden. Foto: Heiko Weckbrodt

Zu den Besonderheiten gehören der interdisziplinäre Ansatz, die internationale Zusammensetzung der 13 Arbeitsgruppen und eine spezielle Innenarchitektur, die es den Wissenschaftlern ähnlich wie in einem Großraumbüro wechselnde Teamzusammensetzungen und Experimentalaufbauten ermöglichen soll. Am metabolischen Forschungszentrum beteiligt sind das Uniklinikum Dresden, die medizinische Fakultät der TU Dresden und das Paul-Langerhans-Institut Dresden am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung.

Der Bioreaktor wird unter die Haut eingesetzt und funktioniert dann wie eine künstliche Bauchspeicheldrüse, die Insulin abgibt, Immunattacken abwehrt und Nährstoffe vom Patientenkörper aufnimmt. Grafik: Uniklinik Dresden

Der Bioreaktor wird unter die Haut eingesetzt und funktioniert dann wie eine künstliche Bauchspeicheldrüse, die Insulin abgibt, Immunattacken abwehrt und Nährstoffe vom Patientenkörper aufnimmt. Grafik: Uniklinik Dresden

Künstliche Bauchspeicherdrüse für Diabetiker

Zu den besonders vielversprechenden Vorhaben des metabolischen Zentrums gehört der erwähnte Bioreaktor: ein gemeinsam mit einem israelischen Jungunternehmen entwickeltes Modul, das Diabetes-1-Patienten unter die Haut implantiert wird und kontinuierlich das fehlende Insulin an den Körper abgibt. „Man kann ihn sich wie einen Herzschrittmacher vorstellen“, erklärt Professor Bornstein, „Eine kleine Dose von fünf bis sechs Zentimetern Durchmesser, die auf das Bauchfell, also unter die Haut, transplantiert wird.“ In dieser Dosse befinden sich schweinische Betazellen, die vor den Abwehrmechanismen des menschlichen Körpers geschützt sind. Ein Kanal versorgt die Zellen mit Sauerstoff, über eine Membran bekommen sie körpereigene Nährstoffe. Der Reaktor gibt dann das blutzucker-regulierende Hormon „Insulin“ an den Organismus des Patienten ab. „Die Gabe von Insulin über Spritze oder Pumpe in der Körper wäre damit überflüssig“, betonen die TUD-Forscher.

UKD-Video: So funktioniert der Bioreaktor:

Acht Millionen Diabetiker in Deutschland

Weltweit leidet eine halbe Milliarde Menschen an Diabetes, darunter acht Millionen Deutsche. Die Zuckerkrankheit ist zwar behandelbar, kann aber das Leben der Patienten stark verändern. Abhängig vom Typ und der Schwere der jeweiligen Erkrankung müssen sie Diäten einhalten, sich regelmäßig mit Insulin spritzen oder ins Krankenhaus gehen. Diabetes kann das Herzinfarkt-Risiko erhöhen, die Kranken erblinden lassen, zu Amputationen führen und die Lebenserwartung senken.

Autor: hw

Quellen: TUD/UKD, Vor-Ort-Termin

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt