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„Die Stadt mit der Welt teilen und voneinander lernen“

Die bosnische Künstlerin Irma Markulin vor ihrer Galerie „Robotron-Arbeitnehmerinnen“. Foto: Jürgen Münster im Auftrag von Heinz Freiberg

Die bosnische Künstlerin Irma Markulin vor ihrer Galerie „Robotron-Arbeitnehmerinnen“. Foto: Jürgen Münster im Auftrag von Heinz Freiberg

Unter dem Motto „Nordost Südwest“ startet in der Robotron-Kantine Dresden ein transnationaler Parcours der zeitgenössischen Kunst

Dresden, Herbst 2022. Europäische Künstler laden derzeit im Dresdner Stadtraum zu einem Parcours aus Ausstellungen und Projekten an öffentlich zugänglichen Orten ein. Leitthema ist dabei „Nordost Südwest“, das für einen Aufbruch zu neuen Ufern in alle vier Himmelsrichtungen steht. Allerdings hat der geneigte Kunstfreund selbst mit einem Kompass in der Hand gut zu tun, um bis zum Projektende am 6. November alle diese Expositionen und Installationen im öffentlichen Raum aufsuchen. Die Liste ist lang, die Liste der Organisatoren und der beteiligten Künstlerinnen und Künstler noch länger. Mit dem Parcours starten sollte man unbedingt in der ehemaligen Kantine des DDR-Computerkombinats „Robotron“ zwischen Rathaus und Hygienemuseum.

Reminiszenz an die Robotronerinnen

Gleich zu Beginn finden sich mehrere Arbeiten der in Berlin lebenden bosnischen Künstlerin Irma Markulin. Sie hat aus einem riesigen Konvolut von schwarz-weiß Fotografien der 70er und 80er Jahre 14 großformatige farbige Frauenporträts geschaffen, die wie ein einzigartiger dokumentarischer Beleg an die engagierten und erfolgreichen Frauen im einstigen VEB Kombinat Robotron erinnern.

"Hooked – zwei schwarze Netze und ein weißes Netz“. Die Installation dieser Häkelarbeiten stammt von Sejla Kameric. Foto: Jürgen Münster im Auftrag von Heinz Freiberg

„Hooked – zwei schwarze Netze und ein weißes Netz“. Die Installation dieser Häkelarbeiten stammt von Šejla Kamerić. Foto: Jürgen Münster im Auftrag von Heinz Freiberg

Gehäkelt

Im zweiten großen Ausstellungsraum der Robotron-Kantine zieht eine Arbeit von Šejla Kamerić den Besucher sofort in den Bann. Ihre Häkelarbeiten unter dem Titel „Hooked“ (präsentiert auf dem rotem Grund einer Ziegelwand) sind nicht als Tischschmuck oder für das Sofa gedacht. Welche Intensionen wirklich dahinterstecken, wird hier natürlich nicht verraten. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Sarajewo, Istrien und Berlin.

Die Kompassnadel kreiselt

„Nordost Südwest ist einer der ältesten Orientierungsmethoden der Menschheit gewidmet“, heißt es im Begleittext „Das Kreiseln der Kompassnadel“ zur Exposition. „Die vier Himmelsrichtungen stehen für den Aufbruch ins Unbekannte, wie auch für die Notwendigkeit der Verortung. Die Kompassnadel unseres kulturellen Koordinatensystems befindet sich fortwährend in Bewegung.“ Ein Wunsch der Organisatoren sei es, mit künstlerischen Partnern und Partnerinnen in einen Dialog zu kommen: mit dem Beirut Center im Libanon zum Beispiel, dem Krak Center for Contemporary Culture im bosnischen Bihać und dem Performing Arts Institute Warsaw. „Im Zentrum des Projektes Nordost Südwest, das 22 Künstler und Künstlerinnen aus dem Libanon, Bosnien, Polen, Deutschland und Argentinien über zwei Jahre entwickelt haben, steht die Auseinandersetzung mit globalen kulturellen Koordinatensystemen. Die Erfahrungen von Krieg, Flucht und Diaspora verbinden die geografisch weit entfernten Orte und Menschen ebenso wie die Verarbeitung radikaler Umbrüche und Veränderungen in postindustriellen Gesellschaften.“

Straßenwerbung für das neue transnationale Projekt an der Robotron-Kantine im Skaterpark. Foto: Jürgen Münster im Auftrag von Heinz Freiberg

Straßenwerbung für das neue transnationale Projekt an der Robotron-Kantine im Skaterpark. Foto: Jürgen Münster im Auftrag von Heinz Freiberg

Bleibt noch hinzuzufügen, dass vier durch eine Jury ausgewählte Projekträume der Freien Kunstszene Dresden mit eigenen künstlerischen Beiträgen im Stadtraum zum Projekt „Nordost Südwest“ beitragen. Gleichermaßen Gastgeber wie Beisteuernde sind die Galerie Ursula Walter, das Kunsthaus Raskolnikow, das Zentralwerk und der Riesa efau. In Zusammenarbeit mit der „Schenkung Sammlung Hoffmann“ der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sind außerdem während der Dauer der Ausstellung ausgewählte Werke der Schenkung in den Projekträumen der Freien Szene Dresden zu sehen.

Die Chefin des Kunsthauses Dresden und künstlerische Leiterin des kuratorischen Teams, Christiane Mennicke-Schwarz, hat den großen Wunsch: „Die Stadt mit der Welt zu teilen und voneinander zu lernen“.

→ Es ist ratsam, den in der Robotron-Kantine an der Zinzendorfstraße kostenlos erhältlichen Stadtplan (ein Kompass aus Papier) mit allen darin verzeichneten 19 Veranstaltungsorten im öffentlichen Raum von Dresden zur Orientierung mitzunehmen. Der Eintritt ist frei. Das Projekt endet am 6. November 2022.

Autor: Heinz Freiberg

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt