
Elaskon-Chef Tobias Schwald (links) und sein Servicestations-Leiter Jan Dünnebier stehen mit K60-Dosen in der Hand vor Autopflegewerkstatt an der Lohrmannstraße in Dresden-Reick, neben der im Laufe des Jahres 2022 eine neue, hohe Pflegehalle für Wohnmobile entstehen soll. Foto: Heiko Weckbrodt
Chemiebetrieb baut in Dresden-Reick für 600.000 Euro Pflegehalle für die „Hotels auf vier Rädern“
Inhalt
- 1 Chemiebetrieb baut in Dresden-Reick für 600.000 Euro Pflegehalle für die „Hotels auf vier Rädern“
- 2 Chef rechnet mit Kunden aus 100 km Umkreis
- 3 Wohnmobil-Nachfrage hat durch Corona neuen Schub bekommen
- 4 Deutsche wechseln Autos und Wohnmobile nicht mehr so oft wie früher
- 5 „Selbst bei Neuwagen kritische Stellen entdeckt“
- 6 Preisexplosion hat Umsatz künstlich in die Höhe getrieben
- 7 An Russland will Elaskon nicht mehr liefern, Ukraine kauft nicht mehr
- 8 Resilienz-Programm: Ölbrenner gekauft, Lager gefüllt, Forschung an Erdöl-Alternativen
- 9 Gehört die Zukunft dem „elektrischen“ Syntheseöl?
- 10 Chinesen ist „Made in Europe“ einen kleinen Aufpreis wert – aber nicht zuviel
- 11 Start als Ölhändler vor fast 100 Jahren
- 12 Pflegeklassiker K60 aus DDR-Zeiten weiterentwickelt
Dresden, 4. April 2022. Weil die Nachfrage für den Urlaub im „fahrenden Hotel“ seit der Corona-Krise gestiegen ist, steigt „Elaskon“ nun in die Wohnmobil-Pflege ein. Eigens dafür baut das Chemieunternehmen an der Lohrmannstraße in Dresden-Reick eine rund 600.000 Euro teure Konservierungshalle. Sie wird mit ihren sieben Metern hoch genug sein wird, um neben Autos künftig auch Caravane, Wohnmobile, aber auch Kleinbusse und Transporter auf die Hebebühne zu hieven, um deren Unterboden mit Elaskon-Mitteln gegen Rost und Witterung zu konservieren.
Chef rechnet mit Kunden aus 100 km Umkreis
„Wir sehen da einen großen Markt“, erklärte Elaskon-Chef Tobias Schwald. Der Betrieb werde wohl der einzige Anbieter weit und breit für solche eine Dienstleistung sein. „Wir rechnen mit Kunden aus etwa 100 Kilometern Umkreis.“
Wohnmobil-Nachfrage hat durch Corona neuen Schub bekommen
Denn in der „lebensverlängernden“ Pflege von Wohnmobile treffen mehrere Trends aufeinander: Schon vor Corona war die Nachfrage für Wohnmobile in Deutschland stetig gestiegen. Während der Ausgangssperren und Hotelschließungen in der Corona-Krise gab es dann einen neuen Absatzschub. Laut dem „Caravaning-Industrie-Verband“ (CIVD) wurden beispielsweise im Februar 2022 insgesamt 5018 neue Wohnmobile zugelassen und damit rund 52 Prozent mehr als im Februar 2019.

Die Exporte und Umsätze der deutschen Reisemobil-Branche sind 2021 deutlich gestiegen. Grafiken: CIVD
Deutsche wechseln Autos und Wohnmobile nicht mehr so oft wie früher
Zweitens sind die Wartezeiten auf neue Wohnmobile inzwischen lang. Und mit Preisen ab etwa 35.000 Euro aufwärts sind sie auch keine kleine Investition. Drittens geht im gesamten Endkunden-Sektor der Trend dahin, Fahrzeuge länger zu behalten. Bei Autos ist das Durchschnittsalter in den vergangenen drei Dekaden von durchschnittlich 6,5 auf nun 10,1 Jahre gestiegen. Auch die Nutzungsdauer von Wohnmobilen steigt. All dies spricht nach Meinung von Elaskon-Chef Schwald dafür, dass private Nutzer ihre Autos wie auch speziell ihre Wohnmobile besser pflegen, als das vielleicht früher der Fall war.
„Selbst bei Neuwagen kritische Stellen entdeckt“
Sein Servicestations-Leiter Jan Dünnebier sieht das ähnlich: Sowohl Transporterflotten-Betreiber wie auch Wohnmobil-Eigner fragen bei ihm häufiger als früher nach Pflegemöglichkeiten. Denn Wohnmobile werden von den meisten Herstellern höchstens mit einem Schutzölfilm aus dem Werk ausgeliefert – obwohl gerade diese „Hotels auf vier Rädern“ auf Urlaubsfahrten besonderen Belastungen ausgesetzt seien. „Beim Blick unter das Fahrzeug haben wie selbst bei Neuwagen kritische Stellen entdeckt, bei denen der Rost leichtes Spiel haben wird“, berichtete Dünnebier.
Preisexplosion hat Umsatz künstlich in die Höhe getrieben
Jenseits dieses neuen Projektes liefen die Geschäfte für das Dresdner Traditionsunternehmen zuletzt auf dem Papier zwar recht gut, in der Praxis aber eher durchwachsen: So legten die Umsätze zwar 2021 um zwölf Prozent auf 33,2 Millionen Euro zu. Doch ein wesentlicher Teil der zusätzlichen Umsätze erklärt sich durch gestiegene Preise entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Zudem hatte die aus Süddeutschland stammende Unternehmerfamilie Schwald einen kleineren bayrischen Schmierstoffhändler mit 1,5 Millionen Euro Jahresumsatz und sechs Mitarbeitern Anfang 2021 übernommen. Dadurch ist Elaskon nun im Süden der Republik stärker vertreten und hat auch neue Schmierstoffmarken ins Portefeuille übernommen.
An Russland will Elaskon nicht mehr liefern, Ukraine kauft nicht mehr
Auf der anderen Seite haben Corona und jüngst der russische Angriff auf die Ukraine den gesamten Familienbetrieb empfindlich getroffen: Die ukrainischen Kunden sind mit der Verteidigung ihrer Heimat beschäftigt, den russischen Kunden liefert Elaskon eingedenk der Sanktionen nichts mehr. Durch den Wegfall dieser beiden Märkte hat Elaskon sechs Prozent seines Exportvolumens beziehungsweise 480.000 Euro Umsatz verloren. Hinzu kommen die seit Trump und Corona chronische gestörten Lieferketten: „Inzwischen haben wir uns schon daran gewöhnt, dass Bestellungen verzögert, gekürzt oder gar nicht kommen“, erzählte Tobias Schwald. Und natürlich machen auch die Turbulenzen an den Rohstoff- und Energieträgermärkten dem Mittelständler große Probleme. Fast alle eigenen Produktions- und Handelslinien für Schmier- und Konservierungsstoffe hängen größtenteils von Erdöl ab. Zudem hatte Elaskon erst vor vier Jahren seine Fabrikbeheizung auf Erdgas umgestellt.
Resilienz-Programm: Ölbrenner gekauft, Lager gefüllt, Forschung an Erdöl-Alternativen
Angesichts der explodierenden Preise und womöglich drohender Gas-Lieferstopps hat Elaskon inzwischen ein eigenes Resilienz-Programm aufgelegt: Der Betrieb erschließt sich neue Rohstofflieferquellen, hat einen Ölbrenner gekauft, um beim Komplettausfall von russischem Gas weiterproduzieren zu können, auch wurden die eigenen Rohstoff-Lager bis zur Oberkante gefüllt.

Die Archivaufnahme zeigt die damalige Forschungsministerin Johanna Wanka, wie sie den ersten synthetischen Öko-Diesel von Sunfire Dresden in ihren Dienst-Audi kippte. Foto: Sunfire/ Cleantech Media
Gehört die Zukunft dem „elektrischen“ Syntheseöl?
Und langfristig will Schwald auch weg vom Erdöl: Das werde zwar sicher nicht in den nächsten zehn Jahren zu schaffen sein, aber der Trend gehe letztlich dorthin, meint er. So forscht Elaskon an Möglichkeiten, einige Produkte auf biobasierte Rohstoffe wie Rapsöl umzustellen. Und für die Zukunft denkt er auch an synthetisch erzeugtes Öl, wie es beispielsweise der Nachbar „Sunfire“ aus Ökostrom, Kohlendioxid und Wasser herstellen kann.

Elaskon hat in den vergangenen Jahren seine eigenen Entwicklungsaktivitäten und Forschungspartnerschaften mit der TU Dresden, der ETH Zürich sowie den TUs Stuttgart und Chemnitz ausgebaut. Foto: Heiko Weckbrodt
Chinesen ist „Made in Europe“ einen kleinen Aufpreis wert – aber nicht zuviel
„Derzeit sind die Kunden aber noch nicht bereits, den damit verbundenen Mehrpreis zu zahlen“, dämpft der Unternehmer Hoffnungen auf schnelle Lösungen. In China zum Beispiel, wo Elaskon auch eine eigene Fertigung betreibt, können die Dresdner mit deutschen Qualitätsprodukten durchaus einen gewissen Aufpreis gegenüber der lokalen Konkurrenz durchsetzen. Aber wenn die bayrischen Sachsen den Preisbogen im Reich der Mitte überspannen, dann wechseln die Kunden auch dort zu chinesischen Produkten.

Das spätere Elaskon geht auf den 1928 gegründeten Chemiehandel Richter in Dresden zurück. Foto: Elaskon-Archiv
Start als Ölhändler vor fast 100 Jahren
Elaskon hat sich seinen Ruf als Qualitätshersteller über fast 100 Jahre erarbeitet: 1928 als Ölhändler „Richter“ gegründet, entwickelte das Unternehmen 1958 den Seilschmierstoff „Elaskon“ – und firmierte nach der Verstaatlichung 1972 auch als „VEB Elaskonwerk Dresden“. Nach der Reprivatisierung nach der Wende übernahm zunächst das Ölhandelsunternehmen „Präg“ den Dresdner Betrieb, ab 2001 kaufte sich dann schrittweise der langjährige Geschäftsführer Karl Schwald aus Bayern bei Elaskon ein. Ab 2019 stieg dann sein Sohn Tobias als Gesellschafter und Geschäftsführer ins väterliche Unternehmen ein.

Der langjährige Elaskon-Chef Karl Schwald hat sich schrittweise aus der operativen Führung zu gunsten seines Sohns Tobias zurückgezogen. Foto: Heiko Weckbrodt
Pflegeklassiker K60 aus DDR-Zeiten weiterentwickelt
Bis heute ist daraus eine kleine Unternehmensgruppe mit über 100 Beschäftigten geworden, zu der seit 2021 auch das Schmierstoffzentrum Süd in Bayern gehört. Elaskon verfolgt mittlerweile mehrere Geschäftsfelder: Es produziert – größtenteils in Dresden – Seilschmierstoffe, die seit DDR-Zeiten stetig weiterentwickelte Fahrzeug-Unterbodenpflege K60, Form- und Trennmittel für Baustellen sowie weitere ölbasierte Produkte. Außerdem handelt Elaskon mit Schmierstoffen anderer Hersteller. Auch im Dienstleistungssektor sind die Dresdner aktiv und bieten in Werkstätten die Unterbodenpflege von Autos und Nutzfahrzeugen an – und bald eben auch von Wohnmobilen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quelle: Elaskon-Besuch vor Ort, Auskünfte Schwald, Oiger-Archiv, ADAC, CIVD